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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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lichen Zeiten der frischen Jugend aus
reiner kindlicher Zuneigung freund-
lich und fröhlich getändelt hatte. Da
er der erste war, welcher sie durch
sein Interesse an ihr reizte, so wandte
auch das liebliche Kind ihre junge
Seele nach ihm hin, wie sich die
Blume zum Licht der Sonne neigt.
Daß sie kaum reif und noch an der
Gränze der Kindheit war, reizte sein
Verlangen nur um so unwidersteh-
licher. Sie zu besitzen, schien ihm
das höchste Gut; er war entschlos-
sen alles zu wagen und glaubte
nicht ohne das leben zu können.
Dabey verabscheute er die entfern-
teste Erinnerung an bürgerliche Ver-
hältnisse, wie jede Art von Zwang.

Er eilte zurück in ihre Nähe und

lichen Zeiten der friſchen Jugend aus
reiner kindlicher Zuneigung freund-
lich und fröhlich getändelt hatte. Da
er der erſte war, welcher ſie durch
ſein Intereſſe an ihr reizte, ſo wandte
auch das liebliche Kind ihre junge
Seele nach ihm hin, wie ſich die
Blume zum Licht der Sonne neigt.
Daß ſie kaum reif und noch an der
Gränze der Kindheit war, reizte ſein
Verlangen nur um ſo unwiderſteh-
licher. Sie zu beſitzen, ſchien ihm
das höchſte Gut; er war entſchloſ-
ſen alles zu wagen und glaubte
nicht ohne das leben zu können.
Dabey verabſcheute er die entfern-
teſte Erinnerung an bürgerliche Ver-
hältniſſe, wie jede Art von Zwang.

Er eilte zurück in ihre Nähe und

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[127/0132] lichen Zeiten der friſchen Jugend aus reiner kindlicher Zuneigung freund- lich und fröhlich getändelt hatte. Da er der erſte war, welcher ſie durch ſein Intereſſe an ihr reizte, ſo wandte auch das liebliche Kind ihre junge Seele nach ihm hin, wie ſich die Blume zum Licht der Sonne neigt. Daß ſie kaum reif und noch an der Gränze der Kindheit war, reizte ſein Verlangen nur um ſo unwiderſteh- licher. Sie zu beſitzen, ſchien ihm das höchſte Gut; er war entſchloſ- ſen alles zu wagen und glaubte nicht ohne das leben zu können. Dabey verabſcheute er die entfern- teſte Erinnerung an bürgerliche Ver- hältniſſe, wie jede Art von Zwang. Er eilte zurück in ihre Nähe und

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/132>, abgerufen am 29.03.2024.