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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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N. 27.)

Schweizerische
Berg-Reisen.


DEr Grosse Aristoteles selbs hat hierüber seine gute Gedanken/ welche
aber seine Lateinischen Außlegere wegen Unwüssenheit in Griechi-
scher Sprach nicht haben verstanden. Das zweyte oder mittlere Luft-
quartier sezet er dahin/ [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt] legousin ede dia t skhiizera[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]i [fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]khanes aiaktines, Teutsch/
wo die Sonnenstralen aufhören/ namlich/ die Luftspher empfindlich zuerwär-
men/ weilen sie dort sich allzuweit von einander öffnen. Diß ist zuverstehen von
denen ein- und zurukfallenden Stralen/ welche je näher sie bey der Erde seyn/
je näher oder enger sie stehen/ und desto kräftiger das/ was ihnen vorkommt/ er-
wärmen/ je weiter sie aber von der Erden/ je in grösseren Winkel sie sich öffnen/
und desto geringere würkung außüben können. Wer weißt nit/ das die Wein-
reben/ und andere Gewächse/ an einer gegen der Sonn stehenden Maur
eher zur Zeitigung kommen/ als in freyem feld/ weilen namlich dort die ein-
und zurukfallenden Stralen eine merkliche Wärme verursachen/ und gantz
spitzige Winkel machen. Jezt wann wir gedenken/ wie die nideren Theile
der Bergen/ und sonderlich die Thäler/ getroffen werden nicht nur von de-
nen gradenwegs auf sie von der Sonnen einfallenden/ und zurukprellenden
Stralen/ sondern von unzahlbar vilen anderen/ welche nach denen Reglen
der Zurukprellung von denen Seitenwänden der Bergen/ zuruk/ und in das
Thal geworffen werden/ so werden wir uns nicht verwunderen/ wann eine
sehr empfindtliche/ und den Schnee bald auflösende Wärme/ von so vilen
durch einander schiessenden Stralen/ entstehet. Auf denen Berg-Spizen
hingegen haben wir allein die einfach einfallenden/ und also auch einfach zu-
rukprellenden Stralen/ welche nit kräftig genug seyn/ den gefallenen Schnee
in einen Fluß zubringen; um so vil mehr/ wann wir/ wie wir sollen/ diser Ur-
sach annoch beyfügen die beständigen Winde/ und immer an denen Bergen
klebende Wolken/ welche gleich einem kalten/ auf den Helm des Brennha-
fens geschütteten/ Wasser/ die Dünste in Schneefloken verwandlen. Es
ist endlich nicht mit stillschweigen zu übergehen der Unterscheid der Luft und
Dunstkugel/ wie sie ist an hohen und tieffen Orten; hier/ in den Thäleren/ ist
die Luft von schwer aufligendem Gewicht sehr zusamen getrucket/ und folglich
vil tüchtiger alle flüssigen Cörper in und aussert unseren Leiberen in mehrere

Bewe-
N. 27.)

Schweizeriſche
Berg-Reiſen.


DEr Groſſe Ariſtoteles ſelbs hat hierüber ſeine gute Gedanken/ welche
aber ſeine Lateiniſchen Außlegere wegen Unwuͤſſenheit in Griechi-
ſcher Sprach nicht haben verſtanden. Das zweyte oder mittlere Luft-
quartier ſezet er dahin/ [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt] λήγουσιν ἤδη διὰ τ σχιίζερα[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]ι [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]χανὲς αἱἀκτῖνες, Teutſch/
wo die Soñenſtralen aufhoͤren/ namlich/ die Luftſpher empfindlich zuerwaͤr-
men/ weilen ſie dort ſich allzuweit von einander oͤffnen. Diß iſt zuverſtehen von
denen ein- und zurukfallenden Stralen/ welche je naͤher ſie bey der Erde ſeyn/
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waͤrmen/ je weiter ſie aber von der Erden/ je in groͤſſeren Winkel ſie ſich oͤffnen/
und deſto geringere wuͤrkung außuͤben koͤnnen. Wer weißt nit/ das die Wein-
reben/ und andere Gewaͤchſe/ an einer gegen der Sonn ſtehenden Maur
eher zur Zeitigung kommen/ als in freyem feld/ weilen namlich dort die ein-
und zurukfallenden Stralen eine merkliche Waͤrme verurſachen/ und gantz
ſpitzige Winkel machen. Jezt wann wir gedenken/ wie die nideren Theile
der Bergen/ und ſonderlich die Thaͤler/ getroffen werden nicht nur von de-
nen gradenwegs auf ſie von der Sonnen einfallenden/ und zurukprellenden
Stralen/ ſondern von unzahlbar vilen anderen/ welche nach denen Reglen
der Zurukprellung von denen Seitenwaͤnden der Bergen/ zuruk/ und in das
Thal geworffen werden/ ſo werden wir uns nicht verwunderen/ wann eine
ſehr empfindtliche/ und den Schnee bald aufloͤſende Waͤrme/ von ſo vilen
durch einander ſchieſſenden Stralen/ entſtehet. Auf denen Berg-Spizen
hingegen haben wir allein die einfach einfallenden/ und alſo auch einfach zu-
rukprellenden Stralen/ welche nit kraͤftig genug ſeyn/ den gefallenen Schnee
in einen Fluß zubringen; um ſo vil mehr/ wann wir/ wie wir ſollen/ diſer Ur-
ſach annoch beyfuͤgen die beſtaͤndigen Winde/ und immer an denen Bergen
klebende Wolken/ welche gleich einem kalten/ auf den Helm des Brennha-
fens geſchuͤtteten/ Waſſer/ die Duͤnſte in Schneefloken verwandlen. Es
iſt endlich nicht mit ſtillſchweigen zu uͤbergehen der Unterſcheid der Luft und
Dunſtkugel/ wie ſie iſt an hohen und tieffen Orten; hier/ in den Thaͤleren/ iſt
die Luft von ſchwer aufligendem Gewicht ſehr zuſamen getrucket/ und folglich
vil tuͤchtiger alle flüſſigen Coͤrper in und auſſert unſeren Leiberen in mehrere

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[105/0133] N. 27.) (Den 5. Julii. 1707. Schweizeriſche Berg-Reiſen. DEr Groſſe Ariſtoteles ſelbs hat hierüber ſeine gute Gedanken/ welche aber ſeine Lateiniſchen Außlegere wegen Unwuͤſſenheit in Griechi- ſcher Sprach nicht haben verſtanden. Das zweyte oder mittlere Luft- quartier ſezet er dahin/ _ λήγουσιν ἤδη διὰ τ σχιίζερα_ι _χανὲς αἱἀκτῖνες, Teutſch/ wo die Soñenſtralen aufhoͤren/ namlich/ die Luftſpher empfindlich zuerwaͤr- men/ weilen ſie dort ſich allzuweit von einander oͤffnen. Diß iſt zuverſtehen von denen ein- und zurukfallenden Stralen/ welche je naͤher ſie bey der Erde ſeyn/ je naͤher oder enger ſie ſtehen/ und deſto kraͤftiger das/ was ihnen vorkom̃t/ er- waͤrmen/ je weiter ſie aber von der Erden/ je in groͤſſeren Winkel ſie ſich oͤffnen/ und deſto geringere wuͤrkung außuͤben koͤnnen. Wer weißt nit/ das die Wein- reben/ und andere Gewaͤchſe/ an einer gegen der Sonn ſtehenden Maur eher zur Zeitigung kommen/ als in freyem feld/ weilen namlich dort die ein- und zurukfallenden Stralen eine merkliche Waͤrme verurſachen/ und gantz ſpitzige Winkel machen. Jezt wann wir gedenken/ wie die nideren Theile der Bergen/ und ſonderlich die Thaͤler/ getroffen werden nicht nur von de- nen gradenwegs auf ſie von der Sonnen einfallenden/ und zurukprellenden Stralen/ ſondern von unzahlbar vilen anderen/ welche nach denen Reglen der Zurukprellung von denen Seitenwaͤnden der Bergen/ zuruk/ und in das Thal geworffen werden/ ſo werden wir uns nicht verwunderen/ wann eine ſehr empfindtliche/ und den Schnee bald aufloͤſende Waͤrme/ von ſo vilen durch einander ſchieſſenden Stralen/ entſtehet. Auf denen Berg-Spizen hingegen haben wir allein die einfach einfallenden/ und alſo auch einfach zu- rukprellenden Stralen/ welche nit kraͤftig genug ſeyn/ den gefallenen Schnee in einen Fluß zubringen; um ſo vil mehr/ wann wir/ wie wir ſollen/ diſer Ur- ſach annoch beyfuͤgen die beſtaͤndigen Winde/ und immer an denen Bergen klebende Wolken/ welche gleich einem kalten/ auf den Helm des Brennha- fens geſchuͤtteten/ Waſſer/ die Duͤnſte in Schneefloken verwandlen. Es iſt endlich nicht mit ſtillſchweigen zu uͤbergehen der Unterſcheid der Luft und Dunſtkugel/ wie ſie iſt an hohen und tieffen Orten; hier/ in den Thaͤleren/ iſt die Luft von ſchwer aufligendem Gewicht ſehr zuſamen getrucket/ und folglich vil tuͤchtiger alle flüſſigen Coͤrper in und auſſert unſeren Leiberen in mehrere Bewe-

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/133>, abgerufen am 29.03.2024.