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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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solch trüber Himmel wenigstens wär' Euch am Ufer des Marmor-
meers für immer erspart. Auch Ihr hättet den Schrei des Staunens
nicht unterdrückt, wenn wir auf stolzer Galeere daher gefahren wären:
an den sieben Thürmen vorbei, da heben sich zuerst die glänzenden
Massen, Paläste, Kuppeln, Gotteshäuser, Alles im blendend weißen
Marmor aus den Brüchen der Insel Prokonnesos, groß und stolz
steigt die Lilie des Meeres aus dem blauen Grund auf, dort ein
dunkler Wald von Cypressen, hier die riesige Wölbung der hagia
Sophia,
auf und ab das weite Vorgebirg des goldenen Horns; gen-
über am asiatischen Gestade grüßt eine zweite Stadt, und als blau-
goldener Gürtel schlingt sich das schiffbelastete Meer um den Zauber
-- o Herrin, auch im Traum vermag ich hier im schwäbischen Land
den Glanz jenes Anblicks nicht wieder zu schauen.

Und dann, wenn die Sonne niedergestiegen und über flimmernden
Meereswellen die schnelle Nacht aufgeht, der Königsbraut zu Ehren Alles
im blaufahlen Glanz griechischen Feuers, -- jetzt fahren wir in Hafen
ein, die große Kette, die ihn sonst absperrt, löst sich dem Brautschiff,
Fackeln sprühen am Ufer, dort steht des Kaisers Leibwache, die Wa-
räger mit ihren zweischneidigen Streitäxten, und die blauäugigen Nor-
männer, dort der Patriarch mit zahllosen Priestern, überall Musik und
Jubelruf, und der Königssohn im Schmucke der Jugend empfängt die
Verlobte, nach dem Palast von Blacharnae wallt der Festzug ...

Und all diese Herrlichkeit habe ich versäumt, spottete Frau Had-
wig. Praxedis, dein Bild ist nicht vollständig. Und schon des andern
Tages kommt der Patriarch und ertheilt der abendländischen Christin
einen scharfen Glaubensunterricht, was von all den Ketzereien zu hal-
ten, die auf eurem verstandesdürren Erdreich aufsprießen wie Stech-
apfel und Bilsenkraut, -- und was von den Bildern der Mönche und
dem Concilschluß zu Chalcedon und Nicaea; dann kommt die Großhof-
meisterin und lehrt die Gesetze der Sitte und Bewegung: so die Stirn
gefaltet und so die Schleppe getragen, diesen Fußfall vor dem Kaiser
und jene Umarmung der Frau Schwiegermutter, und diese Höflichkeit
gegen jenen Günstling, und jene gigantische Redensart gegen dieses
Unthier: Eure Gravität, Eure Eminenz, Eure erhabene und wunder-
bare Größe! -- was am Menschen Lebenslust und Kraft heißt, wird
abgetödtet, und der Herr Gemahl gibt sich auch als gefirnißtes Püpp-

ſolch trüber Himmel wenigſtens wär' Euch am Ufer des Marmor-
meers für immer erſpart. Auch Ihr hättet den Schrei des Staunens
nicht unterdrückt, wenn wir auf ſtolzer Galeere daher gefahren wären:
an den ſieben Thürmen vorbei, da heben ſich zuerſt die glänzenden
Maſſen, Paläſte, Kuppeln, Gotteshäuſer, Alles im blendend weißen
Marmor aus den Brüchen der Inſel Prokonneſos, groß und ſtolz
ſteigt die Lilie des Meeres aus dem blauen Grund auf, dort ein
dunkler Wald von Cypreſſen, hier die rieſige Wölbung der hagia
Sophia,
auf und ab das weite Vorgebirg des goldenen Horns; gen-
über am aſiatiſchen Geſtade grüßt eine zweite Stadt, und als blau-
goldener Gürtel ſchlingt ſich das ſchiffbelaſtete Meer um den Zauber
— o Herrin, auch im Traum vermag ich hier im ſchwäbiſchen Land
den Glanz jenes Anblicks nicht wieder zu ſchauen.

Und dann, wenn die Sonne niedergeſtiegen und über flimmernden
Meereswellen die ſchnelle Nacht aufgeht, der Königsbraut zu Ehren Alles
im blaufahlen Glanz griechiſchen Feuers, — jetzt fahren wir in Hafen
ein, die große Kette, die ihn ſonſt abſperrt, löst ſich dem Brautſchiff,
Fackeln ſprühen am Ufer, dort ſteht des Kaiſers Leibwache, die Wa-
räger mit ihren zweiſchneidigen Streitäxten, und die blauäugigen Nor-
männer, dort der Patriarch mit zahlloſen Prieſtern, überall Muſik und
Jubelruf, und der Königsſohn im Schmucke der Jugend empfängt die
Verlobte, nach dem Palaſt von Blacharnae wallt der Feſtzug ...

Und all dieſe Herrlichkeit habe ich verſäumt, ſpottete Frau Had-
wig. Praxedis, dein Bild iſt nicht vollſtändig. Und ſchon des andern
Tages kommt der Patriarch und ertheilt der abendländiſchen Chriſtin
einen ſcharfen Glaubensunterricht, was von all den Ketzereien zu hal-
ten, die auf eurem verſtandesdürren Erdreich aufſprießen wie Stech-
apfel und Bilſenkraut, — und was von den Bildern der Mönche und
dem Concilſchluß zu Chalcedon und Nicaea; dann kommt die Großhof-
meiſterin und lehrt die Geſetze der Sitte und Bewegung: ſo die Stirn
gefaltet und ſo die Schleppe getragen, dieſen Fußfall vor dem Kaiſer
und jene Umarmung der Frau Schwiegermutter, und dieſe Höflichkeit
gegen jenen Günſtling, und jene gigantiſche Redensart gegen dieſes
Unthier: Eure Gravität, Eure Eminenz, Eure erhabene und wunder-
bare Größe! — was am Menſchen Lebensluſt und Kraft heißt, wird
abgetödtet, und der Herr Gemahl gibt ſich auch als gefirnißtes Püpp-

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[7/0029] ſolch trüber Himmel wenigſtens wär' Euch am Ufer des Marmor- meers für immer erſpart. Auch Ihr hättet den Schrei des Staunens nicht unterdrückt, wenn wir auf ſtolzer Galeere daher gefahren wären: an den ſieben Thürmen vorbei, da heben ſich zuerſt die glänzenden Maſſen, Paläſte, Kuppeln, Gotteshäuſer, Alles im blendend weißen Marmor aus den Brüchen der Inſel Prokonneſos, groß und ſtolz ſteigt die Lilie des Meeres aus dem blauen Grund auf, dort ein dunkler Wald von Cypreſſen, hier die rieſige Wölbung der hagia Sophia, auf und ab das weite Vorgebirg des goldenen Horns; gen- über am aſiatiſchen Geſtade grüßt eine zweite Stadt, und als blau- goldener Gürtel ſchlingt ſich das ſchiffbelaſtete Meer um den Zauber — o Herrin, auch im Traum vermag ich hier im ſchwäbiſchen Land den Glanz jenes Anblicks nicht wieder zu ſchauen. Und dann, wenn die Sonne niedergeſtiegen und über flimmernden Meereswellen die ſchnelle Nacht aufgeht, der Königsbraut zu Ehren Alles im blaufahlen Glanz griechiſchen Feuers, — jetzt fahren wir in Hafen ein, die große Kette, die ihn ſonſt abſperrt, löst ſich dem Brautſchiff, Fackeln ſprühen am Ufer, dort ſteht des Kaiſers Leibwache, die Wa- räger mit ihren zweiſchneidigen Streitäxten, und die blauäugigen Nor- männer, dort der Patriarch mit zahlloſen Prieſtern, überall Muſik und Jubelruf, und der Königsſohn im Schmucke der Jugend empfängt die Verlobte, nach dem Palaſt von Blacharnae wallt der Feſtzug ... Und all dieſe Herrlichkeit habe ich verſäumt, ſpottete Frau Had- wig. Praxedis, dein Bild iſt nicht vollſtändig. Und ſchon des andern Tages kommt der Patriarch und ertheilt der abendländiſchen Chriſtin einen ſcharfen Glaubensunterricht, was von all den Ketzereien zu hal- ten, die auf eurem verſtandesdürren Erdreich aufſprießen wie Stech- apfel und Bilſenkraut, — und was von den Bildern der Mönche und dem Concilſchluß zu Chalcedon und Nicaea; dann kommt die Großhof- meiſterin und lehrt die Geſetze der Sitte und Bewegung: ſo die Stirn gefaltet und ſo die Schleppe getragen, dieſen Fußfall vor dem Kaiſer und jene Umarmung der Frau Schwiegermutter, und dieſe Höflichkeit gegen jenen Günſtling, und jene gigantiſche Redensart gegen dieſes Unthier: Eure Gravität, Eure Eminenz, Eure erhabene und wunder- bare Größe! — was am Menſchen Lebensluſt und Kraft heißt, wird abgetödtet, und der Herr Gemahl gibt ſich auch als gefirnißtes Püpp-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/29>, abgerufen am 25.04.2024.