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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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Natur-Geschichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Fortsetzung von Seltenheiten
Des Regenbogens im Schweizerland.

ES ist bekant/ daß man gemeinlich nur einen halben Circul vom Re-
genbogen sihet/ wann er aufs höchste komt/ und die Sonn im Auf-
oder Untergang ist/ weilen namlich die Gesichtsax von der Sonnen
gehet durch das Aug in die mitte des Regenbogens/ und folglich dessen Mit-
telpunct dann zumahl ist auf dem Horizont, oder Gesichtsender; Daher
wir sehen/ daß der Regenbogen-Zirkel kleiner herauß komt/ je höher die
Sonn über den Horizont steiget/ weilen in solchem Fall der Mittelpunct des
Regenbogens fallet unter den Gesichtsender/ dahin also unser Gesicht durch
die finstere Erden nicht gelangen mag. Ob aber ein Regenbogen könne
gesehen werden/ der grösser als ein halber Zirkel/ ist bey denen Naturforsche-
ren streitbar. Sie vermeinen auß ihren Grundsätzen zu fliessen/ daß wann
das Aug der Menschen hoch erhebt werde/ und folglich der Mittelpunct des
Regenbogens ob dem Gesichtsender zu stehen komme/ so seye möglich einen
Regenbogen zu sehen/ der einen halben Zirkel übertreffe. Ja es bezeugen
zwey hochberühmte Männer Gassendus Animadv. in X. Diog. Laert. Libr.
p.
1124. und Ricciolus Almag. Nov. p. 83. daß sie so grosse Regenbögen
gesehen. Auß disem Zweifel können wir Schweizer denen Naturforscheren
am besten helffen/ ja durch genaue Observationes den genaust möglichen Cir-
culbogen abmessen/ wann wir die nöhtige Jnstrument darzu hetten/ weilen
wir die höchsten Gipfel von Europa innhaben. Und bezeugen würklich/ daß
dergleichen grosse Regenbögen auf unseren hohen Gebirgen/ als natürlichen
Observatoriis, gesehen werden/ es müssen aber dannzumal die Wasserbläßlein
der Dunstkugel 42. Grad erhoben sein über den Mittelpunct des Regenbo-

gens/
N. 12.)



Natur-Geſchichten
Des
Schweizerlands.
Zweyter Theil.


Fortſetzung von Seltenheiten
Des Regenbogens im Schweizerland.

ES iſt bekant/ daß man gemeinlich nur einen halben Circul vom Re-
genbogen ſihet/ wann er aufs hoͤchſte komt/ und die Sonn im Auf-
oder Untergang iſt/ weilen namlich die Geſichtsax von der Sonnen
gehet durch das Aug in die mitte des Regenbogens/ und folglich deſſen Mit-
telpunct dann zumahl iſt auf dem Horizont, oder Geſichtsender; Daher
wir ſehen/ daß der Regenbogen-Zirkel kleiner herauß komt/ je hoͤher die
Sonn uͤber den Horizont ſteiget/ weilen in ſolchem Fall der Mittelpunct des
Regenbogens fallet unter den Geſichtsender/ dahin alſo unſer Geſicht durch
die finſtere Erden nicht gelangen mag. Ob aber ein Regenbogen koͤnne
geſehen werden/ der groͤſſer als ein halber Zirkel/ iſt bey denen Naturforſche-
ren ſtreitbar. Sie vermeinen auß ihren Grundſaͤtzen zu flieſſen/ daß wann
das Aug der Menſchen hoch erhebt werde/ und folglich der Mittelpunct des
Regenbogens ob dem Geſichtsender zu ſtehen komme/ ſo ſeye moͤglich einen
Regenbogen zu ſehen/ der einen halben Zirkel uͤbertreffe. Ja es bezeugen
zwey hochberuͤhmte Maͤnner Gaſſendus Animadv. in X. Diog. Laert. Libr.
p.
1124. und Ricciolus Almag. Nov. p. 83. daß ſie ſo groſſe Regenboͤgen
geſehen. Auß diſem Zweifel koͤnnen wir Schweizer denen Naturforſcheren
am beſten helffen/ ja durch genaue Obſervationes den genauſt moͤglichen Cir-
culbogen abmeſſen/ wann wir die noͤhtige Jnſtrument darzu hetten/ weilen
wir die hoͤchſten Gipfel von Europa innhaben. Und bezeugen wuͤrklich/ daß
dergleichen groſſe Regenboͤgen auf unſeren hohen Gebirgen/ als natuͤrlichen
Obſervatoriis, geſehen werden/ es muͤſſen aber dañzumal die Waſſerblaͤßlein
der Dunſtkugel 42. Grad erhoben ſein uͤber den Mittelpunct des Regenbo-

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[45/0054] N. 12.) (Den 24. Mart. 1706. Natur-Geſchichten Des Schweizerlands. Zweyter Theil. Fortſetzung von Seltenheiten Des Regenbogens im Schweizerland. ES iſt bekant/ daß man gemeinlich nur einen halben Circul vom Re- genbogen ſihet/ wann er aufs hoͤchſte komt/ und die Sonn im Auf- oder Untergang iſt/ weilen namlich die Geſichtsax von der Sonnen gehet durch das Aug in die mitte des Regenbogens/ und folglich deſſen Mit- telpunct dann zumahl iſt auf dem Horizont, oder Geſichtsender; Daher wir ſehen/ daß der Regenbogen-Zirkel kleiner herauß komt/ je hoͤher die Sonn uͤber den Horizont ſteiget/ weilen in ſolchem Fall der Mittelpunct des Regenbogens fallet unter den Geſichtsender/ dahin alſo unſer Geſicht durch die finſtere Erden nicht gelangen mag. Ob aber ein Regenbogen koͤnne geſehen werden/ der groͤſſer als ein halber Zirkel/ iſt bey denen Naturforſche- ren ſtreitbar. Sie vermeinen auß ihren Grundſaͤtzen zu flieſſen/ daß wann das Aug der Menſchen hoch erhebt werde/ und folglich der Mittelpunct des Regenbogens ob dem Geſichtsender zu ſtehen komme/ ſo ſeye moͤglich einen Regenbogen zu ſehen/ der einen halben Zirkel uͤbertreffe. Ja es bezeugen zwey hochberuͤhmte Maͤnner Gaſſendus Animadv. in X. Diog. Laert. Libr. p. 1124. und Ricciolus Almag. Nov. p. 83. daß ſie ſo groſſe Regenboͤgen geſehen. Auß diſem Zweifel koͤnnen wir Schweizer denen Naturforſcheren am beſten helffen/ ja durch genaue Obſervationes den genauſt moͤglichen Cir- culbogen abmeſſen/ wann wir die noͤhtige Jnſtrument darzu hetten/ weilen wir die hoͤchſten Gipfel von Europa innhaben. Und bezeugen wuͤrklich/ daß dergleichen groſſe Regenboͤgen auf unſeren hohen Gebirgen/ als natuͤrlichen Obſervatoriis, geſehen werden/ es muͤſſen aber dañzumal die Waſſerblaͤßlein der Dunſtkugel 42. Grad erhoben ſein uͤber den Mittelpunct des Regenbo- gens/

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/54>, abgerufen am 29.03.2024.