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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Wiß't Ihr auch, was des Tanzens Lohn gewesen wär'? frug Sin-
dolt einen der Mönche, der ob dieser Wendung der Dinge höchlich be-
trübt schien. Der schaute ihn starr an. Da machte ihm Sindolt eine
unverkennbare Geberde, die hieß: "Geißelung!"



Fünftes Kapitel.
Ekkehard's Auszug.


Früh Morgens darauf saß die Herzogin sammt ihren Leuten im
Sattel, heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben,
da sie sich jegliche Abschiedsfeierlichkeit verbat. Darum lag das Kloster
in stiller Ruhe, als drüben schon die Rosse wieherten, nur Herr Cralo
kam pflichtschuldig herüber. Er wußte was die Sitte gebot.

Zwei Brüder begleiteten ihn.

Der Eine trug einen schmucken Becher von Krystall mit silberge-
triebenem Fuß und Aufsatz geschmückt, und saß manches gute Stück-
lein Onyx und Smaragd in der silbernen Umfassung; der Andre trug
ein Krüglein mit Wein. Und der Abt schöpfte ein Weniges in den
Becher, wünschte seiner erlauchten Base einen gesegneten Tag und bat,
mit ihm des Abschieds Minne zu trinken und den Becher zu freund-
lichem Angedenken zu behalten.84)

Für den Fall, daß das Geschenk nicht genügend befunden werden
sollte, hatte er noch ein seltsam Schaustück im Rückhalt, das war sil-
bern zwar, doch unansehnlicher Gestalt und täuschend einem schlichten
Brode gleichgeformt, innen aber gefüllt mit güldenen Byzantinern bis
zum Rande;85) -- vorerst ließ der Abt Nichts davon vermerken und
trug's sorglich verborgen in der Kutte.

Frau Hadwig nahm den dargebotenen Becher, that als wenn sie
daran nippte, gab ihn aber wieder zurück und sprach: Erlaubet, theurer
Vetter, was soll der Frau das Trinkgefäß? Ich heische ein anderweit
Gastgeschenk. Habet Ihr nicht gestern von Quellen der Weisheit
gesprochen?

Wiß't Ihr auch, was des Tanzens Lohn geweſen wär'? frug Sin-
dolt einen der Mönche, der ob dieſer Wendung der Dinge höchlich be-
trübt ſchien. Der ſchaute ihn ſtarr an. Da machte ihm Sindolt eine
unverkennbare Geberde, die hieß: „Geißelung!“



Fünftes Kapitel.
Ekkehard's Auszug.


Früh Morgens darauf ſaß die Herzogin ſammt ihren Leuten im
Sattel, heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben,
da ſie ſich jegliche Abſchiedsfeierlichkeit verbat. Darum lag das Kloſter
in ſtiller Ruhe, als drüben ſchon die Roſſe wieherten, nur Herr Cralo
kam pflichtſchuldig herüber. Er wußte was die Sitte gebot.

Zwei Brüder begleiteten ihn.

Der Eine trug einen ſchmucken Becher von Kryſtall mit ſilberge-
triebenem Fuß und Aufſatz geſchmückt, und ſaß manches gute Stück-
lein Onyx und Smaragd in der ſilbernen Umfaſſung; der Andre trug
ein Krüglein mit Wein. Und der Abt ſchöpfte ein Weniges in den
Becher, wünſchte ſeiner erlauchten Baſe einen geſegneten Tag und bat,
mit ihm des Abſchieds Minne zu trinken und den Becher zu freund-
lichem Angedenken zu behalten.84)

Für den Fall, daß das Geſchenk nicht genügend befunden werden
ſollte, hatte er noch ein ſeltſam Schauſtück im Rückhalt, das war ſil-
bern zwar, doch unanſehnlicher Geſtalt und täuſchend einem ſchlichten
Brode gleichgeformt, innen aber gefüllt mit güldenen Byzantinern bis
zum Rande;85) — vorerſt ließ der Abt Nichts davon vermerken und
trug's ſorglich verborgen in der Kutte.

Frau Hadwig nahm den dargebotenen Becher, that als wenn ſie
daran nippte, gab ihn aber wieder zurück und ſprach: Erlaubet, theurer
Vetter, was ſoll der Frau das Trinkgefäß? Ich heiſche ein anderweit
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[53/0075] Wiß't Ihr auch, was des Tanzens Lohn geweſen wär'? frug Sin- dolt einen der Mönche, der ob dieſer Wendung der Dinge höchlich be- trübt ſchien. Der ſchaute ihn ſtarr an. Da machte ihm Sindolt eine unverkennbare Geberde, die hieß: „Geißelung!“ Fünftes Kapitel. Ekkehard's Auszug. Früh Morgens darauf ſaß die Herzogin ſammt ihren Leuten im Sattel, heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben, da ſie ſich jegliche Abſchiedsfeierlichkeit verbat. Darum lag das Kloſter in ſtiller Ruhe, als drüben ſchon die Roſſe wieherten, nur Herr Cralo kam pflichtſchuldig herüber. Er wußte was die Sitte gebot. Zwei Brüder begleiteten ihn. Der Eine trug einen ſchmucken Becher von Kryſtall mit ſilberge- triebenem Fuß und Aufſatz geſchmückt, und ſaß manches gute Stück- lein Onyx und Smaragd in der ſilbernen Umfaſſung; der Andre trug ein Krüglein mit Wein. Und der Abt ſchöpfte ein Weniges in den Becher, wünſchte ſeiner erlauchten Baſe einen geſegneten Tag und bat, mit ihm des Abſchieds Minne zu trinken und den Becher zu freund- lichem Angedenken zu behalten. ⁸⁴⁾ Für den Fall, daß das Geſchenk nicht genügend befunden werden ſollte, hatte er noch ein ſeltſam Schauſtück im Rückhalt, das war ſil- bern zwar, doch unanſehnlicher Geſtalt und täuſchend einem ſchlichten Brode gleichgeformt, innen aber gefüllt mit güldenen Byzantinern bis zum Rande; ⁸⁵⁾ — vorerſt ließ der Abt Nichts davon vermerken und trug's ſorglich verborgen in der Kutte. Frau Hadwig nahm den dargebotenen Becher, that als wenn ſie daran nippte, gab ihn aber wieder zurück und ſprach: Erlaubet, theurer Vetter, was ſoll der Frau das Trinkgefäß? Ich heiſche ein anderweit Gaſtgeſchenk. Habet Ihr nicht geſtern von Quellen der Weisheit geſprochen?

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/75>, abgerufen am 25.04.2024.