Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

quis in Emaille war, und die er bey der Tafel ne¬
ben sich hatte liegen gehabt.)

"Ich verlange es nicht zu wissen -- -- lassen
Sie mich allein. Sie sollen den Verstorbenen
sehen."

Wir wurden gebeten, uns so lange in den an¬
dern Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde.
Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räu¬
men, die Fenster ausheben, und die Läden auf das
genaueste verschließen. Dem Wirth, mit dem er
schon vertraut zu seyn schien, befahl er, ein Gefäß
mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer
im Hause sorgfältig, mit Wasser zu löschen. Ehe
wir weggingen, nahm er von jedem insbesondere
das Ehrenwort, ein ewiges Stillschweigen über
das zu beobachten, was wir sehen und hören wür¬
den. Hinter uns wurden alle Zimmer auf diesem
Pavillon verriegelt.

Es war nach eilf Uhr, und eine Todtenstille
herrschte im ganzen Hause. Beym hinausgehen
fragte mich der Russe, ob wir geladene Pistolen
bey uns hätten? -- "Wozu?" sagte ich - - "Es
ist auf alle Fälle," versetzte er. "Warten Sie ei¬
nen Augenblick, ich will mich darnach umsehen."
Er entfernte sich. Der Baron von F** und ich
öffneten ein Fenster, das jenem Pavillon gegenüber
sah, und es kam uns vor, als hörten wir zwey
Menschen zusammen flüstern, und ein Geräusch,
als ob man eine Leiter anlegte. Doch war das
nur eine Muthmaßung, und ich getraute mir nicht,
sie für wahr auszugeben. Der Russe kam mit ei¬

nem

quis in Emaille war, und die er bey der Tafel ne¬
ben ſich hatte liegen gehabt.)

„Ich verlange es nicht zu wiſſen — — laſſen
Sie mich allein. Sie ſollen den Verſtorbenen
ſehen.“

Wir wurden gebeten, uns ſo lange in den an¬
dern Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde.
Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räu¬
men, die Fenſter ausheben, und die Läden auf das
genaueſte verſchließen. Dem Wirth, mit dem er
ſchon vertraut zu ſeyn ſchien, befahl er, ein Gefäß
mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer
im Hauſe ſorgfältig, mit Waſſer zu löſchen. Ehe
wir weggingen, nahm er von jedem insbeſondere
das Ehrenwort, ein ewiges Stillſchweigen über
das zu beobachten, was wir ſehen und hören wür¬
den. Hinter uns wurden alle Zimmer auf dieſem
Pavillon verriegelt.

Es war nach eilf Uhr, und eine Todtenſtille
herrſchte im ganzen Hauſe. Beym hinausgehen
fragte mich der Ruſſe, ob wir geladene Piſtolen
bey uns hätten? — „Wozu?“ ſagte ich - - „Es
iſt auf alle Fälle,“ verſetzte er. „Warten Sie ei¬
nen Augenblick, ich will mich darnach umſehen.“
Er entfernte ſich. Der Baron von F** und ich
öffneten ein Fenſter, das jenem Pavillon gegenüber
ſah, und es kam uns vor, als hörten wir zwey
Menſchen zuſammen flüſtern, und ein Geräuſch,
als ob man eine Leiter anlegte. Doch war das
nur eine Muthmaßung, und ich getraute mir nicht,
ſie für wahr auszugeben. Der Ruſſe kam mit ei¬

nem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="26"/>
quis in Emaille war, und die er bey der Tafel ne¬<lb/>
ben &#x017F;ich hatte liegen gehabt.)</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich verlange es nicht zu wi&#x017F;&#x017F;en &#x2014; &#x2014; la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie mich allein. Sie &#x017F;ollen den Ver&#x017F;torbenen<lb/>
&#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir wurden gebeten, uns &#x017F;o lange in den an¬<lb/>
dern Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde.<lb/>
Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räu¬<lb/>
men, die Fen&#x017F;ter ausheben, und die Läden auf das<lb/>
genaue&#x017F;te ver&#x017F;chließen. Dem Wirth, mit dem er<lb/>
&#x017F;chon vertraut zu &#x017F;eyn &#x017F;chien, befahl er, ein Gefäß<lb/>
mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer<lb/>
im Hau&#x017F;e &#x017F;orgfältig, mit Wa&#x017F;&#x017F;er zu lö&#x017F;chen. Ehe<lb/>
wir weggingen, nahm er von jedem insbe&#x017F;ondere<lb/>
das Ehrenwort, ein ewiges Still&#x017F;chweigen über<lb/>
das zu beobachten, was wir &#x017F;ehen und hören wür¬<lb/>
den. Hinter uns wurden alle Zimmer auf die&#x017F;em<lb/>
Pavillon verriegelt.</p><lb/>
          <p>Es war nach eilf Uhr, und eine Todten&#x017F;tille<lb/>
herr&#x017F;chte im ganzen Hau&#x017F;e. Beym hinausgehen<lb/>
fragte mich der Ru&#x017F;&#x017F;e, ob wir geladene Pi&#x017F;tolen<lb/>
bey uns hätten? &#x2014; &#x201E;Wozu?&#x201C; &#x017F;agte ich - - &#x201E;Es<lb/>
i&#x017F;t auf alle Fälle,&#x201C; ver&#x017F;etzte er. &#x201E;Warten Sie ei¬<lb/>
nen Augenblick, ich will mich darnach um&#x017F;ehen.&#x201C;<lb/>
Er entfernte &#x017F;ich. Der Baron von F** und ich<lb/>
öffneten ein Fen&#x017F;ter, das jenem Pavillon gegenüber<lb/>
&#x017F;ah, und es kam uns vor, als hörten wir zwey<lb/>
Men&#x017F;chen zu&#x017F;ammen flü&#x017F;tern, und ein Geräu&#x017F;ch,<lb/>
als ob man eine Leiter anlegte. Doch war das<lb/>
nur eine Muthmaßung, und ich getraute mir nicht,<lb/>
&#x017F;ie für wahr auszugeben. Der Ru&#x017F;&#x017F;e kam mit ei¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nem<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0034] quis in Emaille war, und die er bey der Tafel ne¬ ben ſich hatte liegen gehabt.) „Ich verlange es nicht zu wiſſen — — laſſen Sie mich allein. Sie ſollen den Verſtorbenen ſehen.“ Wir wurden gebeten, uns ſo lange in den an¬ dern Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde. Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räu¬ men, die Fenſter ausheben, und die Läden auf das genaueſte verſchließen. Dem Wirth, mit dem er ſchon vertraut zu ſeyn ſchien, befahl er, ein Gefäß mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer im Hauſe ſorgfältig, mit Waſſer zu löſchen. Ehe wir weggingen, nahm er von jedem insbeſondere das Ehrenwort, ein ewiges Stillſchweigen über das zu beobachten, was wir ſehen und hören wür¬ den. Hinter uns wurden alle Zimmer auf dieſem Pavillon verriegelt. Es war nach eilf Uhr, und eine Todtenſtille herrſchte im ganzen Hauſe. Beym hinausgehen fragte mich der Ruſſe, ob wir geladene Piſtolen bey uns hätten? — „Wozu?“ ſagte ich - - „Es iſt auf alle Fälle,“ verſetzte er. „Warten Sie ei¬ nen Augenblick, ich will mich darnach umſehen.“ Er entfernte ſich. Der Baron von F** und ich öffneten ein Fenſter, das jenem Pavillon gegenüber ſah, und es kam uns vor, als hörten wir zwey Menſchen zuſammen flüſtern, und ein Geräuſch, als ob man eine Leiter anlegte. Doch war das nur eine Muthmaßung, und ich getraute mir nicht, ſie für wahr auszugeben. Der Ruſſe kam mit ei¬ nem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/34
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/34>, abgerufen am 18.04.2024.