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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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aufgerichtet worden vor dem höchsten Gewalt/ der Lands-Gemeind/ daß
einem jeden Landmann/ er seye arm/ oder reich/ wann er Hochzeit haltet/ zu-
gehören sollen zwey Gemsthiere. Zu dem End/ und damit nicht die neuen
Bräutigam selbs die Mühe nemmen/ oder durch selbs eigenes Jagen dem
Gemsenvorraht mehr schad-als nutzlich weren/ sein in dem Land 12. beeidig-
te Jäger bestellet/ welche die zwey jedem Bräutigam zugetheilte Gemse
ihme müssen zu bringen. Dise Freyberger Schütze/ dann also heissen
sie/ haben dann für ihren Lohn die Häute. Sie dörffen aber auch zu verbotte-
ner Zeit/ zwischen Jacobi und Martini/ nicht gehen zu schiessen. Diser Frey-
berg wird abgetheilt in seine verschiedene Spitzen/ oder Joch/ als Büel-
Stock/ Gantstock/ Rothberg/ Saßberg/ Vorsteg-Stock.

Nunmehr setze meine Reise fort durch das Grosse Thal/ und ge-
denke erstlich auß Wagner, Hist. Nat. Helvet. pag. 113. des

Bads Lochseiten/

welches an einem Ohrt/ Ovia genant/ entspringe/ und von dannen gen
Schwanden geleitet/ und in allerhand Zuständen gebraucht werde. Von
disem Bad weiß ich nichts zuberichten/ als daß es nimmer bekant.

Jenseit der Linth/ ohnweit von dem Flecken/ ist St. Wendels ein-
gefallene Capell/ bey welcher oft sol gesehen werden ein Gespenst/ in Ge-
stalt eines Pfaffen-Es sein die fetten Einkünften/ welche diser Capell vor der
Reformation zugestanden/ hernach an die Kirche zu Schwanden verwendet
worden.

Wir sezten unsere Reise fort diß- oder rechter seits der Linth erstlich
durch das Dorff Nitfuren/ welches nacher Schwanden gehöret; hernach
durch

Läügelbach/

welches seinen Nammen her hat von dem nahe fliessenden Bach/ der auch
Vor- oder Leügelbach heisset. Diser Bach kommet oben im Berg auß
einem Felßloch mit ungestümme hervor/ und stürtzet sich von dannen in
schaumichter Gestalt in das Thal herunter/ und bald in die Linth. Seinen
eigentlichen Ursprung aber hat diser Bach in dem

Oberblegi-See/

dessen auch gedenket Wagner. Helvet. Hist. Nat. pag. 57. welcher eine
halbe Stund ohngefehr im Umkreiß/ und insonderheit vil Hecht sol in sich
haben/ unter denen einer sol sein von ungemeiner Grösse/ der die übrigen bald
alle verschlinge. Diser Berg-See sol under der Erden seinen Außfluß fort-
setzen/ und den vorernanten Läügelbach außmachen.

Nahe bey disem Bach hat sich An. 1687. zu getragen jene erbärmliche

Lauwin-Geschicht/

welche oben beschrieben worden. Tom. I. pag. 158.

aufgerichtet worden vor dem hoͤchſten Gewalt/ der Lands-Gemeind/ daß
einem jeden Landmann/ er ſeye arm/ oder reich/ wann er Hochzeit haltet/ zu-
gehoͤren ſollen zwey Gemsthiere. Zu dem End/ und damit nicht die neuen
Braͤutigam ſelbs die Muͤhe nemmen/ oder durch ſelbs eigenes Jagen dem
Gemſenvorꝛaht mehr ſchad-als nutzlich weren/ ſein in dem Land 12. beeidig-
te Jaͤger beſtellet/ welche die zwey jedem Braͤutigam zugetheilte Gemſe
ihme muͤſſen zu bringen. Diſe Freyberger Schütze/ dann alſo heiſſen
ſie/ haben dann fuͤr ihren Lohn die Haͤute. Sie doͤrffen aber auch zu verbotte-
ner Zeit/ zwiſchen Jacobi und Martini/ nicht gehen zu ſchieſſen. Diſer Frey-
berg wird abgetheilt in ſeine verſchiedene Spitzen/ oder Joch/ als Büel-
Stock/ Gantſtock/ Rothberg/ Saßberg/ Vorſteg-Stock.

Nunmehr ſetze meine Reiſe fort durch das Groſſe Thal/ und ge-
denke erſtlich auß Wagner, Hiſt. Nat. Helvet. pag. 113. des

Bads Lochſeiten/

welches an einem Ohrt/ Ovia genant/ entſpringe/ und von dannen gen
Schwanden geleitet/ und in allerhand Zuſtaͤnden gebraucht werde. Von
diſem Bad weiß ich nichts zuberichten/ als daß es nimmer bekant.

Jenſeit der Linth/ ohnweit von dem Flecken/ iſt St. Wendels ein-
gefallene Capell/ bey welcher oft ſol geſehen werden ein Geſpenſt/ in Ge-
ſtalt eines Pfaffen-Es ſein die fetten Einkuͤnften/ welche diſer Capell vor der
Reformation zugeſtanden/ hernach an die Kirche zu Schwanden verwendet
worden.

Wir ſezten unſere Reiſe fort diß- oder rechter ſeits der Linth erſtlich
durch das Dorff Nitfuren/ welches nacher Schwanden gehoͤret; hernach
durch

Laͤügelbach/

welches ſeinen Nammen her hat von dem nahe flieſſenden Bach/ der auch
Vor- oder Leügelbach heiſſet. Diſer Bach kommet oben im Berg auß
einem Felßloch mit ungeſtuͤmme hervor/ und ſtuͤrtzet ſich von dannen in
ſchaumichter Geſtalt in das Thal herunter/ und bald in die Linth. Seinen
eigentlichen Urſprung aber hat diſer Bach in dem

Oberblegi-See/

deſſen auch gedenket Wagner. Helvet. Hiſt. Nat. pag. 57. welcher eine
halbe Stund ohngefehr im Umkreiß/ und inſonderheit vil Hecht ſol in ſich
haben/ unter denen einer ſol ſein von ungemeiner Groͤſſe/ der die uͤbrigen bald
alle verſchlinge. Diſer Berg-See ſol under der Erden ſeinen Außfluß fort-
ſetzen/ und den vorernanten Laͤügelbach außmachen.

Nahe bey diſem Bach hat ſich An. 1687. zu getragen jene erbaͤrmliche

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welche oben beſchrieben worden. Tom. I. pag. 158.

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[(20)[20]/0027] aufgerichtet worden vor dem hoͤchſten Gewalt/ der Lands-Gemeind/ daß einem jeden Landmann/ er ſeye arm/ oder reich/ wann er Hochzeit haltet/ zu- gehoͤren ſollen zwey Gemsthiere. Zu dem End/ und damit nicht die neuen Braͤutigam ſelbs die Muͤhe nemmen/ oder durch ſelbs eigenes Jagen dem Gemſenvorꝛaht mehr ſchad-als nutzlich weren/ ſein in dem Land 12. beeidig- te Jaͤger beſtellet/ welche die zwey jedem Braͤutigam zugetheilte Gemſe ihme muͤſſen zu bringen. Diſe Freyberger Schütze/ dann alſo heiſſen ſie/ haben dann fuͤr ihren Lohn die Haͤute. Sie doͤrffen aber auch zu verbotte- ner Zeit/ zwiſchen Jacobi und Martini/ nicht gehen zu ſchieſſen. Diſer Frey- berg wird abgetheilt in ſeine verſchiedene Spitzen/ oder Joch/ als Büel- Stock/ Gantſtock/ Rothberg/ Saßberg/ Vorſteg-Stock. Nunmehr ſetze meine Reiſe fort durch das Groſſe Thal/ und ge- denke erſtlich auß Wagner, Hiſt. Nat. Helvet. pag. 113. des Bads Lochſeiten/ welches an einem Ohrt/ Ovia genant/ entſpringe/ und von dannen gen Schwanden geleitet/ und in allerhand Zuſtaͤnden gebraucht werde. Von diſem Bad weiß ich nichts zuberichten/ als daß es nimmer bekant. Jenſeit der Linth/ ohnweit von dem Flecken/ iſt St. Wendels ein- gefallene Capell/ bey welcher oft ſol geſehen werden ein Geſpenſt/ in Ge- ſtalt eines Pfaffen-Es ſein die fetten Einkuͤnften/ welche diſer Capell vor der Reformation zugeſtanden/ hernach an die Kirche zu Schwanden verwendet worden. Wir ſezten unſere Reiſe fort diß- oder rechter ſeits der Linth erſtlich durch das Dorff Nitfuren/ welches nacher Schwanden gehoͤret; hernach durch Laͤügelbach/ welches ſeinen Nammen her hat von dem nahe flieſſenden Bach/ der auch Vor- oder Leügelbach heiſſet. Diſer Bach kommet oben im Berg auß einem Felßloch mit ungeſtuͤmme hervor/ und ſtuͤrtzet ſich von dannen in ſchaumichter Geſtalt in das Thal herunter/ und bald in die Linth. Seinen eigentlichen Urſprung aber hat diſer Bach in dem Oberblegi-See/ deſſen auch gedenket Wagner. Helvet. Hiſt. Nat. pag. 57. welcher eine halbe Stund ohngefehr im Umkreiß/ und inſonderheit vil Hecht ſol in ſich haben/ unter denen einer ſol ſein von ungemeiner Groͤſſe/ der die uͤbrigen bald alle verſchlinge. Diſer Berg-See ſol under der Erden ſeinen Außfluß fort- ſetzen/ und den vorernanten Laͤügelbach außmachen. Nahe bey diſem Bach hat ſich An. 1687. zu getragen jene erbaͤrmliche Lauwin-Geſchicht/ welche oben beſchrieben worden. Tom. I. pag. 158.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (20)[20]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/27>, abgerufen am 28.03.2024.