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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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N. 38.)



Natur-Geschichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Fortsezung
Von den jenigen Wetteren/ welche entstehen
auß Werffung eines Steins in die Berg-See/ oder

Hölinen der Bergen.

DAs/ so Herr Bischoffberger auß der Jägeren Erfahrung beybringt
von anderer Beschaffenheit der Berg- und Thal-witterungen/ ist
gewüß/ und wol anzumerken. Auf denen hohen Alpen bewegen
sich die Wolcken/ nach dem sie kaum auß der Schalen geschloffen/ oder/ auß
denen Bergen/ als ihrer Zeugmuter aufgestiegen/ hin und her/ und verwand-
len sich etwann einsmals in einen kurzen Regen/ der auch zuweilen einen klei-
nen Strich fortgehet/ und oft in der nächstgelegenen Alp das helleste Wetter
ist/ da hingegen in tiefferen Ohrten es selten regnet/ und nur dannzumahl/
wann vil Regenwolken sich gesamlet/ und die ganze über dem Thal stehende
Dunst- oder Luftkugel überzogen haben. Dise so unversehene Zeugung der
Bergwitterungen hat meines Bedunkens unsere sonst in vilem Aberglau-
ben erblindeten Altvorderen veranlaset zubegehen eine fallaciam non causae
ut causae,
wie man in Schulen redet/ oder die hineinwerffung eines Steins
in eine Höle anzusehen vor eine wirkliche Ursach des auß anderen Ursachen
entstandenen Regens/ oder Wetters. Jch wil zwaren nicht laugnen/ daß von
einem in eine tieffe Berghöle geworffenen Stein können die daselbst rühig
ligende Dünste in eine mehrere Bewegung gebracht/ und zum Aufsteigen
veranlaset werden/ daß aber kan ich noch nicht fassen/ wie von diser einigen
Aufsteigung der Dünsten solle hergeleitet werden eine Wirkung/ welche von
vilen anderen überirrdischen Ursachen herrühren kan; es were dann Sach/
daß einer mir könte beweisen/ daß diese aufsteigende frömde Theil von solcher

Ahrt
N. 38.)



Natur-Geſchichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Fortſezung
Von den jenigen Wetteren/ welche entſtehen
auß Werffung eines Steins in die Berg-See/ oder

Hoͤlinen der Bergen.

DAs/ ſo Herꝛ Biſchoffberger auß der Jaͤgeren Erfahrung beybringt
von anderer Beſchaffenheit der Berg- und Thal-witterungen/ iſt
gewuͤß/ und wol anzumerken. Auf denen hohen Alpen bewegen
ſich die Wolcken/ nach dem ſie kaum auß der Schalen geſchloffen/ oder/ auß
denen Bergen/ als ihrer Zeugmuter aufgeſtiegen/ hin und her/ und verwand-
len ſich etwann einsmals in einen kurzen Regen/ der auch zuweilen einen klei-
nen Strich fortgehet/ und oft in der naͤchſtgelegenen Alp das helleſte Wetter
iſt/ da hingegen in tiefferen Ohrten es ſelten regnet/ und nur dannzumahl/
wann vil Regenwolken ſich geſamlet/ und die ganze uͤber dem Thal ſtehende
Dunſt- oder Luftkugel uͤberzogen haben. Diſe ſo unverſehene Zeugung der
Bergwitterungen hat meines Bedunkens unſere ſonſt in vilem Aberglau-
ben erblindeten Altvorderen veranlaſet zubegehen eine fallaciam non cauſæ
ut cauſæ,
wie man in Schulen redet/ oder die hineinwerffung eines Steins
in eine Hoͤle anzuſehen vor eine wirkliche Urſach des auß anderen Urſachen
entſtandenen Regens/ oder Wetters. Jch wil zwaren nicht laugnen/ daß von
einem in eine tieffe Berghoͤle geworffenen Stein koͤnnen die daſelbſt ruͤhig
ligende Duͤnſte in eine mehrere Bewegung gebracht/ und zum Aufſteigen
veranlaſet werden/ daß aber kan ich noch nicht faſſen/ wie von diſer einigen
Aufſteigung der Duͤnſten ſolle hergeleitet werden eine Wirkung/ welche von
vilen anderen uͤberirꝛdiſchen Urſachen herꝛuͤhren kan; es were dann Sach/
daß einer mir koͤnte beweiſen/ daß dieſe aufſteigende froͤmde Theil von ſolcher

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[149/0162] N. 38.) (Den 22. Sept. 1706. Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil. Fortſezung Von den jenigen Wetteren/ welche entſtehen auß Werffung eines Steins in die Berg-See/ oder Hoͤlinen der Bergen. DAs/ ſo Herꝛ Biſchoffberger auß der Jaͤgeren Erfahrung beybringt von anderer Beſchaffenheit der Berg- und Thal-witterungen/ iſt gewuͤß/ und wol anzumerken. Auf denen hohen Alpen bewegen ſich die Wolcken/ nach dem ſie kaum auß der Schalen geſchloffen/ oder/ auß denen Bergen/ als ihrer Zeugmuter aufgeſtiegen/ hin und her/ und verwand- len ſich etwann einsmals in einen kurzen Regen/ der auch zuweilen einen klei- nen Strich fortgehet/ und oft in der naͤchſtgelegenen Alp das helleſte Wetter iſt/ da hingegen in tiefferen Ohrten es ſelten regnet/ und nur dannzumahl/ wann vil Regenwolken ſich geſamlet/ und die ganze uͤber dem Thal ſtehende Dunſt- oder Luftkugel uͤberzogen haben. Diſe ſo unverſehene Zeugung der Bergwitterungen hat meines Bedunkens unſere ſonſt in vilem Aberglau- ben erblindeten Altvorderen veranlaſet zubegehen eine fallaciam non cauſæ ut cauſæ, wie man in Schulen redet/ oder die hineinwerffung eines Steins in eine Hoͤle anzuſehen vor eine wirkliche Urſach des auß anderen Urſachen entſtandenen Regens/ oder Wetters. Jch wil zwaren nicht laugnen/ daß von einem in eine tieffe Berghoͤle geworffenen Stein koͤnnen die daſelbſt ruͤhig ligende Duͤnſte in eine mehrere Bewegung gebracht/ und zum Aufſteigen veranlaſet werden/ daß aber kan ich noch nicht faſſen/ wie von diſer einigen Aufſteigung der Duͤnſten ſolle hergeleitet werden eine Wirkung/ welche von vilen anderen uͤberirꝛdiſchen Urſachen herꝛuͤhren kan; es were dann Sach/ daß einer mir koͤnte beweiſen/ daß dieſe aufſteigende froͤmde Theil von ſolcher Ahrt

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/162>, abgerufen am 28.03.2024.