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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, - oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:

Deponens aliena, ascendit deus.

1) Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.

Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, – oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:

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[108/0128] Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, – oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang. 1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden: Deponens aliena, ascendit deus. 1) Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/128>, abgerufen am 18.04.2024.