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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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und wie ganz verschieden vom Arabischen ist der
des Persischen geblieben! Ich rede auch von sol-
chen Einmischungen, die noch älter und selbst der
Form nach noch mehr verschmolzen sind, weil sie
in eine Zeit trafen, da die Sprache noch jugend-
lich, bildsamer, aneignender und produktiver war,
und daher dem ersten Blicke nicht so sichtbar
sind, als der Analyse.

Sie sind oft auch für Geschichte wich-
tig; so wie Geschichte wieder zum Leitfaden die-
nen kann, sie an dem rechten Orte zu suchen,
und aus der wahren Quelle zu erklären. Fin-
den wir nun zum Beispiel im Griechischen weit
mehr arabische Wurzeln, als man anfangs glau-
ben möchte, da die große Verschiedenheit in
Structur und Charakter der beiden Sprachen
diese Uebereinstimmung dem ersten Blicke sehr
verhüllt, so ist dieß nicht mehr als sich ohnehin
erwarten ließ, nach dem vielfachen Verkehr der
Griechen und Phönicier. Im Römischen müßte
man, der Geschichte von den ältesten Bewohnern
Italiens zu Folge, mehr Einmischung von celti-
schen und cantabrischen Wurzeln vermuthen. Die
nahe Verwandtschaft des Deutschen mit dem

und wie ganz verſchieden vom Arabiſchen iſt der
des Perſiſchen geblieben! Ich rede auch von ſol-
chen Einmiſchungen, die noch aͤlter und ſelbſt der
Form nach noch mehr verſchmolzen ſind, weil ſie
in eine Zeit trafen, da die Sprache noch jugend-
lich, bildſamer, aneignender und produktiver war,
und daher dem erſten Blicke nicht ſo ſichtbar
ſind, als der Analyſe.

Sie ſind oft auch fuͤr Geſchichte wich-
tig; ſo wie Geſchichte wieder zum Leitfaden die-
nen kann, ſie an dem rechten Orte zu ſuchen,
und aus der wahren Quelle zu erklaͤren. Fin-
den wir nun zum Beiſpiel im Griechiſchen weit
mehr arabiſche Wurzeln, als man anfangs glau-
ben moͤchte, da die große Verſchiedenheit in
Structur und Charakter der beiden Sprachen
dieſe Uebereinſtimmung dem erſten Blicke ſehr
verhuͤllt, ſo iſt dieß nicht mehr als ſich ohnehin
erwarten ließ, nach dem vielfachen Verkehr der
Griechen und Phoͤnicier. Im Roͤmiſchen muͤßte
man, der Geſchichte von den aͤlteſten Bewohnern
Italiens zu Folge, mehr Einmiſchung von celti-
ſchen und cantabriſchen Wurzeln vermuthen. Die
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[74/0093] und wie ganz verſchieden vom Arabiſchen iſt der des Perſiſchen geblieben! Ich rede auch von ſol- chen Einmiſchungen, die noch aͤlter und ſelbſt der Form nach noch mehr verſchmolzen ſind, weil ſie in eine Zeit trafen, da die Sprache noch jugend- lich, bildſamer, aneignender und produktiver war, und daher dem erſten Blicke nicht ſo ſichtbar ſind, als der Analyſe. Sie ſind oft auch fuͤr Geſchichte wich- tig; ſo wie Geſchichte wieder zum Leitfaden die- nen kann, ſie an dem rechten Orte zu ſuchen, und aus der wahren Quelle zu erklaͤren. Fin- den wir nun zum Beiſpiel im Griechiſchen weit mehr arabiſche Wurzeln, als man anfangs glau- ben moͤchte, da die große Verſchiedenheit in Structur und Charakter der beiden Sprachen dieſe Uebereinſtimmung dem erſten Blicke ſehr verhuͤllt, ſo iſt dieß nicht mehr als ſich ohnehin erwarten ließ, nach dem vielfachen Verkehr der Griechen und Phoͤnicier. Im Roͤmiſchen muͤßte man, der Geſchichte von den aͤlteſten Bewohnern Italiens zu Folge, mehr Einmiſchung von celti- ſchen und cantabriſchen Wurzeln vermuthen. Die nahe Verwandtſchaft des Deutſchen mit dem

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/93>, abgerufen am 29.03.2024.