Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben,
Sie leite mich mit sanfter Hand zum Tod.

Paulet. (zu Burleigh).
Laßt es geschehn.
Burleigh.
Es sey.
Maria.
Nun hab' ich nichts mehr
Auf dieser Welt --
(Sie nimmt das Crucifix, und küßt es.)
Mein Heiland! Mein Erlöser!
Wie du am Kreutz die Arme ausgespannt,
So breite sie jetzt aus, mich zu empfangen.
(Sie wendet sich zu gehen, in diesem Augenblick begegnet ihr
Auge dem Grafen Leicester, der bei ihrem Aufbruch un-
willkührlich aufgefahren, und nach ihr hingesehen -- Bei
diesem Anblick zittert Maria, die Knie versagen ihr, sie
ist im Begriff hinzusinken, da ergreift sie Graf Leicester,
und empfängt sie in seinen Armen. Sie sieht ihn eine
Zeitlang ernst und schweigend an, er kann ihren Blick
nicht aushalten, endlich spricht sie.)

Ihr haltet Wort, Graf Lester -- Ihr verspracht
Mir euren Arm, aus diesem Kerker mich
Zu führen, und ihr leihet mir ihn jetzt!
(Er steht wie vernichtet. Sie fährt mit sanfter Stimme fort.)
Ja, Lester, und nicht bloß
Die Freiheit wollt ich eurer Hand verdanken.
Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben,
Sie leite mich mit ſanfter Hand zum Tod.

Paulet. (zu Burleigh).
Laßt es geſchehn.
Burleigh.
Es ſey.
Maria.
Nun hab' ich nichts mehr
Auf dieſer Welt —
(Sie nimmt das Crucifix, und kuͤßt es.)
Mein Heiland! Mein Erloͤſer!
Wie du am Kreutz die Arme ausgeſpannt,
So breite ſie jetzt aus, mich zu empfangen.
(Sie wendet ſich zu gehen, in dieſem Augenblick begegnet ihr
Auge dem Grafen Leiceſter, der bei ihrem Aufbruch un-
willkuͤhrlich aufgefahren, und nach ihr hingeſehen — Bei
dieſem Anblick zittert Maria, die Knie verſagen ihr, ſie
iſt im Begriff hinzuſinken, da ergreift ſie Graf Leiceſter,
und empfaͤngt ſie in ſeinen Armen. Sie ſieht ihn eine
Zeitlang ernſt und ſchweigend an, er kann ihren Blick
nicht aushalten, endlich ſpricht ſie.)

Ihr haltet Wort, Graf Leſter — Ihr verſpracht
Mir euren Arm, aus dieſem Kerker mich
Zu fuͤhren, und ihr leihet mir ihn jetzt!
(Er ſteht wie vernichtet. Sie faͤhrt mit ſanfter Stimme fort.)
Ja, Leſter, und nicht bloß
Die Freiheit wollt ich eurer Hand verdanken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MARSTUA">
            <p><pb facs="#f0230" n="224"/>
Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben,<lb/>
Sie leite mich mit &#x017F;anfter Hand zum Tod.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#PAU">
            <speaker><hi rendition="#g">Paulet</hi>.</speaker>
            <stage>(zu Burleigh).</stage><lb/>
            <p>Laßt es ge&#x017F;chehn.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#BURL">
            <speaker><hi rendition="#g">Burleigh</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Es &#x017F;ey.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nun hab' ich nichts mehr<lb/>
Auf die&#x017F;er Welt &#x2014;<lb/><stage>(Sie nimmt das Crucifix, und ku&#x0364;ßt es.)</stage><lb/>
Mein Heiland! Mein Erlo&#x0364;&#x017F;er!<lb/>
Wie du am Kreutz die Arme ausge&#x017F;pannt,<lb/>
So breite &#x017F;ie jetzt aus, mich zu empfangen.<lb/><stage>(Sie wendet &#x017F;ich zu gehen, in die&#x017F;em Augenblick begegnet ihr<lb/>
Auge dem Grafen Leice&#x017F;ter, der bei ihrem Aufbruch un-<lb/>
willku&#x0364;hrlich aufgefahren, und nach ihr hinge&#x017F;ehen &#x2014; Bei<lb/>
die&#x017F;em Anblick zittert Maria, die Knie ver&#x017F;agen ihr, &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t im Begriff hinzu&#x017F;inken, da ergreift &#x017F;ie Graf Leice&#x017F;ter,<lb/>
und empfa&#x0364;ngt &#x017F;ie in &#x017F;einen Armen. Sie &#x017F;ieht ihn eine<lb/>
Zeitlang ern&#x017F;t und &#x017F;chweigend an, er kann ihren Blick<lb/>
nicht aushalten, endlich &#x017F;pricht &#x017F;ie.)</stage><lb/>
Ihr haltet Wort, Graf Le&#x017F;ter &#x2014; Ihr ver&#x017F;pracht<lb/>
Mir euren <hi rendition="#g">Arm</hi>, aus die&#x017F;em Kerker mich<lb/>
Zu fu&#x0364;hren, und ihr leihet mir ihn jetzt!<lb/><stage>(Er &#x017F;teht wie vernichtet. Sie fa&#x0364;hrt mit &#x017F;anfter Stimme fort.)</stage><lb/>
Ja, Le&#x017F;ter, und nicht bloß<lb/>
Die Freiheit wollt ich eurer Hand verdanken.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0230] Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben, Sie leite mich mit ſanfter Hand zum Tod. Paulet. (zu Burleigh). Laßt es geſchehn. Burleigh. Es ſey. Maria. Nun hab' ich nichts mehr Auf dieſer Welt — (Sie nimmt das Crucifix, und kuͤßt es.) Mein Heiland! Mein Erloͤſer! Wie du am Kreutz die Arme ausgeſpannt, So breite ſie jetzt aus, mich zu empfangen. (Sie wendet ſich zu gehen, in dieſem Augenblick begegnet ihr Auge dem Grafen Leiceſter, der bei ihrem Aufbruch un- willkuͤhrlich aufgefahren, und nach ihr hingeſehen — Bei dieſem Anblick zittert Maria, die Knie verſagen ihr, ſie iſt im Begriff hinzuſinken, da ergreift ſie Graf Leiceſter, und empfaͤngt ſie in ſeinen Armen. Sie ſieht ihn eine Zeitlang ernſt und ſchweigend an, er kann ihren Blick nicht aushalten, endlich ſpricht ſie.) Ihr haltet Wort, Graf Leſter — Ihr verſpracht Mir euren Arm, aus dieſem Kerker mich Zu fuͤhren, und ihr leihet mir ihn jetzt! (Er ſteht wie vernichtet. Sie faͤhrt mit ſanfter Stimme fort.) Ja, Leſter, und nicht bloß Die Freiheit wollt ich eurer Hand verdanken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/230
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/230>, abgerufen am 19.04.2024.