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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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Landen/ sein die Stral-Donner- und Blitz-Geschichten begleitet mit schwe-
rem Ungewitter/ starken Platz-Regen/ und verderblichem Hagel. Cartesius
nimmet hierbey Anlas seine Grundlehr von dergleichen Begebenheiten zu
besteiffen; Dann/ sagt er/ wann eine obere Wolken/ kraft zugenommener
schwere fallet auf eine untere/ so kan es anderst nicht sein/ als daß dise muß
mit Gewalt erschüttet/ zertheilet/ und oft beyde zugleich in Wasser verwan-
delt werden/ welches sich in grosser Menge auß lähret in so genanten Wolken-
bruch/ wann nicht die untere Wolken schon vorher durch Winde/ oder andere
dergleichen Ursachen zertheilet worden; Zu welchem Ende dann an vilen
Ohrten pflegen die Gloken geläutet/ oder die Canonen von hohen Ohrten/
als Wählen/ Thürnen/ bey anscheinendem Ungewitter los gebrandt werden.
Es ist disere natürliche Beweg-Ursach wol zu unterscheiden von der Ein-
bildung der Römisch Catholischen/ welche die Kraft der Zertheilung des Un-
gewitters mehr zuschreiben der Weihung/ und dem Tauff/ so über die Glo-
ken mit allerhand bey ihnen gewohnlichen Ceremonien ergangen. Und
kommet mir dises ihr gesägnetes Gloken läuten nicht vil anderst vor/ als
jene Weise der Chinesen/ welche bey entstehender Finsternuß ein grosses Ge-
räusch machen mit Trommeln/ und anderen Jnstrumenten/ um damit den
grossen Drach zuverjagen/ welcher mit der Sonnen in heftigem Streit ste-
het/ und wirklich wurde sie verschlingen/ wann er nicht durch ihres durch das
ganze Land erthönendes Geräusch weggejagt wurde. Jch komme aber wide-
rum auf oben gemeldten Grundsatz des Cartesii, und finde/ daß der Wolken-
Fall der heutigen delicaten Welt nicht wahrscheinlich/ sondern gezwungen
vorkomt; villeicht möchte sie besser benügen das zwischen der Luft und den
Wassertheilen aufgehebte Gleichgewicht/ wann sie gedenken/ daß die ge-
schwüllige/ in einen Jast gerahtene/ und über diß noch mehr durch angezündte
Blitze verdünnerte Luft zugleich um vil leichter worden/ daß die Wassertheil-
chen/ auß welchen die Wolken bestehen/ sich samlen/ und zu Boden fallen/ da
sie dann in währendem Fall wol können durch unterblasung eines kalten
Winds in Eis/ oder Hagel/ verwandelt werden/ welches dann zu grossem
Schaden der Saat/ und anderer Erdenfrüchten/ gereichen kan.

Ein Wundergesicht im Luft.

Den 28. Septemb. 1575. an St. Michaels Abend hat man nachfol-
gend Wunderzeichen weit und breit/ nicht allein in der Eidgnoßschaft/ son-
der auch in Frankreich und anderstwo gesehen/ namlich nicht anderst/ als
wann zwen Heerzeuge einandern angriffen/ da ob einem ein Spanisch/ oder
Burgundisch Kreuz/ gestanden. Das geschahe zwischen 8. und 9. Uhren
Nachmittag/ da hat sich erstlich von Aufgang bis gegen Nidergang erzeigt

ein

Landen/ ſein die Stral-Donner- und Blitz-Geſchichten begleitet mit ſchwe-
rem Ungewitter/ ſtarken Platz-Regen/ und verderblichem Hagel. Carteſius
nimmet hierbey Anlas ſeine Grundlehr von dergleichen Begebenheiten zu
beſteiffen; Dann/ ſagt er/ wann eine obere Wolken/ kraft zugenommener
ſchwere fallet auf eine untere/ ſo kan es anderſt nicht ſein/ als daß diſe muß
mit Gewalt erſchüttet/ zertheilet/ und oft beyde zugleich in Waſſer verwan-
delt werden/ welches ſich in groſſer Menge auß laͤhret in ſo genanten Wolken-
bruch/ wann nicht die untere Wolken ſchon vorher durch Winde/ oder andere
dergleichen Urſachen zertheilet worden; Zu welchem Ende dann an vilen
Ohrten pflegen die Gloken gelaͤutet/ oder die Canonen von hohen Ohrten/
als Waͤhlen/ Thuͤrnen/ bey anſcheinendem Ungewitter los gebrandt werden.
Es iſt diſere natuͤrliche Beweg-Urſach wol zu unterſcheiden von der Ein-
bildung der Roͤmiſch Catholiſchen/ welche die Kraft der Zertheilung des Un-
gewitters mehr zuſchreiben der Weihung/ und dem Tauff/ ſo uͤber die Glo-
ken mit allerhand bey ihnen gewohnlichen Ceremonien ergangen. Und
kommet mir diſes ihr geſaͤgnetes Gloken laͤuten nicht vil anderſt vor/ als
jene Weiſe der Chineſen/ welche bey entſtehender Finſternuß ein groſſes Ge-
raͤuſch machen mit Trommeln/ und anderen Jnſtrumenten/ um damit den
groſſen Drach zuverjagen/ welcher mit der Sonnen in heftigem Streit ſte-
het/ und wirklich wurde ſie verſchlingen/ wann er nicht durch ihres durch das
ganze Land erthoͤnendes Geraͤuſch weggejagt wurde. Jch komme aber wide-
rum auf oben gemeldten Grundſatz des Carteſii, und finde/ daß der Wolken-
Fall der heutigen delicaten Welt nicht wahrſcheinlich/ ſondern gezwungen
vorkomt; villeicht moͤchte ſie beſſer benuͤgen das zwiſchen der Luft und den
Waſſertheilen aufgehebte Gleichgewicht/ wann ſie gedenken/ daß die ge-
ſchwüllige/ in einen Jaſt gerahtene/ und über diß noch mehr durch angezuͤndte
Blitze verdünnerte Luft zugleich um vil leichter worden/ daß die Waſſertheil-
chen/ auß welchen die Wolken beſtehen/ ſich ſamlen/ und zu Boden fallen/ da
ſie dann in waͤhrendem Fall wol koͤnnen durch unterblaſung eines kalten
Winds in Eis/ oder Hagel/ verwandelt werden/ welches dann zu groſſem
Schaden der Saat/ und anderer Erdenfruͤchten/ gereichen kan.

Ein Wundergeſicht im Luft.

Den 28. Septemb. 1575. an St. Michaels Abend hat man nachfol-
gend Wunderzeichen weit und breit/ nicht allein in der Eidgnoßſchaft/ ſon-
der auch in Frankreich und anderſtwo geſehen/ namlich nicht anderſt/ als
wann zwen Heerzeuge einandern angriffen/ da ob einem ein Spaniſch/ oder
Burgundiſch Kreuz/ geſtanden. Das geſchahe zwiſchen 8. und 9. Uhren
Nachmittag/ da hat ſich erſtlich von Aufgang bis gegen Nidergang erzeigt

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[58/0067] Landen/ ſein die Stral-Donner- und Blitz-Geſchichten begleitet mit ſchwe- rem Ungewitter/ ſtarken Platz-Regen/ und verderblichem Hagel. Carteſius nimmet hierbey Anlas ſeine Grundlehr von dergleichen Begebenheiten zu beſteiffen; Dann/ ſagt er/ wann eine obere Wolken/ kraft zugenommener ſchwere fallet auf eine untere/ ſo kan es anderſt nicht ſein/ als daß diſe muß mit Gewalt erſchüttet/ zertheilet/ und oft beyde zugleich in Waſſer verwan- delt werden/ welches ſich in groſſer Menge auß laͤhret in ſo genanten Wolken- bruch/ wann nicht die untere Wolken ſchon vorher durch Winde/ oder andere dergleichen Urſachen zertheilet worden; Zu welchem Ende dann an vilen Ohrten pflegen die Gloken gelaͤutet/ oder die Canonen von hohen Ohrten/ als Waͤhlen/ Thuͤrnen/ bey anſcheinendem Ungewitter los gebrandt werden. Es iſt diſere natuͤrliche Beweg-Urſach wol zu unterſcheiden von der Ein- bildung der Roͤmiſch Catholiſchen/ welche die Kraft der Zertheilung des Un- gewitters mehr zuſchreiben der Weihung/ und dem Tauff/ ſo uͤber die Glo- ken mit allerhand bey ihnen gewohnlichen Ceremonien ergangen. Und kommet mir diſes ihr geſaͤgnetes Gloken laͤuten nicht vil anderſt vor/ als jene Weiſe der Chineſen/ welche bey entſtehender Finſternuß ein groſſes Ge- raͤuſch machen mit Trommeln/ und anderen Jnſtrumenten/ um damit den groſſen Drach zuverjagen/ welcher mit der Sonnen in heftigem Streit ſte- het/ und wirklich wurde ſie verſchlingen/ wann er nicht durch ihres durch das ganze Land erthoͤnendes Geraͤuſch weggejagt wurde. Jch komme aber wide- rum auf oben gemeldten Grundſatz des Carteſii, und finde/ daß der Wolken- Fall der heutigen delicaten Welt nicht wahrſcheinlich/ ſondern gezwungen vorkomt; villeicht moͤchte ſie beſſer benuͤgen das zwiſchen der Luft und den Waſſertheilen aufgehebte Gleichgewicht/ wann ſie gedenken/ daß die ge- ſchwüllige/ in einen Jaſt gerahtene/ und über diß noch mehr durch angezuͤndte Blitze verdünnerte Luft zugleich um vil leichter worden/ daß die Waſſertheil- chen/ auß welchen die Wolken beſtehen/ ſich ſamlen/ und zu Boden fallen/ da ſie dann in waͤhrendem Fall wol koͤnnen durch unterblaſung eines kalten Winds in Eis/ oder Hagel/ verwandelt werden/ welches dann zu groſſem Schaden der Saat/ und anderer Erdenfruͤchten/ gereichen kan. Ein Wundergeſicht im Luft. Den 28. Septemb. 1575. an St. Michaels Abend hat man nachfol- gend Wunderzeichen weit und breit/ nicht allein in der Eidgnoßſchaft/ ſon- der auch in Frankreich und anderſtwo geſehen/ namlich nicht anderſt/ als wann zwen Heerzeuge einandern angriffen/ da ob einem ein Spaniſch/ oder Burgundiſch Kreuz/ geſtanden. Das geſchahe zwiſchen 8. und 9. Uhren Nachmittag/ da hat ſich erſtlich von Aufgang bis gegen Nidergang erzeigt ein

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/67>, abgerufen am 24.04.2024.