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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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tes/ Bläslein (Hydatis) hervor/ oder zeuhet selbiges mit einem Drätlein
herauß/ verbindet darauf die Wunde/ und heilet den Patienten. Wann das
Wasserbläslein seitwerts auf dem Hirnliget/ und auch folglich die durch-
borrung sicherer auf selbiger seiten vorgenommen werden kan/ so gibt der
Arzet achtung/ wie das stürmige Viehe umlauffe/ und borret alsdann auf
der inneren seiten des Kreises die Hirnschale durch. Es ist aber zu gewah-
ren/ daß nicht alles stürmige/ in die Cur genommene Viehe darvon komt/
sondern mehrmalen auf die Krankheit der tod erfolget/ wann eintweder die
ursach der Krankheit nicht kan weggehoben werden/ oder der Arzet mit seinem
Messer das sehr empfindliche Hirnhäutlein verlezet. A. 1699. hat es sich
zugetragen/ daß in der Herrschaft Engelberg ein Gemsthier sich von den
hohen Berg Klippen in die tieffe herab gelassen/ und unter das zahme Viehe
genähert/ mit ihnen geweidet/ und sich auch nicht mit Steinen von dannen
wegtreiben lassen: Nachdem es von dem Jäger erschossen/ und in das Gotts-
haußgebracht worden/ hat man auf dem Hirne auch ein solches Wasser-
bläslein ligend gefunden/ welches vermuhtlich dem Gems seine forchtsame
Art benommen/ und selbiges ganz tumm gemachet hat.

Von abmessung der Berghöhenen.

ZU allen zeiten haben sich die Natur-verständigen Erd- und Feldmesser
bemühet die berühmtesten Berge in ihren höhenen abzumessen/ zu dem
ende sich bedienet der Quadranten/ halben Zirklen/ und anderer Geomet-
rischen Jnstrumenten/ vermittlest deren sie auß dem grund einer nach gestalt-
same der höhe groß genommenen Standlini auß so genanten Trigono-
metrischen Principiis die begehrten höhenen herauß zubringen pflegten.
Jch habe auch auf disere weise verschiedene hohe Alpgebirge abzumessen mich
unterstanden/ allezeit aber/ obgleich auf das fleissigste operiert/ eine ungleiche/
oder ungläublich/ und allzu grosse höhe durch die Rechenkunst herauß gebracht
(dessen Zeugen seyn können die im Bergellerthal/ vor Soglio überstehende/ A.
1703. von mir abgemessene Berge/ Piz delle nuove, dellidieci, e delle un-
deci
) so daß zu verschiednen malen angefangen habe zweiflen an güte/ und si-
cherheit/ der Feldmesserischen weise/ um so vil eher/ weilen in mehrerem nachsin-
nen auß denen Grundsätzen der Natur und Mathematischen Wissenschaften
leichtlich schliessen könte/ daß die von denen Berg Spitzen in die Thäler durch
ungleich dünne Luft fallende Sonnenstralen keine grade/ sondern eine durch
umweg gehende/ vilfältig gebrochene/ oder krumme Lini machen/ und deßna-
hen die Spitze der Bergen dem Augenmeß nach weit höher zustehen scheinen/
als sie in der Natur sind/ etc.

tes/ Blaͤslein (Hydatis) hervor/ oder zeuhet ſelbiges mit einem Draͤtlein
herauß/ verbindet darauf die Wunde/ und heilet den Patienten. Wann das
Waſſerblaͤslein ſeitwerts auf dem Hirnliget/ und auch folglich die durch-
borꝛung ſicherer auf ſelbiger ſeiten vorgenommen werden kan/ ſo gibt der
Arzet achtung/ wie das ſtuͤrmige Viehe umlauffe/ und borꝛet alsdann auf
der inneren ſeiten des Kreiſes die Hirnſchale durch. Es iſt aber zu gewah-
ren/ daß nicht alles ſtuͤrmige/ in die Cur genommene Viehe darvon komt/
ſondern mehrmalen auf die Krankheit der tod erfolget/ wann eintweder die
urſach der Krankheit nicht kan weggehoben werden/ oder der Arzet mit ſeinem
Meſſer das ſehr empfindliche Hirnhaͤutlein verlezet. A. 1699. hat es ſich
zugetragen/ daß in der Herꝛſchaft Engelberg ein Gemsthier ſich von den
hohen Berg Klippen in die tieffe herab gelaſſen/ und unter das zahme Viehe
genaͤhert/ mit ihnen geweidet/ und ſich auch nicht mit Steinen von dannen
wegtreiben laſſen: Nachdem es von dem Jaͤger erſchoſſen/ und in das Gotts-
haußgebracht worden/ hat man auf dem Hirne auch ein ſolches Waſſer-
blaͤslein ligend gefunden/ welches vermuhtlich dem Gems ſeine forchtſame
Art benommen/ und ſelbiges ganz tum̃ gemachet hat.

Von abmeſſung der Berghoͤhenen.

ZU allen zeiten haben ſich die Natur-verſtaͤndigen Erd- und Feldmeſſer
bemuͤhet die beruͤhmteſten Berge in ihren hoͤhenen abzumeſſen/ zu dem
ende ſich bedienet der Quadranten/ halben Zirklen/ und anderer Geomet-
riſchen Jnſtrumenten/ vermittleſt deren ſie auß dem grund einer nach geſtalt-
ſame der hoͤhe groß genommenen Standlini auß ſo genanten Trigono-
metriſchen Principiis die begehrten hoͤhenen herauß zubringen pflegten.
Jch habe auch auf diſere weiſe verſchiedene hohe Alpgebirge abzumeſſen mich
unterſtanden/ allezeit aber/ obgleich auf das fleiſſigſte operiert/ eine ungleiche/
oder unglaͤublich/ uñ allzu groſſe hoͤhe durch die Rechenkunſt herauß gebracht
(deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen die im Bergellerthal/ vor Soglio uͤberſtehende/ A.
1703. von mir abgemeſſene Berge/ Piz delle nuove, dellidieci, e delle un-
deci
) ſo daß zu verſchiednen malen angefangen habe zweiflen an guͤte/ und ſi-
cherheit/ der Feldmeſſeriſchen weiſe/ um ſo vil eher/ weilẽ in mehrerem nachſin-
nen auß denen Grundſaͤtzen der Natur und Mathematiſchen Wiſſenſchaften
leichtlich ſchlieſſen koͤnte/ daß die von denen Berg Spitzen in die Thaͤler durch
ungleich duͤnne Luft fallende Sonnenſtralen keine grade/ ſondern eine durch
umweg gehende/ vilfaͤltig gebrochene/ oder krumme Lini machen/ und deßna-
hen die Spitze der Bergen dem Augenmeß nach weit hoͤher zuſtehen ſcheinen/
als ſie in der Natur ſind/ ꝛc.

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[16/0027] tes/ Blaͤslein (Hydatis) hervor/ oder zeuhet ſelbiges mit einem Draͤtlein herauß/ verbindet darauf die Wunde/ und heilet den Patienten. Wann das Waſſerblaͤslein ſeitwerts auf dem Hirnliget/ und auch folglich die durch- borꝛung ſicherer auf ſelbiger ſeiten vorgenommen werden kan/ ſo gibt der Arzet achtung/ wie das ſtuͤrmige Viehe umlauffe/ und borꝛet alsdann auf der inneren ſeiten des Kreiſes die Hirnſchale durch. Es iſt aber zu gewah- ren/ daß nicht alles ſtuͤrmige/ in die Cur genommene Viehe darvon komt/ ſondern mehrmalen auf die Krankheit der tod erfolget/ wann eintweder die urſach der Krankheit nicht kan weggehoben werden/ oder der Arzet mit ſeinem Meſſer das ſehr empfindliche Hirnhaͤutlein verlezet. A. 1699. hat es ſich zugetragen/ daß in der Herꝛſchaft Engelberg ein Gemsthier ſich von den hohen Berg Klippen in die tieffe herab gelaſſen/ und unter das zahme Viehe genaͤhert/ mit ihnen geweidet/ und ſich auch nicht mit Steinen von dannen wegtreiben laſſen: Nachdem es von dem Jaͤger erſchoſſen/ und in das Gotts- haußgebracht worden/ hat man auf dem Hirne auch ein ſolches Waſſer- blaͤslein ligend gefunden/ welches vermuhtlich dem Gems ſeine forchtſame Art benommen/ und ſelbiges ganz tum̃ gemachet hat. Von abmeſſung der Berghoͤhenen. ZU allen zeiten haben ſich die Natur-verſtaͤndigen Erd- und Feldmeſſer bemuͤhet die beruͤhmteſten Berge in ihren hoͤhenen abzumeſſen/ zu dem ende ſich bedienet der Quadranten/ halben Zirklen/ und anderer Geomet- riſchen Jnſtrumenten/ vermittleſt deren ſie auß dem grund einer nach geſtalt- ſame der hoͤhe groß genommenen Standlini auß ſo genanten Trigono- metriſchen Principiis die begehrten hoͤhenen herauß zubringen pflegten. Jch habe auch auf diſere weiſe verſchiedene hohe Alpgebirge abzumeſſen mich unterſtanden/ allezeit aber/ obgleich auf das fleiſſigſte operiert/ eine ungleiche/ oder unglaͤublich/ uñ allzu groſſe hoͤhe durch die Rechenkunſt herauß gebracht (deſſen Zeugen ſeyn koͤnnen die im Bergellerthal/ vor Soglio uͤberſtehende/ A. 1703. von mir abgemeſſene Berge/ Piz delle nuove, dellidieci, e delle un- deci) ſo daß zu verſchiednen malen angefangen habe zweiflen an guͤte/ und ſi- cherheit/ der Feldmeſſeriſchen weiſe/ um ſo vil eher/ weilẽ in mehrerem nachſin- nen auß denen Grundſaͤtzen der Natur und Mathematiſchen Wiſſenſchaften leichtlich ſchlieſſen koͤnte/ daß die von denen Berg Spitzen in die Thaͤler durch ungleich duͤnne Luft fallende Sonnenſtralen keine grade/ ſondern eine durch umweg gehende/ vilfaͤltig gebrochene/ oder krumme Lini machen/ und deßna- hen die Spitze der Bergen dem Augenmeß nach weit hoͤher zuſtehen ſcheinen/ als ſie in der Natur ſind/ ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/27>, abgerufen am 20.04.2024.