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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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göttliche Gestalt umschienen von
wunderbarem Glanz. Bald war es
wie der furchtbare Lichtstrahl der
sichtbaren Allmacht und bald ein
freundlicher Schimmer goldener Kind-
heit. Mit langen stillen Zügen sog
mein Geist aus der Quelle der küh-
len reinen Gluth, sich heimlich berau-
schend und in dieser seeligen Trun-
kenheit fühlte ich eine geistliche Wür-
de eigner Art, weil mir in der That
jede weltliche Gesinnung ganz frem-
de war und mich niemals das Ge-
fühl verließ, daß ich dem Tode ge-
weiht sey.

Langsam flossen die Jahre und
mühevoll trat eine That nach der
andern, ein Werk und dann wieder
eines an sein Ziel, das so wenig

göttliche Geſtalt umſchienen von
wunderbarem Glanz. Bald war es
wie der furchtbare Lichtſtrahl der
ſichtbaren Allmacht und bald ein
freundlicher Schimmer goldener Kind-
heit. Mit langen ſtillen Zügen ſog
mein Geiſt aus der Quelle der küh-
len reinen Gluth, ſich heimlich berau-
ſchend und in dieſer ſeeligen Trun-
kenheit fühlte ich eine geiſtliche Wür-
de eigner Art, weil mir in der That
jede weltliche Geſinnung ganz frem-
de war und mich niemals das Ge-
fühl verließ, daß ich dem Tode ge-
weiht ſey.

Langſam floſſen die Jahre und
mühevoll trat eine That nach der
andern, ein Werk und dann wieder
eines an ſein Ziel, das ſo wenig

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[258/0263] göttliche Geſtalt umſchienen von wunderbarem Glanz. Bald war es wie der furchtbare Lichtſtrahl der ſichtbaren Allmacht und bald ein freundlicher Schimmer goldener Kind- heit. Mit langen ſtillen Zügen ſog mein Geiſt aus der Quelle der küh- len reinen Gluth, ſich heimlich berau- ſchend und in dieſer ſeeligen Trun- kenheit fühlte ich eine geiſtliche Wür- de eigner Art, weil mir in der That jede weltliche Geſinnung ganz frem- de war und mich niemals das Ge- fühl verließ, daß ich dem Tode ge- weiht ſey. Langſam floſſen die Jahre und mühevoll trat eine That nach der andern, ein Werk und dann wieder eines an ſein Ziel, das ſo wenig

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/263>, abgerufen am 29.03.2024.