Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Stille. "Lassen Sie uns ihr nachgehen, sagte ich,
und eine Erklärung fordern." Wir durchkrochen
alle Winkel des Markus -- die Maske war nicht
mehr zu finden. Unbefriedigt kehrten wir nach
unserm Gasthof zurück. Der Prinz sagte mir un¬
terwegens nicht ein Wort, sondern ging seitwärts
und allein, und schien einen gewaltsamen Kampf zu
kämpfen, wie er mir auch nachher gestanden hat.
Als wir zu Hause waren, öffnete er zum erstenma¬
le wieder den Mund. "Es ist doch lächerlich, sagte
er, daß ein Wahnsinniger die Ruhe eines Mannes
mit zwey Worten so erschüttern soll." Wir wünsch¬
ten uns eine gute Nacht, und so bald ich auf mei¬
nem Zimmer war, merkte ich mir in meiner
Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es ge¬
schehen war. Es war ein Donnerstag.

Am folgenden Abend sagte mir der Prinz:
"Wollen wir nicht einen Gang über den Markus¬
platz machen, und unsern geheimnißvollen Arme¬
nier aufsuchen? Mich verlangt doch nach der Ent¬
wickelung dieser Komödie." Ich wars zufrieden.
Wir blieben bis eilf Uhr auf dem Platz. Der
Armenier war nirgends zu sehen. Das nehmliche
wiederholten wir die vier folgenden Abende, und je¬
desmal mit demselben schlechten Erfolge.

Als wir am sechsten Abend unser Hotel ver¬
ließen, hatte ich den Einfall -- ob unwillkührlich
oder aus Absicht, besinne ich mich nicht mehr --
den Bedienten zu hinterlassen, wo wir zu finden
seyn würden, wenn nach uns gefragt werden sollte.

Der
A 4

Stille. „Laſſen Sie uns ihr nachgehen, ſagte ich,
und eine Erklärung fordern.“ Wir durchkrochen
alle Winkel des Markus — die Maſke war nicht
mehr zu finden. Unbefriedigt kehrten wir nach
unſerm Gaſthof zurück. Der Prinz ſagte mir un¬
terwegens nicht ein Wort, ſondern ging ſeitwärts
und allein, und ſchien einen gewaltſamen Kampf zu
kämpfen, wie er mir auch nachher geſtanden hat.
Als wir zu Hauſe waren, öffnete er zum erſtenma¬
le wieder den Mund. „Es iſt doch lächerlich, ſagte
er, daß ein Wahnſinniger die Ruhe eines Mannes
mit zwey Worten ſo erſchüttern ſoll.“ Wir wünſch¬
ten uns eine gute Nacht, und ſo bald ich auf mei¬
nem Zimmer war, merkte ich mir in meiner
Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es ge¬
ſchehen war. Es war ein Donnerſtag.

Am folgenden Abend ſagte mir der Prinz:
„Wollen wir nicht einen Gang über den Markus¬
platz machen, und unſern geheimnißvollen Arme¬
nier aufſuchen? Mich verlangt doch nach der Ent¬
wickelung dieſer Komödie.“ Ich wars zufrieden.
Wir blieben bis eilf Uhr auf dem Platz. Der
Armenier war nirgends zu ſehen. Das nehmliche
wiederholten wir die vier folgenden Abende, und je¬
desmal mit demſelben ſchlechten Erfolge.

Als wir am ſechſten Abend unſer Hotel ver¬
ließen, hatte ich den Einfall — ob unwillkührlich
oder aus Abſicht, beſinne ich mich nicht mehr —
den Bedienten zu hinterlaſſen, wo wir zu finden
ſeyn würden, wenn nach uns gefragt werden ſollte.

Der
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0015" n="7"/>
Stille. &#x201E;La&#x017F;&#x017F;en Sie uns ihr nachgehen, &#x017F;agte ich,<lb/>
und eine Erklärung fordern.&#x201C; Wir durchkrochen<lb/>
alle Winkel des Markus &#x2014; die Ma&#x017F;ke war nicht<lb/>
mehr zu finden. Unbefriedigt kehrten wir nach<lb/>
un&#x017F;erm Ga&#x017F;thof zurück. Der Prinz &#x017F;agte mir un¬<lb/>
terwegens nicht ein Wort, &#x017F;ondern ging &#x017F;eitwärts<lb/>
und allein, und &#x017F;chien einen gewalt&#x017F;amen Kampf zu<lb/>
kämpfen, wie er mir auch nachher ge&#x017F;tanden hat.<lb/>
Als wir zu Hau&#x017F;e waren, öffnete er zum er&#x017F;tenma¬<lb/>
le wieder den Mund. &#x201E;Es i&#x017F;t doch lächerlich, &#x017F;agte<lb/>
er, daß ein Wahn&#x017F;inniger die Ruhe eines Mannes<lb/>
mit zwey Worten &#x017F;o er&#x017F;chüttern &#x017F;oll.&#x201C; Wir wün&#x017F;ch¬<lb/>
ten uns eine gute Nacht, und &#x017F;o bald ich auf mei¬<lb/>
nem Zimmer war, merkte ich mir in meiner<lb/>
Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es ge¬<lb/>
&#x017F;chehen war. Es war ein Donner&#x017F;tag.</p><lb/>
          <p>Am folgenden Abend &#x017F;agte mir der Prinz:<lb/>
&#x201E;Wollen wir nicht einen Gang über den Markus¬<lb/>
platz machen, und un&#x017F;ern geheimnißvollen Arme¬<lb/>
nier auf&#x017F;uchen? Mich verlangt doch nach der Ent¬<lb/>
wickelung die&#x017F;er Komödie.&#x201C; Ich wars zufrieden.<lb/>
Wir blieben bis eilf Uhr auf dem Platz. Der<lb/>
Armenier war nirgends zu &#x017F;ehen. Das nehmliche<lb/>
wiederholten wir die vier folgenden Abende, und je¬<lb/>
desmal mit dem&#x017F;elben &#x017F;chlechten Erfolge.</p><lb/>
          <p>Als wir am &#x017F;ech&#x017F;ten Abend un&#x017F;er Hotel ver¬<lb/>
ließen, hatte ich den Einfall &#x2014; ob unwillkührlich<lb/>
oder aus Ab&#x017F;icht, be&#x017F;inne ich mich nicht mehr &#x2014;<lb/>
den Bedienten zu hinterla&#x017F;&#x017F;en, wo wir zu finden<lb/>
&#x017F;eyn würden, wenn nach uns gefragt werden &#x017F;ollte.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Der<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">A 4<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] Stille. „Laſſen Sie uns ihr nachgehen, ſagte ich, und eine Erklärung fordern.“ Wir durchkrochen alle Winkel des Markus — die Maſke war nicht mehr zu finden. Unbefriedigt kehrten wir nach unſerm Gaſthof zurück. Der Prinz ſagte mir un¬ terwegens nicht ein Wort, ſondern ging ſeitwärts und allein, und ſchien einen gewaltſamen Kampf zu kämpfen, wie er mir auch nachher geſtanden hat. Als wir zu Hauſe waren, öffnete er zum erſtenma¬ le wieder den Mund. „Es iſt doch lächerlich, ſagte er, daß ein Wahnſinniger die Ruhe eines Mannes mit zwey Worten ſo erſchüttern ſoll.“ Wir wünſch¬ ten uns eine gute Nacht, und ſo bald ich auf mei¬ nem Zimmer war, merkte ich mir in meiner Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es ge¬ ſchehen war. Es war ein Donnerſtag. Am folgenden Abend ſagte mir der Prinz: „Wollen wir nicht einen Gang über den Markus¬ platz machen, und unſern geheimnißvollen Arme¬ nier aufſuchen? Mich verlangt doch nach der Ent¬ wickelung dieſer Komödie.“ Ich wars zufrieden. Wir blieben bis eilf Uhr auf dem Platz. Der Armenier war nirgends zu ſehen. Das nehmliche wiederholten wir die vier folgenden Abende, und je¬ desmal mit demſelben ſchlechten Erfolge. Als wir am ſechſten Abend unſer Hotel ver¬ ließen, hatte ich den Einfall — ob unwillkührlich oder aus Abſicht, beſinne ich mich nicht mehr — den Bedienten zu hinterlaſſen, wo wir zu finden ſeyn würden, wenn nach uns gefragt werden ſollte. Der A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/15
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/15>, abgerufen am 24.04.2024.