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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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von dem Ausschlag eines zwölfjährigen Kampfes zu kreißen. Europens Augen heften sich mit Furcht und Neugier auf diesen wichtigen Schauplaz, und das geängstigte Nürnberg erwartet schon, einer noch entscheidendern Feldschlacht, als sie bey Leipzig geliefert ward, den Namen zu geben. Auf einmal bricht sich das Gewölke, das Kriegs-Gewitter verschwindet aus Franken, um sich in Sachsens Ebenen desto schrecklicher zu entladen. Ohnweit Lüzen fällt der Donner nieder, der Nürnberg bedrohte, und die schon halb verlorne Schlacht wird durch den königlichen Leichnam gewonnen. Das Glück, das ihn auf seinem ganzen Laufe nie verlassen hatte, begnadigte den König auch im Tode noch mit der seltenen Gunst, in der Fülle seines Ruhms und in der Reinigkeit seines Namens zu sterben. Durch einen zeitigen Tod flüchtete ihn sein schüzender Genius vor dem unvermeidlichen Schicksal der Menschheit, auf der Höhe des Glücks die Bescheidenheit, in der Fülle der Macht die Gerechtigkeit zu verlernen. Es ist uns erlaubt zu zweifeln, ob er bey längerm Leben die Thränen verdient hätte, welche Deutschland an seinem Grabe weinte, die Bewunderung verdient hätte, welche die Nachwelt dem ersten und einzigen gerechten Eroberer zollt. Bey dem frühen Fall ihres großen Führers fürchtet man den Untergang der ganzen Partey - aber der weltregirenden Macht ist kein einzelner Mann unersezlich. Zwey große Staatsmänner, Axel Oxenstierna in Deutschland, und in Frankreich Richelieu, übernehmen das Steuer des Krieges, das dem sterbenden Helden entfällt; über ihm hinweg wandelt das unempfindliche Schicksal, und noch sechzehn volle Jahre lodert die Kriegsflamme über dem Staube des längst Vergessenen.

Man erlaube mir, in einer kurzen Uebersicht den siegreichen Marsch Gustav Adolphs zu verfolgen, den ganzen Schauplaz, auf welchem Er allein handelnder Held ist, mit schnellen Blicken zu durcheilen, und dann erst, wenn, durch das Glück der Schweden aufs

von dem Ausschlag eines zwölfjährigen Kampfes zu kreißen. Europens Augen heften sich mit Furcht und Neugier auf diesen wichtigen Schauplaz, und das geängstigte Nürnberg erwartet schon, einer noch entscheidendern Feldschlacht, als sie bey Leipzig geliefert ward, den Namen zu geben. Auf einmal bricht sich das Gewölke, das Kriegs-Gewitter verschwindet aus Franken, um sich in Sachsens Ebenen desto schrecklicher zu entladen. Ohnweit Lüzen fällt der Donner nieder, der Nürnberg bedrohte, und die schon halb verlorne Schlacht wird durch den königlichen Leichnam gewonnen. Das Glück, das ihn auf seinem ganzen Laufe nie verlassen hatte, begnadigte den König auch im Tode noch mit der seltenen Gunst, in der Fülle seines Ruhms und in der Reinigkeit seines Namens zu sterben. Durch einen zeitigen Tod flüchtete ihn sein schüzender Genius vor dem unvermeidlichen Schicksal der Menschheit, auf der Höhe des Glücks die Bescheidenheit, in der Fülle der Macht die Gerechtigkeit zu verlernen. Es ist uns erlaubt zu zweifeln, ob er bey längerm Leben die Thränen verdient hätte, welche Deutschland an seinem Grabe weinte, die Bewunderung verdient hätte, welche die Nachwelt dem ersten und einzigen gerechten Eroberer zollt. Bey dem frühen Fall ihres großen Führers fürchtet man den Untergang der ganzen Partey – aber der weltregirenden Macht ist kein einzelner Mann unersezlich. Zwey große Staatsmänner, Axel Oxenstierna in Deutschland, und in Frankreich Richelieu, übernehmen das Steuer des Krieges, das dem sterbenden Helden entfällt; über ihm hinweg wandelt das unempfindliche Schicksal, und noch sechzehn volle Jahre lodert die Kriegsflamme über dem Staube des längst Vergessenen.

Man erlaube mir, in einer kurzen Uebersicht den siegreichen Marsch Gustav Adolphs zu verfolgen, den ganzen Schauplaz, auf welchem Er allein handelnder Held ist, mit schnellen Blicken zu durcheilen, und dann erst, wenn, durch das Glück der Schweden aufs

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[236/0244] von dem Ausschlag eines zwölfjährigen Kampfes zu kreißen. Europens Augen heften sich mit Furcht und Neugier auf diesen wichtigen Schauplaz, und das geängstigte Nürnberg erwartet schon, einer noch entscheidendern Feldschlacht, als sie bey Leipzig geliefert ward, den Namen zu geben. Auf einmal bricht sich das Gewölke, das Kriegs-Gewitter verschwindet aus Franken, um sich in Sachsens Ebenen desto schrecklicher zu entladen. Ohnweit Lüzen fällt der Donner nieder, der Nürnberg bedrohte, und die schon halb verlorne Schlacht wird durch den königlichen Leichnam gewonnen. Das Glück, das ihn auf seinem ganzen Laufe nie verlassen hatte, begnadigte den König auch im Tode noch mit der seltenen Gunst, in der Fülle seines Ruhms und in der Reinigkeit seines Namens zu sterben. Durch einen zeitigen Tod flüchtete ihn sein schüzender Genius vor dem unvermeidlichen Schicksal der Menschheit, auf der Höhe des Glücks die Bescheidenheit, in der Fülle der Macht die Gerechtigkeit zu verlernen. Es ist uns erlaubt zu zweifeln, ob er bey längerm Leben die Thränen verdient hätte, welche Deutschland an seinem Grabe weinte, die Bewunderung verdient hätte, welche die Nachwelt dem ersten und einzigen gerechten Eroberer zollt. Bey dem frühen Fall ihres großen Führers fürchtet man den Untergang der ganzen Partey – aber der weltregirenden Macht ist kein einzelner Mann unersezlich. Zwey große Staatsmänner, Axel Oxenstierna in Deutschland, und in Frankreich Richelieu, übernehmen das Steuer des Krieges, das dem sterbenden Helden entfällt; über ihm hinweg wandelt das unempfindliche Schicksal, und noch sechzehn volle Jahre lodert die Kriegsflamme über dem Staube des längst Vergessenen. Man erlaube mir, in einer kurzen Uebersicht den siegreichen Marsch Gustav Adolphs zu verfolgen, den ganzen Schauplaz, auf welchem Er allein handelnder Held ist, mit schnellen Blicken zu durcheilen, und dann erst, wenn, durch das Glück der Schweden aufs

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/244>, abgerufen am 28.03.2024.