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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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als inwiefern sie das ganze ungetheilte Universum in sich aufnehmen,
also selbst Universa sind.

Wenn hieraus geschlossen würde, daß es demnach so viele Universa
seyen, als Ideen besonderer Dinge sind, so ist dieß eben der Schluß,
den wir beabsichtigen. Es gibt entweder überhaupt keine besonderen
Dinge, oder jedes derselben ist für sich ein Universum. In Gott selbst,
weil er die Einheit aller Formen ist, liegt eben deßwegen das Uni-
versum in keiner besonderen Form, weil es in allen, so wie es in allen
liegt, weil in keiner besonderen. Wenn die besondere Form an sich
reell seyn soll, so kann sie es nicht als besondere, sondern nur als Form
des Universums seyn. Z. B. die besondere Form Mensch ist im Ab-
soluten nicht als besondere, sondern das eine und ungetheilte Universum
in der Form des Menschen. Eben deßwegen ist nichts von dem, was
wir einzelne Dinge nennen, an sich reell. Sie sind eben einzelne
dadurch, daß sie das absolute Ganze nicht in sich, ihrer besonderen
Form, aufnehmen, sich von ihm getrennt haben, und umgekehrt, in-
wiefern sie es in sich haben, sind sie nicht mehr einzelne.

§. 26. Im Absoluten sind alle besonderen Dinge nur
dadurch wahrhaft geschieden und wahrhaft eins, daß jedes
für sich das Universum, jedes das absolute Ganze ist
. --
Geschieden: denn kein einzelnes Ding als solches ist wahrhaft geschieden,
absolut geschieden ist nur das Universum, weil keinem andern Dinge
weder gleich noch ungleich, weil nichts außer ihm ist, dem es entgegengesetzt
oder verglichen werden könnte. Wahrhaft eins, weil in jedem dasselbe ist.

Eben deßwegen ist hier auch alle Zahl oder Bestimmung durch
Zahl aufgehoben. Das besondere Ding in der Absolutheit wird nicht
durch Zahl bestimmt; denn wird auf das Besondere an ihm reflektirt,
so ist es selbst das absolute Ganze und hat nichts außer sich; auf das
Allgemeine, so ist es in der absoluten Einheit mit allen andern Dingen.
Es begreift also nur selbst Einheit und Vielheit unter sich, ist aber
nicht durch diese Begriffe bestimmbar.

Anmerkung. Diese Begriffe sind von Wichtigkeit a) wegen der
gedoppelten Ansicht, die vom Universum überhaupt nothwendig ist,

als inwiefern ſie das ganze ungetheilte Univerſum in ſich aufnehmen,
alſo ſelbſt Univerſa ſind.

Wenn hieraus geſchloſſen würde, daß es demnach ſo viele Univerſa
ſeyen, als Ideen beſonderer Dinge ſind, ſo iſt dieß eben der Schluß,
den wir beabſichtigen. Es gibt entweder überhaupt keine beſonderen
Dinge, oder jedes derſelben iſt für ſich ein Univerſum. In Gott ſelbſt,
weil er die Einheit aller Formen iſt, liegt eben deßwegen das Uni-
verſum in keiner beſonderen Form, weil es in allen, ſo wie es in allen
liegt, weil in keiner beſonderen. Wenn die beſondere Form an ſich
reell ſeyn ſoll, ſo kann ſie es nicht als beſondere, ſondern nur als Form
des Univerſums ſeyn. Z. B. die beſondere Form Menſch iſt im Ab-
ſoluten nicht als beſondere, ſondern das eine und ungetheilte Univerſum
in der Form des Menſchen. Eben deßwegen iſt nichts von dem, was
wir einzelne Dinge nennen, an ſich reell. Sie ſind eben einzelne
dadurch, daß ſie das abſolute Ganze nicht in ſich, ihrer beſonderen
Form, aufnehmen, ſich von ihm getrennt haben, und umgekehrt, in-
wiefern ſie es in ſich haben, ſind ſie nicht mehr einzelne.

§. 26. Im Abſoluten ſind alle beſonderen Dinge nur
dadurch wahrhaft geſchieden und wahrhaft eins, daß jedes
für ſich das Univerſum, jedes das abſolute Ganze iſt
. —
Geſchieden: denn kein einzelnes Ding als ſolches iſt wahrhaft geſchieden,
abſolut geſchieden iſt nur das Univerſum, weil keinem andern Dinge
weder gleich noch ungleich, weil nichts außer ihm iſt, dem es entgegengeſetzt
oder verglichen werden könnte. Wahrhaft eins, weil in jedem daſſelbe iſt.

Eben deßwegen iſt hier auch alle Zahl oder Beſtimmung durch
Zahl aufgehoben. Das beſondere Ding in der Abſolutheit wird nicht
durch Zahl beſtimmt; denn wird auf das Beſondere an ihm reflektirt,
ſo iſt es ſelbſt das abſolute Ganze und hat nichts außer ſich; auf das
Allgemeine, ſo iſt es in der abſoluten Einheit mit allen andern Dingen.
Es begreift alſo nur ſelbſt Einheit und Vielheit unter ſich, iſt aber
nicht durch dieſe Begriffe beſtimmbar.

Anmerkung. Dieſe Begriffe ſind von Wichtigkeit a) wegen der
gedoppelten Anſicht, die vom Univerſum überhaupt nothwendig iſt,

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[389/0065] als inwiefern ſie das ganze ungetheilte Univerſum in ſich aufnehmen, alſo ſelbſt Univerſa ſind. Wenn hieraus geſchloſſen würde, daß es demnach ſo viele Univerſa ſeyen, als Ideen beſonderer Dinge ſind, ſo iſt dieß eben der Schluß, den wir beabſichtigen. Es gibt entweder überhaupt keine beſonderen Dinge, oder jedes derſelben iſt für ſich ein Univerſum. In Gott ſelbſt, weil er die Einheit aller Formen iſt, liegt eben deßwegen das Uni- verſum in keiner beſonderen Form, weil es in allen, ſo wie es in allen liegt, weil in keiner beſonderen. Wenn die beſondere Form an ſich reell ſeyn ſoll, ſo kann ſie es nicht als beſondere, ſondern nur als Form des Univerſums ſeyn. Z. B. die beſondere Form Menſch iſt im Ab- ſoluten nicht als beſondere, ſondern das eine und ungetheilte Univerſum in der Form des Menſchen. Eben deßwegen iſt nichts von dem, was wir einzelne Dinge nennen, an ſich reell. Sie ſind eben einzelne dadurch, daß ſie das abſolute Ganze nicht in ſich, ihrer beſonderen Form, aufnehmen, ſich von ihm getrennt haben, und umgekehrt, in- wiefern ſie es in ſich haben, ſind ſie nicht mehr einzelne. §. 26. Im Abſoluten ſind alle beſonderen Dinge nur dadurch wahrhaft geſchieden und wahrhaft eins, daß jedes für ſich das Univerſum, jedes das abſolute Ganze iſt. — Geſchieden: denn kein einzelnes Ding als ſolches iſt wahrhaft geſchieden, abſolut geſchieden iſt nur das Univerſum, weil keinem andern Dinge weder gleich noch ungleich, weil nichts außer ihm iſt, dem es entgegengeſetzt oder verglichen werden könnte. Wahrhaft eins, weil in jedem daſſelbe iſt. Eben deßwegen iſt hier auch alle Zahl oder Beſtimmung durch Zahl aufgehoben. Das beſondere Ding in der Abſolutheit wird nicht durch Zahl beſtimmt; denn wird auf das Beſondere an ihm reflektirt, ſo iſt es ſelbſt das abſolute Ganze und hat nichts außer ſich; auf das Allgemeine, ſo iſt es in der abſoluten Einheit mit allen andern Dingen. Es begreift alſo nur ſelbſt Einheit und Vielheit unter ſich, iſt aber nicht durch dieſe Begriffe beſtimmbar. Anmerkung. Dieſe Begriffe ſind von Wichtigkeit a) wegen der gedoppelten Anſicht, die vom Univerſum überhaupt nothwendig iſt,

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/65>, abgerufen am 25.04.2024.