Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Hofft es von dieser schmeichlerischen Stuart,
Der jüngern Königin, glücklichere Tage,
So steig' ich gern von diesem Thron und kehre
In Woodstocks stille Einsamkeit zurück,
Wo meine anspruchlose Jugend lebte,
Wo ich, vom Tand der Erdengröße fern,
Die Hoheit in mir selber fand -- Bin ich
Zur Herrscherin doch nicht gemacht! Der Herrscher
Muß hart seyn können, und mein Herz ist weich.
Ich habe diese Insel lange glücklich
Regiert, weil ich nur brauchte zu beglücken.
Es kommt die erste schwere Königspflicht,
Und ich empfinde meine Ohnmacht --

Burleigh.
Nun bei Gott!
Wenn ich so ganz unkönigliche Worte
Aus meiner Königin Mund vernehmen muß,
So wärs Verrath an meiner Pflicht, Verrath
Am Vaterlande, länger still zu schweigen.
-- Du sagst, du liebst dein Volk, mehr als dich selbst,
Das zeige jetzt! Erwähle nicht den Frieden
Für dich und überlaß das Reich den Stürmen.
-- Denk an die Kirche! Soll mit dieser Stuart
Der alte Aberglaube wiederkehren?
Der Mönch aufs neu hier herrschen, der Legat
Aus Rom gezogen kommen, unsre Kirchen
Hofft es von dieſer ſchmeichleriſchen Stuart,
Der juͤngern Koͤnigin, gluͤcklichere Tage,
So ſteig' ich gern von dieſem Thron und kehre
In Woodſtocks ſtille Einſamkeit zuruͤck,
Wo meine anſpruchloſe Jugend lebte,
Wo ich, vom Tand der Erdengroͤße fern,
Die Hoheit in mir ſelber fand — Bin ich
Zur Herrſcherin doch nicht gemacht! Der Herrſcher
Muß hart ſeyn koͤnnen, und mein Herz iſt weich.
Ich habe dieſe Inſel lange gluͤcklich
Regiert, weil ich nur brauchte zu begluͤcken.
Es kommt die erſte ſchwere Koͤnigspflicht,
Und ich empfinde meine Ohnmacht —

Burleigh.
Nun bei Gott!
Wenn ich ſo ganz unkoͤnigliche Worte
Aus meiner Koͤnigin Mund vernehmen muß,
So waͤrs Verrath an meiner Pflicht, Verrath
Am Vaterlande, laͤnger ſtill zu ſchweigen.
— Du ſagſt, du liebſt dein Volk, mehr als dich ſelbſt,
Das zeige jetzt! Erwaͤhle nicht den Frieden
Fuͤr dich und uͤberlaß das Reich den Stuͤrmen.
— Denk an die Kirche! Soll mit dieſer Stuart
Der alte Aberglaube wiederkehren?
Der Moͤnch aufs neu hier herrſchen, der Legat
Aus Rom gezogen kommen, unſre Kirchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#ELI">
            <p><pb facs="#f0191" n="185"/>
Hofft es von die&#x017F;er &#x017F;chmeichleri&#x017F;chen Stuart,<lb/>
Der ju&#x0364;ngern Ko&#x0364;nigin, glu&#x0364;cklichere Tage,<lb/>
So &#x017F;teig' ich gern von die&#x017F;em Thron und kehre<lb/>
In Wood&#x017F;tocks &#x017F;tille Ein&#x017F;amkeit zuru&#x0364;ck,<lb/>
Wo meine an&#x017F;pruchlo&#x017F;e Jugend lebte,<lb/>
Wo ich, vom Tand der Erdengro&#x0364;ße fern,<lb/>
Die Hoheit in mir &#x017F;elber fand &#x2014; Bin ich<lb/>
Zur Herr&#x017F;cherin doch nicht gemacht! Der Herr&#x017F;cher<lb/>
Muß hart &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, und mein Herz i&#x017F;t weich.<lb/>
Ich habe die&#x017F;e In&#x017F;el lange glu&#x0364;cklich<lb/>
Regiert, weil ich nur brauchte zu beglu&#x0364;cken.<lb/>
Es kommt die er&#x017F;te &#x017F;chwere Ko&#x0364;nigspflicht,<lb/>
Und ich empfinde meine Ohnmacht &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#BURL">
            <speaker><hi rendition="#g">Burleigh</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nun bei Gott!<lb/>
Wenn ich &#x017F;o ganz unko&#x0364;nigliche Worte<lb/>
Aus meiner Ko&#x0364;nigin Mund vernehmen muß,<lb/>
So wa&#x0364;rs Verrath an meiner Pflicht, Verrath<lb/>
Am Vaterlande, la&#x0364;nger &#x017F;till zu &#x017F;chweigen.<lb/>
&#x2014; Du &#x017F;ag&#x017F;t, du lieb&#x017F;t dein Volk, mehr als dich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
Das zeige jetzt! Erwa&#x0364;hle nicht den Frieden<lb/>
Fu&#x0364;r <hi rendition="#g">dich</hi> und u&#x0364;berlaß das Reich den Stu&#x0364;rmen.<lb/>
&#x2014; Denk an die Kirche! Soll mit die&#x017F;er Stuart<lb/>
Der alte Aberglaube wiederkehren?<lb/>
Der Mo&#x0364;nch aufs neu hier herr&#x017F;chen, der Legat<lb/>
Aus Rom gezogen kommen, un&#x017F;re Kirchen<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0191] Hofft es von dieſer ſchmeichleriſchen Stuart, Der juͤngern Koͤnigin, gluͤcklichere Tage, So ſteig' ich gern von dieſem Thron und kehre In Woodſtocks ſtille Einſamkeit zuruͤck, Wo meine anſpruchloſe Jugend lebte, Wo ich, vom Tand der Erdengroͤße fern, Die Hoheit in mir ſelber fand — Bin ich Zur Herrſcherin doch nicht gemacht! Der Herrſcher Muß hart ſeyn koͤnnen, und mein Herz iſt weich. Ich habe dieſe Inſel lange gluͤcklich Regiert, weil ich nur brauchte zu begluͤcken. Es kommt die erſte ſchwere Koͤnigspflicht, Und ich empfinde meine Ohnmacht — Burleigh. Nun bei Gott! Wenn ich ſo ganz unkoͤnigliche Worte Aus meiner Koͤnigin Mund vernehmen muß, So waͤrs Verrath an meiner Pflicht, Verrath Am Vaterlande, laͤnger ſtill zu ſchweigen. — Du ſagſt, du liebſt dein Volk, mehr als dich ſelbſt, Das zeige jetzt! Erwaͤhle nicht den Frieden Fuͤr dich und uͤberlaß das Reich den Stuͤrmen. — Denk an die Kirche! Soll mit dieſer Stuart Der alte Aberglaube wiederkehren? Der Moͤnch aufs neu hier herrſchen, der Legat Aus Rom gezogen kommen, unſre Kirchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/191
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/191>, abgerufen am 20.04.2024.