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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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engsten Löchlein des Hartzes einzutringen/ (welches die gröberen Wasser-
theile nicht vermögen) dessen völlige Gestaltsame aufzulösen/ und/ als ein
bequemes menstruum, in einen durchsichtig gefärbten liquor zu bringen/ in
welchem alle Löchlein angefüllet stehen von den kleinsten Hartztheilchen. Nur
aber/ wann die groben Wassertheile angeschüttet werden/ erweiteren sich die
Löchlein/ in welchen die Hartztheile gleichsam als gefangen eng gehalten
worden/ und kommen dise in Freyheit/ sie henken sich durch ihre ästichte Ge-
stalt zusamen/ und stürtzen sich mit einander zu Boden. Gleich also müssen
die kleinsten Seiffentheile/ wälche sich in anderen Wasseren auflösen lassen/
und zertheilt bleiben/ in denen weiteren Löchlein vorhabender Brünnen zu-
samenrinnen/ und Anlas geben zu einer Natürlichen Praecipitation, oder Ni-
dersitrtzung. Und kan uns diß zum Exempel dienen/ wie nach Anleitung der
Gassendischen/ oder Corpuscular Philosophie, manche Naturbegebenheit
könne/ und müsse/ aufgelöset werden auß der kleinsten Theilen Schwere/
Grösse/ Gestalt/ Enge/ oder Weite der Löchlein/ etc.

Wir müssen aber/ wann wir Heut noch den Berg wollen besteigen/
jeztbeschriebenen Wunderbrunn verlassen/ und aber uns den sonst Mühe-
samen Weg erleichteren durch freundliche Unterredung mit obbelobten bey-
den Herren Tschndin/ welche uns waren jucundi Comites provehiculo,
nach des grossen Erasmi Außspruch. Dann dise uns vil erzehlten

Von den Gletscheren/

welche ob Guppen an dem Fuß des höheren Glarnischbergs sich finden/
und wie sie auch in mitten des Winters Wasser von sich geben. Es wird aber
dise Materi weitläuffig verhandelt werden an seinem Ohrt.

Von anlauffenden Bergwasseren/

derenthalben bey denen Einwohneren der hohen Gebirgen zubemerken dise
Redensart/ es seye ein Drach außgefahren/ zu welcher Vergleichung
Anlas möchte gegeben haben der Drachen vermeinte Geschwindigkeit/ und
unversehener erfolgender Schade/ welcher auch von denen oft urplötzlich/ mit
ungestümme anlauffenden Bergwasseren herkomt. Unterdessen ist zu ver-
muhten/ es habe dise Redensart Anlas/ und Ursach gegeben zu vilen erdich-
teten Drachen Historien/ von welchen anderstwo mit mehrerem.

Von den Wildheüeren.

Dises sein arme Leuhte/ welche weder Wiesen/ noch Alpen haben/ ihr
weniges Vieh damit zu ernehren/ und deßwegen das Heü (von dem sie
den Nammen bekommen) müssen samlen in der Wilde/ in hohen/ gächsto-
tzigen Ohrten/ dahin die Eigenthums-Herren nicht einmahl getrauen/ ihr

Vieh

engſten Loͤchlein des Hartzes einzutringen/ (welches die groͤberen Waſſer-
theile nicht vermoͤgen) deſſen voͤllige Geſtaltſame aufzuloͤſen/ und/ als ein
bequemes menſtruum, in einen durchſichtig gefaͤrbten liquor zu bringen/ in
welchem alle Loͤchlein angefuͤllet ſtehen von den kleinſten Hartztheilchen. Nur
aber/ wann die groben Waſſertheile angeſchüttet werden/ erweiteren ſich die
Loͤchlein/ in welchen die Hartztheile gleichſam als gefangen eng gehalten
worden/ und kommen diſe in Freyheit/ ſie henken ſich durch ihre aͤſtichte Ge-
ſtalt zuſamen/ und ſtuͤrtzen ſich mit einander zu Boden. Gleich alſo muͤſſen
die kleinſten Seiffentheile/ waͤlche ſich in anderen Waſſeren aufloͤſen laſſen/
und zertheilt bleiben/ in denen weiteren Loͤchlein vorhabender Brünnen zu-
ſamenrinnen/ und Anlas geben zu einer Natuͤrlichen Præcipitation, oder Ni-
derſitrtzung. Und kan uns diß zum Exempel dienen/ wie nach Anleitung der
Gaſſendiſchen/ oder Corpuſcular Philoſophie, manche Naturbegebenheit
koͤnne/ und muͤſſe/ aufgeloͤſet werden auß der kleinſten Theilen Schwere/
Groͤſſe/ Geſtalt/ Enge/ oder Weite der Loͤchlein/ ꝛc.

Wir muͤſſen aber/ wann wir Heut noch den Berg wollen beſteigen/
jeztbeſchriebenen Wunderbrunn verlaſſen/ und aber uns den ſonſt Muͤhe-
ſamen Weg erleichteren durch freundliche Unterꝛedung mit obbelobten bey-
den Herꝛen Tſchndin/ welche uns waren jucundi Comites provehiculo,
nach des groſſen Eraſmi Außſpruch. Dann diſe uns vil erzehlten

Von den Gletſcheren/

welche ob Guppen an dem Fuß des hoͤheren Glarniſchbergs ſich finden/
und wie ſie auch in mitten des Winters Waſſer von ſich geben. Es wird aber
diſe Materi weitlaͤuffig verhandelt werden an ſeinem Ohrt.

Von anlauffenden Bergwaſſeren/

derenthalben bey denen Einwohneren der hohen Gebirgen zubemerken diſe
Redensart/ es ſeye ein Drach außgefahren/ zu welcher Vergleichung
Anlas moͤchte gegeben haben der Drachen vermeinte Geſchwindigkeit/ und
unverſehener erfolgender Schade/ welcher auch von denen oft urploͤtzlich/ mit
ungeſtuͤmme anlauffenden Bergwaſſeren herkomt. Unterdeſſen iſt zu ver-
muhten/ es habe diſe Redensart Anlas/ und Urſach gegeben zu vilen erdich-
teten Drachen Hiſtorien/ von welchen anderſtwo mit mehrerem.

Von den Wildheüeren.

Diſes ſein arme Leuhte/ welche weder Wieſen/ noch Alpen haben/ ihr
weniges Vieh damit zu ernehren/ und deßwegen das Heü (von dem ſie
den Nammen bekommen) muͤſſen ſamlen in der Wilde/ in hohen/ gaͤchſto-
tzigen Ohrten/ dahin die Eigenthums-Herꝛen nicht einmahl getrauen/ ihr

Vieh
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[(15)[15]/0022] engſten Loͤchlein des Hartzes einzutringen/ (welches die groͤberen Waſſer- theile nicht vermoͤgen) deſſen voͤllige Geſtaltſame aufzuloͤſen/ und/ als ein bequemes menſtruum, in einen durchſichtig gefaͤrbten liquor zu bringen/ in welchem alle Loͤchlein angefuͤllet ſtehen von den kleinſten Hartztheilchen. Nur aber/ wann die groben Waſſertheile angeſchüttet werden/ erweiteren ſich die Loͤchlein/ in welchen die Hartztheile gleichſam als gefangen eng gehalten worden/ und kommen diſe in Freyheit/ ſie henken ſich durch ihre aͤſtichte Ge- ſtalt zuſamen/ und ſtuͤrtzen ſich mit einander zu Boden. Gleich alſo muͤſſen die kleinſten Seiffentheile/ waͤlche ſich in anderen Waſſeren aufloͤſen laſſen/ und zertheilt bleiben/ in denen weiteren Loͤchlein vorhabender Brünnen zu- ſamenrinnen/ und Anlas geben zu einer Natuͤrlichen Præcipitation, oder Ni- derſitrtzung. Und kan uns diß zum Exempel dienen/ wie nach Anleitung der Gaſſendiſchen/ oder Corpuſcular Philoſophie, manche Naturbegebenheit koͤnne/ und muͤſſe/ aufgeloͤſet werden auß der kleinſten Theilen Schwere/ Groͤſſe/ Geſtalt/ Enge/ oder Weite der Loͤchlein/ ꝛc. Wir muͤſſen aber/ wann wir Heut noch den Berg wollen beſteigen/ jeztbeſchriebenen Wunderbrunn verlaſſen/ und aber uns den ſonſt Muͤhe- ſamen Weg erleichteren durch freundliche Unterꝛedung mit obbelobten bey- den Herꝛen Tſchndin/ welche uns waren jucundi Comites provehiculo, nach des groſſen Eraſmi Außſpruch. Dann diſe uns vil erzehlten Von den Gletſcheren/ welche ob Guppen an dem Fuß des hoͤheren Glarniſchbergs ſich finden/ und wie ſie auch in mitten des Winters Waſſer von ſich geben. Es wird aber diſe Materi weitlaͤuffig verhandelt werden an ſeinem Ohrt. Von anlauffenden Bergwaſſeren/ derenthalben bey denen Einwohneren der hohen Gebirgen zubemerken diſe Redensart/ es ſeye ein Drach außgefahren/ zu welcher Vergleichung Anlas moͤchte gegeben haben der Drachen vermeinte Geſchwindigkeit/ und unverſehener erfolgender Schade/ welcher auch von denen oft urploͤtzlich/ mit ungeſtuͤmme anlauffenden Bergwaſſeren herkomt. Unterdeſſen iſt zu ver- muhten/ es habe diſe Redensart Anlas/ und Urſach gegeben zu vilen erdich- teten Drachen Hiſtorien/ von welchen anderſtwo mit mehrerem. Von den Wildheüeren. Diſes ſein arme Leuhte/ welche weder Wieſen/ noch Alpen haben/ ihr weniges Vieh damit zu ernehren/ und deßwegen das Heü (von dem ſie den Nammen bekommen) muͤſſen ſamlen in der Wilde/ in hohen/ gaͤchſto- tzigen Ohrten/ dahin die Eigenthums-Herꝛen nicht einmahl getrauen/ ihr Vieh

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. (15)[15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/22>, abgerufen am 28.03.2024.