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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707.

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Si minore vi mittuntur Ignes, defluunt tantum & insident, non feriunt, nec
vulnerant.
sagt Seneca Natur. Quaest. Lib. I. cap. 1. Gleichwol haben die
alten Römer auf dergleichen lechzende Feuer fleissige Achtung geben/ und so
oft sie in ihren Feldzügen selbige auf denen Lanzen/ oder Fähnlein/ und Stand-
arten ihrer Führeren gewahret/ in ihren Geschichtbücheren nicht vergessen/
wie bey ob angezogenem Seneca, und anderstwo/ zu sehen. Jch komme aber
widerum auf unser Winterthurisches St. Elmus Feuer/ und leite dessen
Materi zwar her auß denen nahegelegenen Felderen und Bergen/ deren Si-
tuation
villeicht auch vil bey tragt zu desto leichterem Antrib an die Kirchen-
thürne/ die benennung aber nicht von dem H. Anselmo/ sondern auß Spa-
nien/ weilen mich erinnere irgendwo gelesen zu haben/ daß dise Nation den
Castor em und Pollucem mit dem Nammen St. Elmus Feuer betitlen.

Von der Lechzenden Flamm.

Es lasset sich dise Feuer-Geschicht sehen etwann an den Kleideren und
Haaren/ under Menschen und Thieren/ zu nicht geringem Schrecken der Zu-
seheren. Die alte Heidenschaft hielte dergleichen Ignes Lambentes, oder
Lechzende Flammen vor sonderliche Wunderzeichen/ und von den Götteren
herrührende bezeugung künftiger Dingen. Servius Tullus hatte einer sol-
chen um sein Häuptlein erschienenen Flamm zu danken den Thron des Rö-
mischen Reichs. Dann man ihn deßwegen hielte vor eines Laris, oder Hauß-
Gottes Sohn/ und sein bey dem Anlas gewisse Feste den Laribus zu ehren
angestellet worden. In regia cubanti puero caput arsisse visum, creditumque
Laris Familiaris filium. Ob id compitalia, & Ludos Laribus primum insti-
tuisse. Plin. Hist. Nat. Lib. 36. cap.
27. Jch were ohne grosse Mühe zu
bereden/ daß in denen mittleren Jahr hunderten mancher bey Anlaß einer
um sein Haupt erschienenen Flamm in die Zahl der Heiligen aufgenommen
worden. Wenigstens hat man auß disen lechzenden Flammen allerhand
Geheimnussen gemachet/ wie dann nebst anderen An. 1572. gesehenen Wun-
derzeichen Haller Chron. MSC. Lib. 38. cap. 16. auch setzet dergleichen
lechzende Feure/ so an verschiedenen Kinderen in der Statt Biel an ihren
Hembderen/ Haaren/ und Hüten gesehen worden. Under den Titel diser
streiffenden Flammen gehöret/ was gewisse annoch lebende hiesige Schiff-
meister auf dem Zürich-See fahrende an ihren eigenen Leiberen gewahret.
Jtem die Flammen/ welche Peter Meili/ von Nuffenen im Rheinwald/ mit
seinen Gefehrten/ als sie vom Bernhardiner Berg Reis und Korn führeten/
wahrgenommen/ den 2. Jenner 1700. Da sie vermeint/ ihre Kleider/ und
Ochsen brünnen/ aber wann sie nach der Flamm gegriffen/ nichts empfun-
den. Dises geschahe ohngefehr um 7. Uhr Abends/ under währendem starkem

Wind/

Si minore vi mittuntur Ignes, defluunt tantùm & inſident, non feriunt, nec
vulnerant.
ſagt Seneca Natur. Quæſt. Lib. I. cap. 1. Gleichwol haben die
alten Roͤmer auf dergleichen lechzende Feuer fleiſſige Achtung geben/ und ſo
oft ſie in ihren Feldzügen ſelbige auf denen Lanzen/ oder Faͤhnlein/ und Stand-
arten ihrer Fuͤhreren gewahret/ in ihren Geſchichtbuͤcheren nicht vergeſſen/
wie bey ob angezogenem Seneca, und anderſtwo/ zu ſehen. Jch komme aber
widerum auf unſer Winterthuriſches St. Elmus Feuer/ und leite deſſen
Materi zwar her auß denen nahegelegenen Felderen und Bergen/ deren Si-
tuation
villeicht auch vil bey tragt zu deſto leichterem Antrib an die Kirchen-
thuͤrne/ die benennung aber nicht von dem H. Anſelmo/ ſondern auß Spa-
nien/ weilen mich erinnere irgendwo geleſen zu haben/ daß diſe Nation den
Caſtor em und Pollucem mit dem Nammen St. Elmus Feuer betitlen.

Von der Lechzenden Flamm.

Es laſſet ſich diſe Feuer-Geſchicht ſehen etwann an den Kleideren und
Haaren/ under Menſchen und Thieren/ zu nicht geringem Schrecken der Zu-
ſeheren. Die alte Heidenſchaft hielte dergleichen Ignes Lambentes, oder
Lechzende Flammen vor ſonderliche Wunderzeichen/ und von den Goͤtteren
herꝛuͤhrende bezeugung kuͤnftiger Dingen. Servius Tullus hatte einer ſol-
chen um ſein Haͤuptlein erſchienenen Flamm zu danken den Thron des Roͤ-
miſchen Reichs. Dann man ihn deßwegen hielte vor eines Laris, oder Hauß-
Gottes Sohn/ und ſein bey dem Anlas gewiſſe Feſte den Laribus zu ehren
angeſtellet worden. In regia cubanti puero caput arſiſſe viſum, creditumq́ue
Laris Familiaris filium. Ob id compitalia, & Ludos Laribus primum inſti-
tuiſſe. Plin. Hiſt. Nat. Lib. 36. cap.
27. Jch were ohne groſſe Muͤhe zu
bereden/ daß in denen mittleren Jahr hunderten mancher bey Anlaß einer
um ſein Haupt erſchienenen Flamm in die Zahl der Heiligen aufgenommen
worden. Wenigſtens hat man auß diſen lechzenden Flammen allerhand
Geheimnuſſen gemachet/ wie dann nebſt anderen An. 1572. geſehenen Wun-
derzeichen Haller Chron. MSC. Lib. 38. cap. 16. auch ſetzet dergleichen
lechzende Feure/ ſo an verſchiedenen Kinderen in der Statt Biel an ihren
Hembderen/ Haaren/ und Huͤten geſehen worden. Under den Titel diſer
ſtreiffenden Flammen gehoͤret/ was gewiſſe annoch lebende hieſige Schiff-
meiſter auf dem Zuͤrich-See fahrende an ihren eigenen Leiberen gewahret.
Jtem die Flammen/ welche Peter Meili/ von Nuffenen im Rheinwald/ mit
ſeinen Gefehrten/ als ſie vom Bernhardiner Berg Reis und Korn fuͤhreten/
wahrgenommen/ den 2. Jenner 1700. Da ſie vermeint/ ihre Kleider/ und
Ochſen brünnen/ aber wann ſie nach der Flamm gegriffen/ nichts empfun-
den. Diſes geſchahe ohngefehr um 7. Uhr Abends/ under waͤhrendem ſtarkem

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[82/0091] Si minore vi mittuntur Ignes, defluunt tantùm & inſident, non feriunt, nec vulnerant. ſagt Seneca Natur. Quæſt. Lib. I. cap. 1. Gleichwol haben die alten Roͤmer auf dergleichen lechzende Feuer fleiſſige Achtung geben/ und ſo oft ſie in ihren Feldzügen ſelbige auf denen Lanzen/ oder Faͤhnlein/ und Stand- arten ihrer Fuͤhreren gewahret/ in ihren Geſchichtbuͤcheren nicht vergeſſen/ wie bey ob angezogenem Seneca, und anderſtwo/ zu ſehen. Jch komme aber widerum auf unſer Winterthuriſches St. Elmus Feuer/ und leite deſſen Materi zwar her auß denen nahegelegenen Felderen und Bergen/ deren Si- tuation villeicht auch vil bey tragt zu deſto leichterem Antrib an die Kirchen- thuͤrne/ die benennung aber nicht von dem H. Anſelmo/ ſondern auß Spa- nien/ weilen mich erinnere irgendwo geleſen zu haben/ daß diſe Nation den Caſtor em und Pollucem mit dem Nammen St. Elmus Feuer betitlen. Von der Lechzenden Flamm. Es laſſet ſich diſe Feuer-Geſchicht ſehen etwann an den Kleideren und Haaren/ under Menſchen und Thieren/ zu nicht geringem Schrecken der Zu- ſeheren. Die alte Heidenſchaft hielte dergleichen Ignes Lambentes, oder Lechzende Flammen vor ſonderliche Wunderzeichen/ und von den Goͤtteren herꝛuͤhrende bezeugung kuͤnftiger Dingen. Servius Tullus hatte einer ſol- chen um ſein Haͤuptlein erſchienenen Flamm zu danken den Thron des Roͤ- miſchen Reichs. Dann man ihn deßwegen hielte vor eines Laris, oder Hauß- Gottes Sohn/ und ſein bey dem Anlas gewiſſe Feſte den Laribus zu ehren angeſtellet worden. In regia cubanti puero caput arſiſſe viſum, creditumq́ue Laris Familiaris filium. Ob id compitalia, & Ludos Laribus primum inſti- tuiſſe. Plin. Hiſt. Nat. Lib. 36. cap. 27. Jch were ohne groſſe Muͤhe zu bereden/ daß in denen mittleren Jahr hunderten mancher bey Anlaß einer um ſein Haupt erſchienenen Flamm in die Zahl der Heiligen aufgenommen worden. Wenigſtens hat man auß diſen lechzenden Flammen allerhand Geheimnuſſen gemachet/ wie dann nebſt anderen An. 1572. geſehenen Wun- derzeichen Haller Chron. MSC. Lib. 38. cap. 16. auch ſetzet dergleichen lechzende Feure/ ſo an verſchiedenen Kinderen in der Statt Biel an ihren Hembderen/ Haaren/ und Huͤten geſehen worden. Under den Titel diſer ſtreiffenden Flammen gehoͤret/ was gewiſſe annoch lebende hieſige Schiff- meiſter auf dem Zuͤrich-See fahrende an ihren eigenen Leiberen gewahret. Jtem die Flammen/ welche Peter Meili/ von Nuffenen im Rheinwald/ mit ſeinen Gefehrten/ als ſie vom Bernhardiner Berg Reis und Korn fuͤhreten/ wahrgenommen/ den 2. Jenner 1700. Da ſie vermeint/ ihre Kleider/ und Ochſen brünnen/ aber wann ſie nach der Flamm gegriffen/ nichts empfun- den. Diſes geſchahe ohngefehr um 7. Uhr Abends/ under waͤhrendem ſtarkem Wind/

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 2. Zürich, 1707, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten02_1706/91>, abgerufen am 29.03.2024.