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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Lateinisch. Vocale.
Anm. 1. h haben wir als tönenden spiranten an gesezt, da es
das tönende gh der ursprache vertritt.
Anm. 2. n als gutturaler nasal wird durch kein besonderes zei-
chen gegeben; n ist guttural vor den gutturalen consonanten c,
q, g (n
adulterinum), nicht aber nach g, wo es, von der üblichen
weise ab weichend, als gewönliches dentales n auß zu sprechen ist.

Diphthonge, fast außschließlich nur dem altlateinischen
eigen, sind ai (ae), au, ei, eu, oi (oe), ou, ui.

§. 45.
Vocale des lateinischen.

Der vocalismus des lateins erlitt im laufe der zeit vilfache
veränderungen. Das classische latein hat, so wie das umbri-
sche, eine abneigung gegen diphthonge, die es in einheitliche
laute wandelt; das altlateinische und vor allem das oskische
bewaren noch die alten diphthonge. Im vor ligenden zustande
leidet das latein an starheit des vocalismus, wenige wurzeln
zeigen noch eine jedoch meist auf nur zwei stufen beschränkte
bewegung des wurzelvocales in seiner reihe.

Die einwirkung des außlautes, ferner der laute auf einan-
der (consonanten auf vocale, vocale auf vocale) hat einen ho-
hen grad im lateinischen erreicht. Unursprüngliche kürzungen
und denungen treten ebenfals vilfach ein, so daß der vocalis-
mus des lateins vom ursprünglichen lautstande sich ser weit
entfernt hat. Dazu komt, daß uns das altlateinische und oski-
sche -- die beiden italischen sprachen mit ursprünglicherem
vocalismus -- nur ser fragmentarisch erhalten sind, wärend
das classische latein vilfach den charakter einer nicht one ein-
wirkung fremden einflußes fest gesezten schriftsprache an sich
trägt und der vocalismus des umbrischen in hohem grade un-
ursprünglich ist. Das lateinische bietet somit von allen hier in
betracht gezogenen sprachen der wißenschaftlichen forschung
die grösten schwirigkeiten.

a wird vilfach zu i und u geschwächt und geht grösten-
teils eben so in e und o (später meist u) über, wie im griechi-
schen; a wird gleichfals zu e und o, nur zeigt sich im lateini-
schen meist einfluß der benachbarten laute als ursache der
vocalfärbung. Bei der durch greifenden, völligen übereinstim-

Lateinisch. Vocale.
Anm. 1. h haben wir als tönenden spiranten an gesezt, da es
das tönende gh der ursprache vertritt.
Anm. 2. n als gutturaler nasal wird durch kein besonderes zei-
chen gegeben; n ist guttural vor den gutturalen consonanten c,
q, g (n
adulterinum), nicht aber nach g, wo es, von der üblichen
weise ab weichend, als gewönliches dentales n auß zu sprechen ist.

Diphthonge, fast außschließlich nur dem altlateinischen
eigen, sind ai (ae), au, ei, eu, oi (oe), ou, ui.

§. 45.
Vocale des lateinischen.

Der vocalismus des lateins erlitt im laufe der zeit vilfache
veränderungen. Das classische latein hat, so wie das umbri-
sche, eine abneigung gegen diphthonge, die es in einheitliche
laute wandelt; das altlateinische und vor allem das oskische
bewaren noch die alten diphthonge. Im vor ligenden zustande
leidet das latein an starheit des vocalismus, wenige wurzeln
zeigen noch eine jedoch meist auf nur zwei stufen beschränkte
bewegung des wurzelvocales in seiner reihe.

Die einwirkung des außlautes, ferner der laute auf einan-
der (consonanten auf vocale, vocale auf vocale) hat einen ho-
hen grad im lateinischen erreicht. Unursprüngliche kürzungen
und denungen treten ebenfals vilfach ein, so daß der vocalis-
mus des lateins vom ursprünglichen lautstande sich ser weit
entfernt hat. Dazu komt, daß uns das altlateinische und oski-
sche — die beiden italischen sprachen mit ursprünglicherem
vocalismus — nur ser fragmentarisch erhalten sind, wärend
das classische latein vilfach den charakter einer nicht one ein-
wirkung fremden einflußes fest gesezten schriftsprache an sich
trägt und der vocalismus des umbrischen in hohem grade un-
ursprünglich ist. Das lateinische bietet somit von allen hier in
betracht gezogenen sprachen der wißenschaftlichen forschung
die grösten schwirigkeiten.

a wird vilfach zu i und u geschwächt und geht grösten-
teils eben so in e und o (später meist u) über, wie im griechi-
schen; â wird gleichfals zu ê und ô, nur zeigt sich im lateini-
schen meist einfluß der benachbarten laute als ursache der
vocalfärbung. Bei der durch greifenden, völligen übereinstim-

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[62/0076] Lateinisch. Vocale. Anm. 1. h haben wir als tönenden spiranten an gesezt, da es das tönende gh der ursprache vertritt. Anm. 2. n als gutturaler nasal wird durch kein besonderes zei- chen gegeben; n ist guttural vor den gutturalen consonanten c, q, g (n adulterinum), nicht aber nach g, wo es, von der üblichen weise ab weichend, als gewönliches dentales n auß zu sprechen ist. Diphthonge, fast außschließlich nur dem altlateinischen eigen, sind ai (ae), au, ei, eu, oi (oe), ou, ui. Vocale des lateinischen. Der vocalismus des lateins erlitt im laufe der zeit vilfache veränderungen. Das classische latein hat, so wie das umbri- sche, eine abneigung gegen diphthonge, die es in einheitliche laute wandelt; das altlateinische und vor allem das oskische bewaren noch die alten diphthonge. Im vor ligenden zustande leidet das latein an starheit des vocalismus, wenige wurzeln zeigen noch eine jedoch meist auf nur zwei stufen beschränkte bewegung des wurzelvocales in seiner reihe. Die einwirkung des außlautes, ferner der laute auf einan- der (consonanten auf vocale, vocale auf vocale) hat einen ho- hen grad im lateinischen erreicht. Unursprüngliche kürzungen und denungen treten ebenfals vilfach ein, so daß der vocalis- mus des lateins vom ursprünglichen lautstande sich ser weit entfernt hat. Dazu komt, daß uns das altlateinische und oski- sche — die beiden italischen sprachen mit ursprünglicherem vocalismus — nur ser fragmentarisch erhalten sind, wärend das classische latein vilfach den charakter einer nicht one ein- wirkung fremden einflußes fest gesezten schriftsprache an sich trägt und der vocalismus des umbrischen in hohem grade un- ursprünglich ist. Das lateinische bietet somit von allen hier in betracht gezogenen sprachen der wißenschaftlichen forschung die grösten schwirigkeiten. a wird vilfach zu i und u geschwächt und geht grösten- teils eben so in e und o (später meist u) über, wie im griechi- schen; â wird gleichfals zu ê und ô, nur zeigt sich im lateini- schen meist einfluß der benachbarten laute als ursache der vocalfärbung. Bei der durch greifenden, völligen übereinstim-

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/76>, abgerufen am 24.04.2024.