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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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N. 29.)



Natur-Geschichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Von dem Lucernischen Drachenstein.

WAnn nach dem gemeinen Sprüchlein rara praeclara, und praeclara
rara,
was rar oder seltsam ist/ auch sol hochgeachtet werden/ und je
die rarsten Sachen eintzelen sein/ oder gar wenig gefunden werden/
und in desto höherem Grad der Follkommenheit/ ja auch des Wehrts siehen/
so sol billich allen Naturalien des Schweizerlands/ ja der ganzen Erden/ vor-
gezogen werden unser vorhabende Drachenstein/ (dessen gegenwärt ger
Besitzer ist das wol edle Closische Hauß in Lucern) weilen in ganz
Europa kaum ein Königlich/ Fürstliches/ oder privat Cabinet, da ein solcher
Stein sich finde/ wie diser ist. Niemand dann wird frömd fürkommen/ wann
eine möglich kurze Beschreibung des Drachensteins in gemein/ und unsers
Lucernischen ins besonder/ hieher setzen/ und auch selbs dises seltsame und kost-
liche Naturwunder in seiner natürlichen Gestalt und Grösse vor Augen
stellen werde in Tab. V. Die älteste Nachricht eines Drachensteins/
welchen die Griechen Drakontitin, Drakonteion scil. Gemmam, und die Latei-
ner daher Dracontitim, Dracontiam, Draconitem, nennen/ findet sich bey
dem Weltberühmten Naturforscher Plinio Nat. Hist. Lib. 37. cap 10. allwo
er meldet/ daß er weiß durchsichtig seye/ und in dem Gehirn des Drachen lige/
weilen er aber denen annoch lebenden Drachen müsse benommen werden/
so müssen/ nach der Erzellung Sotaci, die jenigen/ welche ein solches Edelge-
stein haben wollen/ sich auf einem mit zweyen Pferden bespannten Wagen
einher führen lassen/ und an dem Ohrt/ da der Drach sich aufhaltet/ einschläf-
fende Sachen außstreuen/ und dann/ wann hierdurch der Drach eingeschlaf-
fen/ ihme bey annoch lebendem Leib den Kopf abschneiden/ und den Stein
also herauß nemmen. Seine Wort sein folgende. Draconites sive Dracon-
tia e Cerebro fit Draconum, sed nisi viventibus abscisso nunquam gemme-

scit,
N. 29.)



Natur-Geſchichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Von dem Lucerniſchen Drachenſtein.

WAnn nach dem gemeinen Spruͤchlein rara præclara, und præclara
rara,
was rar oder ſeltſam iſt/ auch ſol hochgeachtet werden/ und je
die rarſten Sachen eintzelen ſein/ oder gar wenig gefunden werden/
und in deſto hoͤherem Grad der Follkommenheit/ ja auch des Wehrts ſiehen/
ſo ſol billich allen Naturalien des Schweizerlands/ ja der ganzen Erden/ vor-
gezogen werden unſer vorhabende Drachenſtein/ (deſſen gegenwaͤrt ger
Beſitzer iſt das wol edle Cloſiſche Hauß in Lucern) weilen in ganz
Europa kaum ein Koͤniglich/ Fuͤrſtliches/ oder privat Cabinet, da ein ſolcher
Stein ſich finde/ wie diſer iſt. Niemand dann wird froͤmd fuͤrkommen/ wann
eine moͤglich kurze Beſchreibung des Drachenſteins in gemein/ und unſers
Lucerniſchen ins beſonder/ hieher ſetzen/ und auch ſelbs diſes ſeltſame und koſt-
liche Naturwunder in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt und Groͤſſe vor Augen
ſtellen werde in Tab. V. Die aͤlteſte Nachricht eines Drachenſteins/
welchen die Griechen Δϱακοντῖτιν, Δϱακόντειον ſcil. Gemmam, und die Latei-
ner daher Dracontitim, Dracontiam, Draconitem, nennen/ findet ſich bey
dem Weltberuͤhmten Naturforſcher Plinio Nat. Hiſt. Lib. 37. cap 10. allwo
er meldet/ daß er weiß durchſichtig ſeye/ und in dem Gehirn des Drachen lige/
weilen er aber denen annoch lebenden Drachen muͤſſe benommen werden/
ſo muͤſſen/ nach der Erzellung Sotaci, die jenigen/ welche ein ſolches Edelge-
ſtein haben wollen/ ſich auf einem mit zweyen Pferden beſpannten Wagen
einher fuͤhren laſſen/ und an dem Ohrt/ da der Drach ſich aufhaltet/ einſchlaͤf-
fende Sachen außſtreuen/ und dann/ wann hierdurch der Drach eingeſchlaf-
fen/ ihme bey annoch lebendem Leib den Kopf abſchneiden/ und den Stein
alſo herauß nemmen. Seine Wort ſein folgende. Draconites ſive Dracon-
tia é Cerebro fit Draconum, ſed niſi viventibus abſciſſo nunquam gemme-

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[113/0126] N. 29.) (Den 21. Jul. 1706. Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil. Von dem Lucerniſchen Drachenſtein. WAnn nach dem gemeinen Spruͤchlein rara præclara, und præclara rara, was rar oder ſeltſam iſt/ auch ſol hochgeachtet werden/ und je die rarſten Sachen eintzelen ſein/ oder gar wenig gefunden werden/ und in deſto hoͤherem Grad der Follkommenheit/ ja auch des Wehrts ſiehen/ ſo ſol billich allen Naturalien des Schweizerlands/ ja der ganzen Erden/ vor- gezogen werden unſer vorhabende Drachenſtein/ (deſſen gegenwaͤrt ger Beſitzer iſt das wol edle Cloſiſche Hauß in Lucern) weilen in ganz Europa kaum ein Koͤniglich/ Fuͤrſtliches/ oder privat Cabinet, da ein ſolcher Stein ſich finde/ wie diſer iſt. Niemand dann wird froͤmd fuͤrkommen/ wann eine moͤglich kurze Beſchreibung des Drachenſteins in gemein/ und unſers Lucerniſchen ins beſonder/ hieher ſetzen/ und auch ſelbs diſes ſeltſame und koſt- liche Naturwunder in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt und Groͤſſe vor Augen ſtellen werde in Tab. V. Die aͤlteſte Nachricht eines Drachenſteins/ welchen die Griechen Δϱακοντῖτιν, Δϱακόντειον ſcil. Gemmam, und die Latei- ner daher Dracontitim, Dracontiam, Draconitem, nennen/ findet ſich bey dem Weltberuͤhmten Naturforſcher Plinio Nat. Hiſt. Lib. 37. cap 10. allwo er meldet/ daß er weiß durchſichtig ſeye/ und in dem Gehirn des Drachen lige/ weilen er aber denen annoch lebenden Drachen muͤſſe benommen werden/ ſo muͤſſen/ nach der Erzellung Sotaci, die jenigen/ welche ein ſolches Edelge- ſtein haben wollen/ ſich auf einem mit zweyen Pferden beſpannten Wagen einher fuͤhren laſſen/ und an dem Ohrt/ da der Drach ſich aufhaltet/ einſchlaͤf- fende Sachen außſtreuen/ und dann/ wann hierdurch der Drach eingeſchlaf- fen/ ihme bey annoch lebendem Leib den Kopf abſchneiden/ und den Stein alſo herauß nemmen. Seine Wort ſein folgende. Draconites ſive Dracon- tia é Cerebro fit Draconum, ſed niſi viventibus abſciſſo nunquam gemme- ſcit,

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/126>, abgerufen am 28.03.2024.