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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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dem Lebensunterhalt ab. Was ist man dem Ar¬
beiter schuldig, wenn er nicht mehr arbeiten kann,
oder nichts mehr für ihn zu arbeiten seyn wird?
Was dem Menschen, wenn er nicht mehr zu brau¬
chen ist?"

Man wird ihn immer brauchen.

"Auch immer als ein denkendes Wesen?"

Hier unterbrach uns ein Besuch -- und spät
genug, werden Sie denken. Verzeihung, liebster
0***, für diesen ewig langen Brief. Sie woll¬
ten alle Kleinigkeiten des Prinzen erfahren und
darunter kann ich doch wohl auch seine Moralphi¬
losophie rechnen. Ich weiß, der Zustand seines
Geistes ist Ihnen wichtig, und seine Handlungen,
weiß ich, sind Ihnen nur wegen jenes wichtig.
Darum schrieb ich alles auch getreulich nieder, was
mir aus dieser Unterredung im Gedächtniß geblie¬
ben ist. Künftig werde ich Sie von einer Neuig¬
keit unterhalten, die Sie wohl schwerlich auf ein
Gespräch, wie das heutige, erwarten dürften.
Leben Sie wohl.


Baron
L 2

dem Lebensunterhalt ab. Was iſt man dem Ar¬
beiter ſchuldig, wenn er nicht mehr arbeiten kann,
oder nichts mehr für ihn zu arbeiten ſeyn wird?
Was dem Menſchen, wenn er nicht mehr zu brau¬
chen iſt?“

Man wird ihn immer brauchen.

„Auch immer als ein denkendes Weſen?“

Hier unterbrach uns ein Beſuch — und ſpät
genug, werden Sie denken. Verzeihung, liebſter
0***, für dieſen ewig langen Brief. Sie woll¬
ten alle Kleinigkeiten des Prinzen erfahren und
darunter kann ich doch wohl auch ſeine Moralphi¬
loſophie rechnen. Ich weiß, der Zuſtand ſeines
Geiſtes iſt Ihnen wichtig, und ſeine Handlungen,
weiß ich, ſind Ihnen nur wegen jenes wichtig.
Darum ſchrieb ich alles auch getreulich nieder, was
mir aus dieſer Unterredung im Gedächtniß geblie¬
ben iſt. Künftig werde ich Sie von einer Neuig¬
keit unterhalten, die Sie wohl ſchwerlich auf ein
Geſpräch, wie das heutige, erwarten dürften.
Leben Sie wohl.


Baron
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[163/0171] dem Lebensunterhalt ab. Was iſt man dem Ar¬ beiter ſchuldig, wenn er nicht mehr arbeiten kann, oder nichts mehr für ihn zu arbeiten ſeyn wird? Was dem Menſchen, wenn er nicht mehr zu brau¬ chen iſt?“ Man wird ihn immer brauchen. „Auch immer als ein denkendes Weſen?“ Hier unterbrach uns ein Beſuch — und ſpät genug, werden Sie denken. Verzeihung, liebſter 0***, für dieſen ewig langen Brief. Sie woll¬ ten alle Kleinigkeiten des Prinzen erfahren und darunter kann ich doch wohl auch ſeine Moralphi¬ loſophie rechnen. Ich weiß, der Zuſtand ſeines Geiſtes iſt Ihnen wichtig, und ſeine Handlungen, weiß ich, ſind Ihnen nur wegen jenes wichtig. Darum ſchrieb ich alles auch getreulich nieder, was mir aus dieſer Unterredung im Gedächtniß geblie¬ ben iſt. Künftig werde ich Sie von einer Neuig¬ keit unterhalten, die Sie wohl ſchwerlich auf ein Geſpräch, wie das heutige, erwarten dürften. Leben Sie wohl. Baron L 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/171>, abgerufen am 29.03.2024.