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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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secundärer Künste, die ich in dem Kreis unserer Construktion darum
nur erwähnen zu müssen glaube, da ihre Gesetze als zusammengesetzter
Künste aus den Gesetzen derer, aus welchen sie zusammengesetzt sind,
herfließen, und was an ihnen nicht auf diese Weise eingesehen werden
kann, nur auf empirisch-technischen Regeln beruht, die von selbst aus
unserer Construktion ausgeschlossen sind.

Ich bemerke nur noch, daß die vollkommenste Zusammensetzung
aller Künste, die Vereinigung von Poesie und Musik durch Gesang, von
Poesie und Malerei durch Tanz, selbst wieder synthesirt die componirteste
Theatererscheinung ist, dergleichen das Drama des Alterthums war,
wovon uns nur eine Karrikatur, die Oper, geblieben ist, die in höhe-
rem und edlerem Styl von Seiten der Poesie sowohl als der übrigen
concurrirenden Künste uns am ehesten zur Aufführung des alten mit
Musik und Gesang verbundenen Dramas zurückführen könnte.

Musik, Gesang, Tanz, wie alle Arten des Drama leben selbst
nur im öffentlichen Leben und verbünden sich in diesem. Wo dieses
verschwindet, kann statt des realen und äußerlichen Dramas, an dem,
in allen seinen Formen, das ganze Volk, als politische oder sittliche
Totalität, Theil nimmt, ein innerliches, ideales Drama allein noch
das Volk vereinigen. Dieses ideale Drama ist der Gottesdienst, die
einzige Art wahrhaft öffentlicher Handlung, die der neueren Zeit,
und auch dieser späterhin nur sehr geschmälert und beengt geblieben ist.


ſecundärer Künſte, die ich in dem Kreis unſerer Conſtruktion darum
nur erwähnen zu müſſen glaube, da ihre Geſetze als zuſammengeſetzter
Künſte aus den Geſetzen derer, aus welchen ſie zuſammengeſetzt ſind,
herfließen, und was an ihnen nicht auf dieſe Weiſe eingeſehen werden
kann, nur auf empiriſch-techniſchen Regeln beruht, die von ſelbſt aus
unſerer Conſtruktion ausgeſchloſſen ſind.

Ich bemerke nur noch, daß die vollkommenſte Zuſammenſetzung
aller Künſte, die Vereinigung von Poeſie und Muſik durch Geſang, von
Poeſie und Malerei durch Tanz, ſelbſt wieder ſyntheſirt die componirteſte
Theatererſcheinung iſt, dergleichen das Drama des Alterthums war,
wovon uns nur eine Karrikatur, die Oper, geblieben iſt, die in höhe-
rem und edlerem Styl von Seiten der Poeſie ſowohl als der übrigen
concurrirenden Künſte uns am eheſten zur Aufführung des alten mit
Muſik und Geſang verbundenen Dramas zurückführen könnte.

Muſik, Geſang, Tanz, wie alle Arten des Drama leben ſelbſt
nur im öffentlichen Leben und verbünden ſich in dieſem. Wo dieſes
verſchwindet, kann ſtatt des realen und äußerlichen Dramas, an dem,
in allen ſeinen Formen, das ganze Volk, als politiſche oder ſittliche
Totalität, Theil nimmt, ein innerliches, ideales Drama allein noch
das Volk vereinigen. Dieſes ideale Drama iſt der Gottesdienſt, die
einzige Art wahrhaft öffentlicher Handlung, die der neueren Zeit,
und auch dieſer ſpäterhin nur ſehr geſchmälert und beengt geblieben iſt.


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[736/0412] ſecundärer Künſte, die ich in dem Kreis unſerer Conſtruktion darum nur erwähnen zu müſſen glaube, da ihre Geſetze als zuſammengeſetzter Künſte aus den Geſetzen derer, aus welchen ſie zuſammengeſetzt ſind, herfließen, und was an ihnen nicht auf dieſe Weiſe eingeſehen werden kann, nur auf empiriſch-techniſchen Regeln beruht, die von ſelbſt aus unſerer Conſtruktion ausgeſchloſſen ſind. Ich bemerke nur noch, daß die vollkommenſte Zuſammenſetzung aller Künſte, die Vereinigung von Poeſie und Muſik durch Geſang, von Poeſie und Malerei durch Tanz, ſelbſt wieder ſyntheſirt die componirteſte Theatererſcheinung iſt, dergleichen das Drama des Alterthums war, wovon uns nur eine Karrikatur, die Oper, geblieben iſt, die in höhe- rem und edlerem Styl von Seiten der Poeſie ſowohl als der übrigen concurrirenden Künſte uns am eheſten zur Aufführung des alten mit Muſik und Geſang verbundenen Dramas zurückführen könnte. Muſik, Geſang, Tanz, wie alle Arten des Drama leben ſelbſt nur im öffentlichen Leben und verbünden ſich in dieſem. Wo dieſes verſchwindet, kann ſtatt des realen und äußerlichen Dramas, an dem, in allen ſeinen Formen, das ganze Volk, als politiſche oder ſittliche Totalität, Theil nimmt, ein innerliches, ideales Drama allein noch das Volk vereinigen. Dieſes ideale Drama iſt der Gottesdienſt, die einzige Art wahrhaft öffentlicher Handlung, die der neueren Zeit, und auch dieſer ſpäterhin nur ſehr geſchmälert und beengt geblieben iſt.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/412>, abgerufen am 24.04.2024.