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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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und hohes Spiel. Und weil sich diese seltsame
Raserey bald auch der beyderseitigen Suite und Die¬
nerschaft mittheilte, die, wie Sie wissen, über den
Artikel der Ehre noch weit wachsamer zu halten
pflegt, als ihre Herrschaft, so mußte er dem guten
Willen seiner Leute durch seine Freygebigkeit zu
Hülfe kommen. Eine ganze lange Kette von Arm¬
seligkeiten, alles unvermeidliche Folgen einer einzi¬
gen ziemlich verzeihlichen Schwachheit, von der
sich der Prinz in einem unglücklichen Augenblick
überschleichen ließ!

Den Nebenbuhler sind wir zwar nun los, aber
was er verdorben hat, ist nicht so leicht wieder
gut zu machen. Des Prinzen Schatulle ist er¬
schöpft; was er durch eine weise Oekonomie seit
Jahren erspart hat, ist dahin; wir müssen eilen,
aus Venedig zu kommen, wenn er sich nicht in
Schulden stürzen soll, wovor er sich bis jezt auf
das sorgfältigste gehütet hat. Die Abreise ist auch
fest beschlossen, sobald nur erst frische Wechsel
da sind.

Möchte indeß aller dieser Aufwand gemacht
seyn, wenn mein Herr nur eine einzige Freude da¬
bey gewonnen hätte! Aber nie war er weniger
glücklich als jezt! Er fühlt, daß er nicht ist, was
er sonst war -- er sucht sich selbst -- er ist un¬
zufrieden mit sich selbst, und stürzt sich in neue
Zerstreuungen, um den Folgen der alten zu entflie¬
hen. Eine neue Bekanntschaft folgt auf die andre,

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und hohes Spiel. Und weil ſich dieſe ſeltſame
Raſerey bald auch der beyderſeitigen Suite und Die¬
nerſchaft mittheilte, die, wie Sie wiſſen, über den
Artikel der Ehre noch weit wachſamer zu halten
pflegt, als ihre Herrſchaft, ſo mußte er dem guten
Willen ſeiner Leute durch ſeine Freygebigkeit zu
Hülfe kommen. Eine ganze lange Kette von Arm¬
ſeligkeiten, alles unvermeidliche Folgen einer einzi¬
gen ziemlich verzeihlichen Schwachheit, von der
ſich der Prinz in einem unglücklichen Augenblick
überſchleichen ließ!

Den Nebenbuhler ſind wir zwar nun los, aber
was er verdorben hat, iſt nicht ſo leicht wieder
gut zu machen. Des Prinzen Schatulle iſt er¬
ſchöpft; was er durch eine weiſe Oekonomie ſeit
Jahren erſpart hat, iſt dahin; wir müſſen eilen,
aus Venedig zu kommen, wenn er ſich nicht in
Schulden ſtürzen ſoll, wovor er ſich bis jezt auf
das ſorgfältigſte gehütet hat. Die Abreiſe iſt auch
feſt beſchloſſen, ſobald nur erſt friſche Wechſel
da ſind.

Möchte indeß aller dieſer Aufwand gemacht
ſeyn, wenn mein Herr nur eine einzige Freude da¬
bey gewonnen hätte! Aber nie war er weniger
glücklich als jezt! Er fühlt, daß er nicht iſt, was
er ſonſt war — er ſucht ſich ſelbſt — er iſt un¬
zufrieden mit ſich ſelbſt, und ſtürzt ſich in neue
Zerſtreuungen, um den Folgen der alten zu entflie¬
hen. Eine neue Bekanntſchaft folgt auf die andre,

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die
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[121/0129] und hohes Spiel. Und weil ſich dieſe ſeltſame Raſerey bald auch der beyderſeitigen Suite und Die¬ nerſchaft mittheilte, die, wie Sie wiſſen, über den Artikel der Ehre noch weit wachſamer zu halten pflegt, als ihre Herrſchaft, ſo mußte er dem guten Willen ſeiner Leute durch ſeine Freygebigkeit zu Hülfe kommen. Eine ganze lange Kette von Arm¬ ſeligkeiten, alles unvermeidliche Folgen einer einzi¬ gen ziemlich verzeihlichen Schwachheit, von der ſich der Prinz in einem unglücklichen Augenblick überſchleichen ließ! Den Nebenbuhler ſind wir zwar nun los, aber was er verdorben hat, iſt nicht ſo leicht wieder gut zu machen. Des Prinzen Schatulle iſt er¬ ſchöpft; was er durch eine weiſe Oekonomie ſeit Jahren erſpart hat, iſt dahin; wir müſſen eilen, aus Venedig zu kommen, wenn er ſich nicht in Schulden ſtürzen ſoll, wovor er ſich bis jezt auf das ſorgfältigſte gehütet hat. Die Abreiſe iſt auch feſt beſchloſſen, ſobald nur erſt friſche Wechſel da ſind. Möchte indeß aller dieſer Aufwand gemacht ſeyn, wenn mein Herr nur eine einzige Freude da¬ bey gewonnen hätte! Aber nie war er weniger glücklich als jezt! Er fühlt, daß er nicht iſt, was er ſonſt war — er ſucht ſich ſelbſt — er iſt un¬ zufrieden mit ſich ſelbſt, und ſtürzt ſich in neue Zerſtreuungen, um den Folgen der alten zu entflie¬ hen. Eine neue Bekanntſchaft folgt auf die andre, H 5 die

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/129>, abgerufen am 25.04.2024.