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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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N. 39.)



Natur-Geschichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Von denen Baderwürfflen.

WAnn je etwas die Augen und Gemühter curioser Menschen belu-
stiget/ und in Kunst- und Naturalien Kammeren in Vorschein zu
kommen verdienet/ so sein es die Steinerne Würffel/ Stei-
nerne Baderwürffel/
Tesserae Badenses lapideae, Tesserae lusoriae lapi-
deae,
wie sie betitlet werden von unserem S. Hrn. Wagner. Hist. Nat. Helv.
pag.
329. Sie sein an Gestalt anderen Würfflen gleich/ aber um vil kleiner/
an Farb weiß/ oder gelb/ oder schwarzlecht/ und werden gefunden ausser der
Statt Baden/ in dem Graben bey dem alten Schloß/ welches ein Römische
Veste gewesen/ und daherum ligenden Wiesen/ sonderlich in der so genanten
Würffelwiese/ welche an der linken Hand ligt denen/ so auß der Statt in
die Bäder gehen. Diser Würfflen halb bereden sich die Einwohnere der
Statt und Landschaft Baden/ und sehr vil andere/ sonderlich der Natur un-
erfahrne/ Schweizer/ daß sie natürlich seyen/ in diser Bader Erde also/ wie
man sie findet/ ohne zuhilff menschlicher Händen/ gebildet werden/ weßwegen
sich nicht zuverwunderen/ wann frömde Nationen/ und unter denen selbs
gelehrte Leuhte disem gemeinen Urtheil folgen/ und dises Eidgnössische Na-
turwunder mit erstaunung ansehen. Dann gewißlich diß ein solches Mei-
sterstuck der tausendkünstlerischen Natur/ dergleichen sonst in der Welt keins
anzutreffen. Wer die Beweggesätze/ nach welchen die Natur disere Würffel
außgearbeitet/ und die Puncten so ordenlich/ wie in andern gemeinen Würff-
len/ gesetzet/ und ja etwann durchgeboret hat/ zuergründen trachtet/ der wird
sich eher zu einem Narren studieren/ ehe er sich/ und andere/ im geringsten ver-
nüget. So daß er endlich mit jenem alten Poeten sich trösten kan/ daß die
Natur vil verborgene Sachen habe/ welche die Menschen niemahlen recht
außgründen können.

Natura
N. 39.)



Natur-Geſchichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Von denen Baderwuͤrfflen.

WAnn je etwas die Augen und Gemuͤhter curioſer Menſchen belu-
ſtiget/ und in Kunſt- und Naturalien Kammeren in Vorſchein zu
kommen verdienet/ ſo ſein es die Steinerne Würffel/ Stei-
nerne Baderwürffel/
Teſſeræ Badenſes lapideæ, Teſſeræ luſoriæ lapi-
deæ,
wie ſie betitlet werden von unſerem S. Hrn. Wagner. Hiſt. Nat. Helv.
pag.
329. Sie ſein an Geſtalt anderen Wuͤrfflen gleich/ aber um vil kleiner/
an Farb weiß/ oder gelb/ oder ſchwarzlecht/ und werden gefunden auſſer der
Statt Baden/ in dem Graben bey dem alten Schloß/ welches ein Roͤmiſche
Veſte geweſen/ und daherum ligenden Wieſen/ ſonderlich in der ſo genanten
Würffelwieſe/ welche an der linken Hand ligt denen/ ſo auß der Statt in
die Baͤder gehen. Diſer Wuͤrfflen halb bereden ſich die Einwohnere der
Statt und Landſchaft Baden/ und ſehr vil andere/ ſonderlich der Natur un-
erfahrne/ Schweizer/ daß ſie natuͤrlich ſeyen/ in diſer Bader Erde alſo/ wie
man ſie findet/ ohne zuhilff menſchlicher Haͤnden/ gebildet werden/ weßwegen
ſich nicht zuverwunderen/ wann froͤmde Nationen/ und unter denen ſelbs
gelehrte Leuhte diſem gemeinen Urtheil folgen/ und diſes Eidgnoͤſſiſche Na-
turwunder mit erſtaunung anſehen. Dann gewißlich diß ein ſolches Mei-
ſterſtuck der tauſendkuͤnſtleriſchen Natur/ dergleichen ſonſt in der Welt keins
anzutreffen. Wer die Beweggeſaͤtze/ nach welchen die Natur diſere Wuͤrffel
außgearbeitet/ und die Puncten ſo ordenlich/ wie in andern gemeinen Wuͤrff-
len/ geſetzet/ und ja etwann durchgeboret hat/ zuergruͤnden trachtet/ der wird
ſich eher zu einem Narꝛen ſtudieren/ ehe er ſich/ und andere/ im geringſten ver-
nuͤget. So daß er endlich mit jenem alten Poeten ſich troͤſten kan/ daß die
Natur vil verborgene Sachen habe/ welche die Menſchen niemahlen recht
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[153/0166] N. 39.) (Den 29. Sept. 1706. Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil. Von denen Baderwuͤrfflen. WAnn je etwas die Augen und Gemuͤhter curioſer Menſchen belu- ſtiget/ und in Kunſt- und Naturalien Kammeren in Vorſchein zu kommen verdienet/ ſo ſein es die Steinerne Würffel/ Stei- nerne Baderwürffel/ Teſſeræ Badenſes lapideæ, Teſſeræ luſoriæ lapi- deæ, wie ſie betitlet werden von unſerem S. Hrn. Wagner. Hiſt. Nat. Helv. pag. 329. Sie ſein an Geſtalt anderen Wuͤrfflen gleich/ aber um vil kleiner/ an Farb weiß/ oder gelb/ oder ſchwarzlecht/ und werden gefunden auſſer der Statt Baden/ in dem Graben bey dem alten Schloß/ welches ein Roͤmiſche Veſte geweſen/ und daherum ligenden Wieſen/ ſonderlich in der ſo genanten Würffelwieſe/ welche an der linken Hand ligt denen/ ſo auß der Statt in die Baͤder gehen. Diſer Wuͤrfflen halb bereden ſich die Einwohnere der Statt und Landſchaft Baden/ und ſehr vil andere/ ſonderlich der Natur un- erfahrne/ Schweizer/ daß ſie natuͤrlich ſeyen/ in diſer Bader Erde alſo/ wie man ſie findet/ ohne zuhilff menſchlicher Haͤnden/ gebildet werden/ weßwegen ſich nicht zuverwunderen/ wann froͤmde Nationen/ und unter denen ſelbs gelehrte Leuhte diſem gemeinen Urtheil folgen/ und diſes Eidgnoͤſſiſche Na- turwunder mit erſtaunung anſehen. Dann gewißlich diß ein ſolches Mei- ſterſtuck der tauſendkuͤnſtleriſchen Natur/ dergleichen ſonſt in der Welt keins anzutreffen. Wer die Beweggeſaͤtze/ nach welchen die Natur diſere Wuͤrffel außgearbeitet/ und die Puncten ſo ordenlich/ wie in andern gemeinen Wuͤrff- len/ geſetzet/ und ja etwann durchgeboret hat/ zuergruͤnden trachtet/ der wird ſich eher zu einem Narꝛen ſtudieren/ ehe er ſich/ und andere/ im geringſten ver- nuͤget. So daß er endlich mit jenem alten Poeten ſich troͤſten kan/ daß die Natur vil verborgene Sachen habe/ welche die Menſchen niemahlen recht außgruͤnden koͤnnen. Natura

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/166>, abgerufen am 25.04.2024.