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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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haben? -- Um so weniger glaubte ich nach dieser
Entdeckung anstehen zu dürfen, ihm das Anerbie¬
ten des Marchese zu offenbaren -- welches zu mei¬
ner nicht geringen Verwunderung ohne alle Schwie¬
rigkeit angenommen wurde. Er gab mir Voll¬
macht, diese Sache mit dem Marchese auf die Art,
welche ich für die beste hielt, abzuthun, und dann
sogleich mit dem Wucherer aufzuheben. An seine
Schwester sollte unverzüglich geschrieben werden.

Es war Morgen, als wir aus einander gingen.
So unangenehm mir dieser Vorfall aus mehr als
Einer Ursache ist und seyn muß, so ist doch das
allerverdrüßlichste daran, daß er unsern Aufent¬
halt in Venedig zu verlängern droht: Von dieser
anfangenden Leidenschaft erwarte ich vielmehr gutes
als schlimmes. Sie ist vielleicht das kräftigste
Mittel, den Prinzen von seinen metaphysischen
Träumereyen wieder zur ordinären Menschheit herab
zu ziehen: sie wird die gewöhnliche Krise haben,
und, wie eine künstliche Krankheit, auch die alte
mit sich hinweg nehmen.

Leben Sie wohl, liebster Freund. Ich habe
Ihnen alles dieß nach frischer That hingeschrieben.
Die Post geht sogleich; sie werden diesen Brief mit
dem vorhergehenden an Einem Tage erhalten.


Baron

haben? — Um ſo weniger glaubte ich nach dieſer
Entdeckung anſtehen zu dürfen, ihm das Anerbie¬
ten des Marcheſe zu offenbaren — welches zu mei¬
ner nicht geringen Verwunderung ohne alle Schwie¬
rigkeit angenommen wurde. Er gab mir Voll¬
macht, dieſe Sache mit dem Marcheſe auf die Art,
welche ich für die beſte hielt, abzuthun, und dann
ſogleich mit dem Wucherer aufzuheben. An ſeine
Schweſter ſollte unverzüglich geſchrieben werden.

Es war Morgen, als wir aus einander gingen.
So unangenehm mir dieſer Vorfall aus mehr als
Einer Urſache iſt und ſeyn muß, ſo iſt doch das
allerverdrüßlichſte daran, daß er unſern Aufent¬
halt in Venedig zu verlängern droht: Von dieſer
anfangenden Leidenſchaft erwarte ich vielmehr gutes
als ſchlimmes. Sie iſt vielleicht das kräftigſte
Mittel, den Prinzen von ſeinen metaphyſiſchen
Träumereyen wieder zur ordinären Menſchheit herab
zu ziehen: ſie wird die gewöhnliche Kriſe haben,
und, wie eine künſtliche Krankheit, auch die alte
mit ſich hinweg nehmen.

Leben Sie wohl, liebſter Freund. Ich habe
Ihnen alles dieß nach friſcher That hingeſchrieben.
Die Poſt geht ſogleich; ſie werden dieſen Brief mit
dem vorhergehenden an Einem Tage erhalten.


Baron
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[180/0188] haben? — Um ſo weniger glaubte ich nach dieſer Entdeckung anſtehen zu dürfen, ihm das Anerbie¬ ten des Marcheſe zu offenbaren — welches zu mei¬ ner nicht geringen Verwunderung ohne alle Schwie¬ rigkeit angenommen wurde. Er gab mir Voll¬ macht, dieſe Sache mit dem Marcheſe auf die Art, welche ich für die beſte hielt, abzuthun, und dann ſogleich mit dem Wucherer aufzuheben. An ſeine Schweſter ſollte unverzüglich geſchrieben werden. Es war Morgen, als wir aus einander gingen. So unangenehm mir dieſer Vorfall aus mehr als Einer Urſache iſt und ſeyn muß, ſo iſt doch das allerverdrüßlichſte daran, daß er unſern Aufent¬ halt in Venedig zu verlängern droht: Von dieſer anfangenden Leidenſchaft erwarte ich vielmehr gutes als ſchlimmes. Sie iſt vielleicht das kräftigſte Mittel, den Prinzen von ſeinen metaphyſiſchen Träumereyen wieder zur ordinären Menſchheit herab zu ziehen: ſie wird die gewöhnliche Kriſe haben, und, wie eine künſtliche Krankheit, auch die alte mit ſich hinweg nehmen. Leben Sie wohl, liebſter Freund. Ich habe Ihnen alles dieß nach friſcher That hingeſchrieben. Die Poſt geht ſogleich; ſie werden dieſen Brief mit dem vorhergehenden an Einem Tage erhalten. Baron

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/188>, abgerufen am 28.03.2024.