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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Wolo, da er hörte, daß von einer Frau die Rede, schlich leis von dan-
nen und schloß sich in seine Zelle.

Da hob sich unter den Jüngeren Einer und erbat das Wort.

Sprechet, Bruder Ekkehard,28) rief der Abt.

Und das wogende Gemurmel verstummte; alle hörten den Ekke-
hard gern. Er war jung an Jahren, von schöner Gestalt, und fesselte
Jeden der ihn schaute durch sittige Anmuth; dabei weise und beredt, von
klugverständigem Rath und ein scharfer Gelehrter. An der Kloster-
schule lehrte er den Virgilius, und wiewohl in der Ordensregel ge-
schrieben stand: zum Pörtner soll ein weiser Greis erwählt werden,
dem gesetztes Alter das Irrlichteliren unmöglich macht, damit die An-
kommenden mit gutem Bescheid empfangen seien, so waren die Brüder
eins, daß er die erforderlichen Eigenschaften besitze und hatten ihm
auch das Pörtneramt übertragen.

Ein kaum sichtbares Lächeln war über seinen Lippen gelegen, die-
weil die Alten sich stritten. Jetzt erhob er seine Stimme und sprach:

Die Herzogin in Schwaben ist des Klosters Schirmvogt und gilt
in solcher Eigenschaft als wie ein Mann. Und wenn in unserer
Satzung streng geboten ist, daß kein Weib den Fuß über des Klosters
Schwelle setze: man kann sie ja darüber tragen.

Da heiterten sich die Stirnen der Alten, als wäre Jedem ein
Stein vom Herzen gefallen, beifällig nickten die Capuzen, auch der
Abt war des verständigen Wortes nicht unbewegt und sprach:

Fürwahr, oftmals offenbart der Herr einem Jüngeren das Dien-
lichste,29) Bruder Ekkehard, Ihr seid sanft wie die Taube aber klug
wie die Schlange, so sollt Ihr des eigenen Raths Vollstrecker sein.
Wir geben Euch Dispens.

Dem Pörtner schoß das Blut in die Wangen, er verbeugte sich
seinen Gehorsam anzudeuten.

Und der Herzogin weibliche Begleitung? frug der Abt weiter.
Da wurde der Convent eins, daß für diese auch die freimüthigste
Gesetzesauslegung keine Möglichkeit des Eintritts eröffne. Der böse
Sindolt aber sprach: Die mögen indessen zu den Klausnerinnen auf
den Irenhügel gehen, wenn des heiligen Gallus Heerde von einer
Landplage heimgesucht wird, soll die fromme Wiborad auch ein Theil
daran leiden.

Wolo, da er hörte, daß von einer Frau die Rede, ſchlich leis von dan-
nen und ſchloß ſich in ſeine Zelle.

Da hob ſich unter den Jüngeren Einer und erbat das Wort.

Sprechet, Bruder Ekkehard,28) rief der Abt.

Und das wogende Gemurmel verſtummte; alle hörten den Ekke-
hard gern. Er war jung an Jahren, von ſchöner Geſtalt, und feſſelte
Jeden der ihn ſchaute durch ſittige Anmuth; dabei weiſe und beredt, von
klugverſtändigem Rath und ein ſcharfer Gelehrter. An der Kloſter-
ſchule lehrte er den Virgilius, und wiewohl in der Ordensregel ge-
ſchrieben ſtand: zum Pörtner ſoll ein weiſer Greis erwählt werden,
dem geſetztes Alter das Irrlichteliren unmöglich macht, damit die An-
kommenden mit gutem Beſcheid empfangen ſeien, ſo waren die Brüder
eins, daß er die erforderlichen Eigenſchaften beſitze und hatten ihm
auch das Pörtneramt übertragen.

Ein kaum ſichtbares Lächeln war über ſeinen Lippen gelegen, die-
weil die Alten ſich ſtritten. Jetzt erhob er ſeine Stimme und ſprach:

Die Herzogin in Schwaben iſt des Kloſters Schirmvogt und gilt
in ſolcher Eigenſchaft als wie ein Mann. Und wenn in unſerer
Satzung ſtreng geboten iſt, daß kein Weib den Fuß über des Kloſters
Schwelle ſetze: man kann ſie ja darüber tragen.

Da heiterten ſich die Stirnen der Alten, als wäre Jedem ein
Stein vom Herzen gefallen, beifällig nickten die Capuzen, auch der
Abt war des verſtändigen Wortes nicht unbewegt und ſprach:

Fürwahr, oftmals offenbart der Herr einem Jüngeren das Dien-
lichſte,29) Bruder Ekkehard, Ihr ſeid ſanft wie die Taube aber klug
wie die Schlange, ſo ſollt Ihr des eigenen Raths Vollſtrecker ſein.
Wir geben Euch Dispens.

Dem Pörtner ſchoß das Blut in die Wangen, er verbeugte ſich
ſeinen Gehorſam anzudeuten.

Und der Herzogin weibliche Begleitung? frug der Abt weiter.
Da wurde der Convent eins, daß für dieſe auch die freimüthigſte
Geſetzesauslegung keine Möglichkeit des Eintritts eröffne. Der böſe
Sindolt aber ſprach: Die mögen indeſſen zu den Klausnerinnen auf
den Irenhügel gehen, wenn des heiligen Gallus Heerde von einer
Landplage heimgeſucht wird, ſoll die fromme Wiborad auch ein Theil
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[18/0040] Wolo, da er hörte, daß von einer Frau die Rede, ſchlich leis von dan- nen und ſchloß ſich in ſeine Zelle. Da hob ſich unter den Jüngeren Einer und erbat das Wort. Sprechet, Bruder Ekkehard, ²⁸⁾ rief der Abt. Und das wogende Gemurmel verſtummte; alle hörten den Ekke- hard gern. Er war jung an Jahren, von ſchöner Geſtalt, und feſſelte Jeden der ihn ſchaute durch ſittige Anmuth; dabei weiſe und beredt, von klugverſtändigem Rath und ein ſcharfer Gelehrter. An der Kloſter- ſchule lehrte er den Virgilius, und wiewohl in der Ordensregel ge- ſchrieben ſtand: zum Pörtner ſoll ein weiſer Greis erwählt werden, dem geſetztes Alter das Irrlichteliren unmöglich macht, damit die An- kommenden mit gutem Beſcheid empfangen ſeien, ſo waren die Brüder eins, daß er die erforderlichen Eigenſchaften beſitze und hatten ihm auch das Pörtneramt übertragen. Ein kaum ſichtbares Lächeln war über ſeinen Lippen gelegen, die- weil die Alten ſich ſtritten. Jetzt erhob er ſeine Stimme und ſprach: Die Herzogin in Schwaben iſt des Kloſters Schirmvogt und gilt in ſolcher Eigenſchaft als wie ein Mann. Und wenn in unſerer Satzung ſtreng geboten iſt, daß kein Weib den Fuß über des Kloſters Schwelle ſetze: man kann ſie ja darüber tragen. Da heiterten ſich die Stirnen der Alten, als wäre Jedem ein Stein vom Herzen gefallen, beifällig nickten die Capuzen, auch der Abt war des verſtändigen Wortes nicht unbewegt und ſprach: Fürwahr, oftmals offenbart der Herr einem Jüngeren das Dien- lichſte, ²⁹⁾ Bruder Ekkehard, Ihr ſeid ſanft wie die Taube aber klug wie die Schlange, ſo ſollt Ihr des eigenen Raths Vollſtrecker ſein. Wir geben Euch Dispens. Dem Pörtner ſchoß das Blut in die Wangen, er verbeugte ſich ſeinen Gehorſam anzudeuten. Und der Herzogin weibliche Begleitung? frug der Abt weiter. Da wurde der Convent eins, daß für dieſe auch die freimüthigſte Geſetzesauslegung keine Möglichkeit des Eintritts eröffne. Der böſe Sindolt aber ſprach: Die mögen indeſſen zu den Klausnerinnen auf den Irenhügel gehen, wenn des heiligen Gallus Heerde von einer Landplage heimgeſucht wird, ſoll die fromme Wiborad auch ein Theil daran leiden.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/40>, abgerufen am 25.04.2024.