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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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N. 33.)



Seltsamer Naturgeschichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

AUß deme/ was bißher von der verwunderlichen Thal-Bergichten Be-
schaffenheit/ und hoher situation, des Schweizerlands geschrieben
worden/ ist leicht zu schliessen/ daß die Jahrzeiten bey uns nicht so or-
denlich auf die bey vilen anderen Länderen gewisse zeit/ Wochen und Tag/
oder alle Jahre auf gleiche Weise geschehen/ sondern merklich sich
abenderen. An einichen Ohrten regiert bald das ganze Jahr hindurch ein
beständige fast winterliche Kälte/ an anderen bald eine durchtrin-
gende Kälte/ bald fast unleidenliche Wärme: Die meisten Län-
der/ Stätte/ und Thäler aber werden etwan innert wenig Tagen oder
wochen angefochten mit ganz widrigen abänderungen; Es stürmen auf
dises Haubt/ oder obersten Gipfel von Europa nicht nur alle Element/ son-
dern auch alle Winde/ mit grösserer Freyheit/ und leichteren wirkung/ als
auf andere Lande/ und were in betrachtung dessen unser Vatterland das un-
gesundeste von allen/ wann nicht dem gütigsten Schöpfer gefallen hette/ diser
kränklichen blösse entgegen zusetzen die reinigkeit/ und Gesundheit der Luft
und Wasseren/ die Fruchtbarkeit der Erden/ die kostlichkeit der Gewächsen/
und andere dergleichen Gaben/ vor welche wir dem barmherzigen Gott zu-
danken haben. Unsere entfehrnung von dem Meer haltet von uns ab vil
grobe/ schwere/ saltzichte Dünste/ welche bald an denen Küsten/ oder auch
angränzenden Landen sich herab lassen/ und also nur zu uns geführt werden
die leichteren wässerigen theil/ welche dann an unseren Bergen anstossen/
und sich in Nebel/ Regen/ Schnee/ Brünnen/ Bäche/ und Flüsse
verwandlen. Gleichwie auch von denen Gottesgelehrten Naturkündigeren
die Winde in gemein angesehen werden vor ein herrliches Mittel/ die Luft
vor der fäulung/ und unsere Leiber vor vielen Krankheiten zu bewahren/ also

können
N. 33.)



Seltſamer Naturgeſchichten
Des Schweizer-Lands
Wochentliche Erzehlung.


Von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands.

AUß deme/ was bißher von der verwunderlichen Thal-Bergichten Be-
ſchaffenheit/ und hoher ſituation, des Schweizerlands geſchrieben
worden/ iſt leicht zu ſchlieſſen/ daß die Jahrzeiten bey uns nicht ſo or-
denlich auf die bey vilen anderen Laͤnderen gewiſſe zeit/ Wochen und Tag/
oder alle Jahre auf gleiche Weiſe geſchehen/ ſondern merklich ſich
abenderen. An einichen Ohrten regiert bald das ganze Jahr hindurch ein
beſtaͤndige faſt winterliche Kaͤlte/ an anderen bald eine durchtrin-
gende Kaͤlte/ bald faſt unleidenliche Waͤrme: Die meiſten Laͤn-
der/ Staͤtte/ und Thaͤler aber werden etwan innert wenig Tagen oder
wochen angefochten mit ganz widrigen abaͤnderungen; Es ſtuͤrmen auf
diſes Haubt/ oder oberſten Gipfel von Europa nicht nur alle Element/ ſon-
dern auch alle Winde/ mit groͤſſerer Freyheit/ und leichteren wirkung/ als
auf andere Lande/ und were in betrachtung deſſen unſer Vatterland das un-
geſundeſte von allen/ wann nicht dem guͤtigſten Schoͤpfer gefallen hette/ diſer
kraͤnklichen bloͤſſe entgegen zuſetzen die reinigkeit/ und Geſundheit der Luft
und Waſſeren/ die Fruchtbarkeit der Erden/ die koſtlichkeit der Gewaͤchſen/
und andere dergleichen Gaben/ vor welche wir dem barmherzigen Gott zu-
danken haben. Unſere entfehrnung von dem Meer haltet von uns ab vil
grobe/ ſchwere/ ſaltzichte Duͤnſte/ welche bald an denen Kuͤſten/ oder auch
angraͤnzenden Landen ſich herab laſſen/ und alſo nur zu uns gefuͤhrt werden
die leichteren waͤſſerigen theil/ welche dann an unſeren Bergen anſtoſſen/
und ſich in Nebel/ Regen/ Schnee/ Bruͤnnen/ Baͤche/ und Fluͤſſe
verwandlen. Gleichwie auch von denen Gottesgelehrten Naturkuͤndigeren
die Winde in gemein angeſehen werden vor ein herꝛliches Mittel/ die Luft
vor der faͤulung/ und unſere Leiber vor vielen Krankheiten zu bewahren/ alſo

koͤnnen
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[(129)[129]/0166] N. 33.) 23. Sept. 1705. Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-Lands Wochentliche Erzehlung. Von ungewohnten Jahrzeiten des Schweizerlands. AUß deme/ was bißher von der verwunderlichen Thal-Bergichten Be- ſchaffenheit/ und hoher ſituation, des Schweizerlands geſchrieben worden/ iſt leicht zu ſchlieſſen/ daß die Jahrzeiten bey uns nicht ſo or- denlich auf die bey vilen anderen Laͤnderen gewiſſe zeit/ Wochen und Tag/ oder alle Jahre auf gleiche Weiſe geſchehen/ ſondern merklich ſich abenderen. An einichen Ohrten regiert bald das ganze Jahr hindurch ein beſtaͤndige faſt winterliche Kaͤlte/ an anderen bald eine durchtrin- gende Kaͤlte/ bald faſt unleidenliche Waͤrme: Die meiſten Laͤn- der/ Staͤtte/ und Thaͤler aber werden etwan innert wenig Tagen oder wochen angefochten mit ganz widrigen abaͤnderungen; Es ſtuͤrmen auf diſes Haubt/ oder oberſten Gipfel von Europa nicht nur alle Element/ ſon- dern auch alle Winde/ mit groͤſſerer Freyheit/ und leichteren wirkung/ als auf andere Lande/ und were in betrachtung deſſen unſer Vatterland das un- geſundeſte von allen/ wann nicht dem guͤtigſten Schoͤpfer gefallen hette/ diſer kraͤnklichen bloͤſſe entgegen zuſetzen die reinigkeit/ und Geſundheit der Luft und Waſſeren/ die Fruchtbarkeit der Erden/ die koſtlichkeit der Gewaͤchſen/ und andere dergleichen Gaben/ vor welche wir dem barmherzigen Gott zu- danken haben. Unſere entfehrnung von dem Meer haltet von uns ab vil grobe/ ſchwere/ ſaltzichte Duͤnſte/ welche bald an denen Kuͤſten/ oder auch angraͤnzenden Landen ſich herab laſſen/ und alſo nur zu uns gefuͤhrt werden die leichteren waͤſſerigen theil/ welche dann an unſeren Bergen anſtoſſen/ und ſich in Nebel/ Regen/ Schnee/ Bruͤnnen/ Baͤche/ und Fluͤſſe verwandlen. Gleichwie auch von denen Gottesgelehrten Naturkuͤndigeren die Winde in gemein angeſehen werden vor ein herꝛliches Mittel/ die Luft vor der faͤulung/ und unſere Leiber vor vielen Krankheiten zu bewahren/ alſo koͤnnen

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. (129)[129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/166>, abgerufen am 28.03.2024.