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Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.

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ein Trauerspiel.
Zweyter Aufzug.
Erster Auftritt.

Canut, Godewin.

Canut.
So glaubst du, daß in ihr die Zärtlichkeit sich rühre?
Daß nicht ihr Unglück bloß sie wieder zu mir führe,
Daß ihre Wiederkunft nicht bloß erzwungne Reu,
Sie selbst mir noch geneigt und noch Estrithe sey.
Jhr Herz war nicht gemacht, den Bruder stets zu
hassen;
Die Tugend konnte sie auf immer nicht verlassen.
Ein Geist, der denkt und fühlt, der irrt nur kurze Zeit.
Dieß hofft ich.
Godewin.
Herr, für dich ist sie voll Zärtlichkeit.
Canut.
Doch sage Godewin, wie hat sie dich empfangen?
Stieg ihr kein wallend Roth auf die beschämten
Wangen?
Vermied nicht deinen Blick ihr schüchternes Gesicht?
Verwies sie nicht sich selbst die dir gebrochne Pflicht?
Hat sie, nachdem sie sich von dir auf stets entzweyet,
Was sie nicht ändern kann, nicht wenigstens gereuet?
Und hat ihr nicht ihr Herz, das sich zur Tugend neigt,
Jhr Unrecht gegen dich, wie gegen mich gezeigt.

Gode-
ein Trauerſpiel.
Zweyter Aufzug.
Erſter Auftritt.

Canut, Godewin.

Canut.
So glaubſt du, daß in ihr die Zaͤrtlichkeit ſich ruͤhre?
Daß nicht ihr Ungluͤck bloß ſie wieder zu mir fuͤhre,
Daß ihre Wiederkunft nicht bloß erzwungne Reu,
Sie ſelbſt mir noch geneigt und noch Eſtrithe ſey.
Jhr Herz war nicht gemacht, den Bruder ſtets zu
haſſen;
Die Tugend konnte ſie auf immer nicht verlaſſen.
Ein Geiſt, der denkt und fuͤhlt, der irrt nur kurze Zeit.
Dieß hofft ich.
Godewin.
Herr, fuͤr dich iſt ſie voll Zaͤrtlichkeit.
Canut.
Doch ſage Godewin, wie hat ſie dich empfangen?
Stieg ihr kein wallend Roth auf die beſchaͤmten
Wangen?
Vermied nicht deinen Blick ihr ſchuͤchternes Geſicht?
Verwies ſie nicht ſich ſelbſt die dir gebrochne Pflicht?
Hat ſie, nachdem ſie ſich von dir auf ſtets entzweyet,
Was ſie nicht aͤndern kann, nicht wenigſtens gereuet?
Und hat ihr nicht ihr Herz, das ſich zur Tugend neigt,
Jhr Unrecht gegen dich, wie gegen mich gezeigt.

Gode-
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[15/0029] ein Trauerſpiel. Zweyter Aufzug. Erſter Auftritt. Canut, Godewin. Canut. So glaubſt du, daß in ihr die Zaͤrtlichkeit ſich ruͤhre? Daß nicht ihr Ungluͤck bloß ſie wieder zu mir fuͤhre, Daß ihre Wiederkunft nicht bloß erzwungne Reu, Sie ſelbſt mir noch geneigt und noch Eſtrithe ſey. Jhr Herz war nicht gemacht, den Bruder ſtets zu haſſen; Die Tugend konnte ſie auf immer nicht verlaſſen. Ein Geiſt, der denkt und fuͤhlt, der irrt nur kurze Zeit. Dieß hofft ich. Godewin. Herr, fuͤr dich iſt ſie voll Zaͤrtlichkeit. Canut. Doch ſage Godewin, wie hat ſie dich empfangen? Stieg ihr kein wallend Roth auf die beſchaͤmten Wangen? Vermied nicht deinen Blick ihr ſchuͤchternes Geſicht? Verwies ſie nicht ſich ſelbſt die dir gebrochne Pflicht? Hat ſie, nachdem ſie ſich von dir auf ſtets entzweyet, Was ſie nicht aͤndern kann, nicht wenigſtens gereuet? Und hat ihr nicht ihr Herz, das ſich zur Tugend neigt, Jhr Unrecht gegen dich, wie gegen mich gezeigt. Gode-

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Zitationshilfe: Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746/29>, abgerufen am 23.04.2024.