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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Zweifel zerstreute, und die Decke von meinen Au¬
gen zöge -- Wollen Sie sich dieses große Ver¬
dienst um mich erwerben?"

Was verlangen Sie von mir?" sagte der
Magier mit Bedenken.

"Vor jezt nur eine Probe Ihrer Kunst. Lassen
Sie mich eine Erscheinung sehen."

"Wozu soll das führen?"

"Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekannt¬
schaft urtheilen, ob ich eines höhern Unterrichts
werth bin."

"Ich schätze Sie über alles, durchlauchtigster
Prinz. Eine geheime Gewalt in Ihrem Angesich¬
te, die Sie selbst noch nicht kennen, hat mich
beym ersten Anblick unwiderstehlich an Sie gebun¬
den. Sie sind mächtiger als Sie selbst wissen.
Sie haben unumschränkt über meine ganze Gewalt
zu gebieten -- aber --

"Also lassen Sie mich eine Erscheinung
sehen."

"Aber ich muß erst gewiß seyn, daß Sie diese
Foderung nicht aus Neugierde an mich machen.
Wenn gleich die unsichtbaren Kräfte mir einiger¬
masen zu Willen sind, so ist es unter der heiligen
Bedingung, daß ich meine Gewalt nicht mi߬
brauche."

Meine Absichten sind die reinsten. Ich will
Wahrheit.

Hier verließen sie ihren Platz, und traten zu
einem entfernten Fenster, wo ich sie nicht weiter
hören konnte. Der Engländer, der diese Unter¬

redung

Zweifel zerſtreute, und die Decke von meinen Au¬
gen zöge — Wollen Sie ſich dieſes große Ver¬
dienſt um mich erwerben?“

Was verlangen Sie von mir?“ ſagte der
Magier mit Bedenken.

„Vor jezt nur eine Probe Ihrer Kunſt. Laſſen
Sie mich eine Erſcheinung ſehen.“

„Wozu ſoll das führen?“

„Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekannt¬
ſchaft urtheilen, ob ich eines höhern Unterrichts
werth bin.“

„Ich ſchätze Sie über alles, durchlauchtigſter
Prinz. Eine geheime Gewalt in Ihrem Angeſich¬
te, die Sie ſelbſt noch nicht kennen, hat mich
beym erſten Anblick unwiderſtehlich an Sie gebun¬
den. Sie ſind mächtiger als Sie ſelbſt wiſſen.
Sie haben unumſchränkt über meine ganze Gewalt
zu gebieten — aber —

„Alſo laſſen Sie mich eine Erſcheinung
ſehen.“

„Aber ich muß erſt gewiß ſeyn, daß Sie dieſe
Foderung nicht aus Neugierde an mich machen.
Wenn gleich die unſichtbaren Kräfte mir einiger¬
maſen zu Willen ſind, ſo iſt es unter der heiligen
Bedingung, daß ich meine Gewalt nicht mi߬
brauche.“

Meine Abſichten ſind die reinſten. Ich will
Wahrheit.

Hier verließen ſie ihren Platz, und traten zu
einem entfernten Fenſter, wo ich ſie nicht weiter
hören konnte. Der Engländer, der dieſe Unter¬

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[22/0030] Zweifel zerſtreute, und die Decke von meinen Au¬ gen zöge — Wollen Sie ſich dieſes große Ver¬ dienſt um mich erwerben?“ Was verlangen Sie von mir?“ ſagte der Magier mit Bedenken. „Vor jezt nur eine Probe Ihrer Kunſt. Laſſen Sie mich eine Erſcheinung ſehen.“ „Wozu ſoll das führen?“ „Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekannt¬ ſchaft urtheilen, ob ich eines höhern Unterrichts werth bin.“ „Ich ſchätze Sie über alles, durchlauchtigſter Prinz. Eine geheime Gewalt in Ihrem Angeſich¬ te, die Sie ſelbſt noch nicht kennen, hat mich beym erſten Anblick unwiderſtehlich an Sie gebun¬ den. Sie ſind mächtiger als Sie ſelbſt wiſſen. Sie haben unumſchränkt über meine ganze Gewalt zu gebieten — aber — „Alſo laſſen Sie mich eine Erſcheinung ſehen.“ „Aber ich muß erſt gewiß ſeyn, daß Sie dieſe Foderung nicht aus Neugierde an mich machen. Wenn gleich die unſichtbaren Kräfte mir einiger¬ maſen zu Willen ſind, ſo iſt es unter der heiligen Bedingung, daß ich meine Gewalt nicht mi߬ brauche.“ Meine Abſichten ſind die reinſten. Ich will Wahrheit. Hier verließen ſie ihren Platz, und traten zu einem entfernten Fenſter, wo ich ſie nicht weiter hören konnte. Der Engländer, der dieſe Unter¬ redung

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/30>, abgerufen am 19.04.2024.