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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Anlaut.
cher wurzel ist, urspr. gna auß gan (nosse; vgl. gi-gno-sko,
altind. gnna, deutsch kan und kna u. s. f.); na-tus für älteres
gna-tus (erhalten in co-gnatus), wurz. gna auß gan (gignere),
vgl. gen-us. Das selbe lautgesetz der vereinfachung an lauten-
der gutturalis mit n zu n findet sich im englischen; man schreibt
bekantlich im jetzigen englisch noch den alten anlaut gn, kn
in wörtern wie gnat, gnaw, knowledge u. s. f., spricht aber g
und k nicht mer auß. Vgl. das schwinden der gutturale vor
nasalen im inlaute (§. 157, 1, a).

Wie suavis für *suadvis (§. 157, 1, a), so steht viginti für
*dviginti, vgl. duo, altind. dva; der wegfall des d findet sich
jedoch hier auch im griechischen (eikosi) keltischen (altirisch
fiche, fichet, d. i. viginti) und arischen (altindisch vimcati, altbak-
trisch veicaiti), stamt also auß uralter zeit. Hätte in späterer
zeit noch *dviginti bestanden, so wäre *biginti darauß gewor-
den, wie bis auß *dvis, bellum auß duellum, bonus auß duonus
(duonoro
tit. Scip. Barb. F.); hier ist durch gegenseitige an-
änlichung auß d und v, b geworden, indem d sich der qualität
nach dem v assimilierte (labiale qualität an nam) und v dem d
der quantität nach gleich ward, d. h. in einen momentanen
tönenden laut über gieng.

Vor j ist d geschwunden in Jovis u. s. f. für *Djovis, vgl.
altlat. Diove (Jovi) und osk. Diuveie (Mommsen unterit. diall.
pg. 255), altind. djau-s (coelum), griech. Zeus = *djeu-s u. s. f.
wurz. dju (= div, lucere).

Selbst der beliebte anlaut qv ist zu v vereinfacht in ver-
mis
(vgl. deutsch wurm) für *qvermis, grundf. karmi-s, altind.
krmi-s, lit. kirm-ele (vermis); eben so scheint v für gv zu ste-
hen in wurz. ven (venire) = *gven für *ge-n (§. 157, 1) wei-
terbildung durch n von wurz. ga (ire).

Ser spät trat ein der abfall von c vor u in mereren for-
men des interrogativpronomens, z. b. in u-bi für *cu-bi oder
*qvo-bi, erhalten in der zusammensetzung ali-cubi, vgl. umbr.
pufe mit p = lat. c; u-nde für *cu-nde erhalten in ali-cunde;
u-ter
für cu-ter (comparativform von stamm cu = quo), vgl.

Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Anlaut.
cher wurzel ist, urspr. gna auß gan (nosse; vgl. γι-γνώ-σϰω,
altind. ǵña, deutsch kan und kna u. s. f.); nâ-tus für älteres
gnâ-tus (erhalten in co-gnâtus), wurz. gna auß gan (gignere),
vgl. gen-us. Das selbe lautgesetz der vereinfachung an lauten-
der gutturalis mit n zu n findet sich im englischen; man schreibt
bekantlich im jetzigen englisch noch den alten anlaut gn, kn
in wörtern wie gnat, gnaw, knowledge u. s. f., spricht aber g
und k nicht mer auß. Vgl. das schwinden der gutturale vor
nasalen im inlaute (§. 157, 1, a).

Wie suavis für *suadvis (§. 157, 1, a), so steht viginti für
*dviginti, vgl. duo, altind. dva; der wegfall des d findet sich
jedoch hier auch im griechischen (εἴϰοσι) keltischen (altirisch
fiche, fichet, d. i. viginti) und arischen (altindisch viṁçáti, altbak-
trisch vîçaiti), stamt also auß uralter zeit. Hätte in späterer
zeit noch *dviginti bestanden, so wäre *biginti darauß gewor-
den, wie bis auß *dvis, bellum auß duellum, bonus auß duonus
(duonoro
tit. Scip. Barb. F.); hier ist durch gegenseitige an-
änlichung auß d und v, b geworden, indem d sich der qualität
nach dem v assimilierte (labiale qualität an nam) und v dem d
der quantität nach gleich ward, d. h. in einen momentanen
tönenden laut über gieng.

Vor j ist d geschwunden in Jovis u. s. f. für *Djovis, vgl.
altlat. Diove (Jovi) und osk. Diu̇veiͤ (Mommsen unterit. diall.
pg. 255), altind. djâu-s (coelum), griech. Ζεύς = *δϳευ-ς u. s. f.
wurz. dju (= div, lucere).

Selbst der beliebte anlaut qv ist zu v vereinfacht in ver-
mis
(vgl. deutsch wurm) für *qvermis, grundf. karmi-s, altind.
krmi-s, lit. kirm-elė́ (vermis); eben so scheint v für gv zu ste-
hen in wurz. ven (venire) = *gven für *ge-n (§. 157, 1) wei-
terbildung durch n von wurz. ga (ire).

Ser spät trat ein der abfall von c vor u in mereren for-
men des interrogativpronomens, z. b. in u-bi für *cu-bi oder
*qvo-bi, erhalten in der zusammensetzung ali-cubi, vgl. umbr.
pufe mit p = lat. c; u-nde für *cu-nde erhalten in ali-cunde;
u-ter
für cu-ter (comparativform von stamm cu = quo), vgl.

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[215/0229] Lateinisch. Consonantische lautgesetze. Anlaut. cher wurzel ist, urspr. gna auß gan (nosse; vgl. γι-γνώ-σϰω, altind. ǵña, deutsch kan und kna u. s. f.); nâ-tus für älteres gnâ-tus (erhalten in co-gnâtus), wurz. gna auß gan (gignere), vgl. gen-us. Das selbe lautgesetz der vereinfachung an lauten- der gutturalis mit n zu n findet sich im englischen; man schreibt bekantlich im jetzigen englisch noch den alten anlaut gn, kn in wörtern wie gnat, gnaw, knowledge u. s. f., spricht aber g und k nicht mer auß. Vgl. das schwinden der gutturale vor nasalen im inlaute (§. 157, 1, a). Wie suavis für *suadvis (§. 157, 1, a), so steht viginti für *dviginti, vgl. duo, altind. dva; der wegfall des d findet sich jedoch hier auch im griechischen (εἴϰοσι) keltischen (altirisch fiche, fichet, d. i. viginti) und arischen (altindisch viṁçáti, altbak- trisch vîçaiti), stamt also auß uralter zeit. Hätte in späterer zeit noch *dviginti bestanden, so wäre *biginti darauß gewor- den, wie bis auß *dvis, bellum auß duellum, bonus auß duonus (duonoro tit. Scip. Barb. F.); hier ist durch gegenseitige an- änlichung auß d und v, b geworden, indem d sich der qualität nach dem v assimilierte (labiale qualität an nam) und v dem d der quantität nach gleich ward, d. h. in einen momentanen tönenden laut über gieng. Vor j ist d geschwunden in Jovis u. s. f. für *Djovis, vgl. altlat. Diove (Jovi) und osk. Diu̇veiͤ (Mommsen unterit. diall. pg. 255), altind. djâu-s (coelum), griech. Ζεύς = *δϳευ-ς u. s. f. wurz. dju (= div, lucere). Selbst der beliebte anlaut qv ist zu v vereinfacht in ver- mis (vgl. deutsch wurm) für *qvermis, grundf. karmi-s, altind. krmi-s, lit. kirm-elė́ (vermis); eben so scheint v für gv zu ste- hen in wurz. ven (venire) = *gven für *ge-n (§. 157, 1) wei- terbildung durch n von wurz. ga (ire). Ser spät trat ein der abfall von c vor u in mereren for- men des interrogativpronomens, z. b. in u-bi für *cu-bi oder *qvo-bi, erhalten in der zusammensetzung ali-cubi, vgl. umbr. pufe mit p = lat. c; u-nde für *cu-nde erhalten in ali-cunde; u-ter für cu-ter (comparativform von stamm cu = quo), vgl.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/229>, abgerufen am 26.04.2024.