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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862.

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Declination. Stammerweiterungen.
kein wort ist) wird an gewant um gefül oder wollen in be-§. 243.
zug auf die bedeutung des nominalstammes unmittelbar auß zu
drücken. Der vocativus ist demnach kein casus, ja nicht
einmal ein wort im strengen sinne; er ist kein sazelement,
sondern eine interjection.

Die siben casus und der vocativ werden in den ältesten
vertretern unseres sprachstammes nur im singular unterschiden.
Locativ und dativ, ablat. und genit. des singulars sind nahe
verwant.

Im plural dienen teilweise casuselemente, die von den im
singular gebrauchten verschiden sind. Hier felt der vocativ,
welcher durch den nominativ ersezt wird; ferner fallen dativ
und ablativ zusammen, beiden steht der instrumentalis ser
nahe.

Der dualis unterscheidet nur drei casusformen, 1. nomin.
acc.; 2. dat., abl., instr.; 3. gen., loc.

Ser frühe begann in den sprachen der verlust von casus-
formen, es verschmolzen ursprünglich verschidene casus zu einer
form. So ist z. b. im griechischen der ablativ im genitiv auf
gegangen; der instrumentalis ist in der ältesten sprache bereits
im verschwinden begriffen; dativ und locativ fält zusammen.
Änliches findet in anderen sprachen unseres stammes statt.

Nicht selten finden sich zwischen stammaußlaut und ge-
wissen casussuffixen elemente eigentümlicher art, welche beim
nomen substantivum dadurch sich als unursprünglich zu erken-
nen geben, daß sie in den verschidenen sprachen verschiden
sind und teilweise erst in späteren sprachepochen auf treten.
Im altindischen kann z. b. der genitiv pluralis des stammes
matar (mater) in der ältesten sprache noch matr-am gebildet wer-
den, vgl. meter-on; hier ist nur der stamm des nomens ver-
kürzt, die im griechischen erhaltene grundform ist matar-am,
außer nominalstamm und casussufflx aber noch kein anderes
element vorhanden, wärend diser casus im sanskrit matr-n-am
lautet (diß n ist eins der häufigsten der in rede stehenden un-
ursprünglichen elemente). Der indogermanischen urspraehe sind
dise erweiterungen des nominalstammes sämtlich ab zu sprechen.

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Declination. Stammerweiterungen.
kein wort ist) wird an gewant um gefül oder wollen in be-§. 243.
zug auf die bedeutung des nominalstammes unmittelbar auß zu
drücken. Der vocativus ist demnach kein casus, ja nicht
einmal ein wort im strengen sinne; er ist kein sazelement,
sondern eine interjection.

Die siben casus und der vocativ werden in den ältesten
vertretern unseres sprachstammes nur im singular unterschiden.
Locativ und dativ, ablat. und genit. des singulars sind nahe
verwant.

Im plural dienen teilweise casuselemente, die von den im
singular gebrauchten verschiden sind. Hier felt der vocativ,
welcher durch den nominativ ersezt wird; ferner fallen dativ
und ablativ zusammen, beiden steht der instrumentalis ser
nahe.

Der dualis unterscheidet nur drei casusformen, 1. nomin.
acc.; 2. dat., abl., instr.; 3. gen., loc.

Ser frühe begann in den sprachen der verlust von casus-
formen, es verschmolzen ursprünglich verschidene casus zu einer
form. So ist z. b. im griechischen der ablativ im genitiv auf
gegangen; der instrumentalis ist in der ältesten sprache bereits
im verschwinden begriffen; dativ und locativ fält zusammen.
Änliches findet in anderen sprachen unseres stammes statt.

Nicht selten finden sich zwischen stammaußlaut und ge-
wissen casussuffixen elemente eigentümlicher art, welche beim
nomen substantivum dadurch sich als unursprünglich zu erken-
nen geben, daß sie in den verschidenen sprachen verschiden
sind und teilweise erst in späteren sprachepochen auf treten.
Im altindischen kann z. b. der genitiv pluralis des stammes
mâtár (mater) in der ältesten sprache noch mâtr-ấm gebildet wer-
den, vgl. μητέρ-ων; hier ist nur der stamm des nomens ver-
kürzt, die im griechischen erhaltene grundform ist mâtar-âm,
außer nominalstamm und casussufflx aber noch kein anderes
element vorhanden, wärend diser casus im sanskrit mâtr̂́-ń-âm
lautet (diß n ist eins der häufigsten der in rede stehenden un-
ursprünglichen elemente). Der indogermanischen urspraehe sind
dise erweiterungen des nominalstammes sämtlich ab zu sprechen.

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[415/0141] Declination. Stammerweiterungen. kein wort ist) wird an gewant um gefül oder wollen in be- zug auf die bedeutung des nominalstammes unmittelbar auß zu drücken. Der vocativus ist demnach kein casus, ja nicht einmal ein wort im strengen sinne; er ist kein sazelement, sondern eine interjection. §. 243. Die siben casus und der vocativ werden in den ältesten vertretern unseres sprachstammes nur im singular unterschiden. Locativ und dativ, ablat. und genit. des singulars sind nahe verwant. Im plural dienen teilweise casuselemente, die von den im singular gebrauchten verschiden sind. Hier felt der vocativ, welcher durch den nominativ ersezt wird; ferner fallen dativ und ablativ zusammen, beiden steht der instrumentalis ser nahe. Der dualis unterscheidet nur drei casusformen, 1. nomin. acc.; 2. dat., abl., instr.; 3. gen., loc. Ser frühe begann in den sprachen der verlust von casus- formen, es verschmolzen ursprünglich verschidene casus zu einer form. So ist z. b. im griechischen der ablativ im genitiv auf gegangen; der instrumentalis ist in der ältesten sprache bereits im verschwinden begriffen; dativ und locativ fält zusammen. Änliches findet in anderen sprachen unseres stammes statt. Nicht selten finden sich zwischen stammaußlaut und ge- wissen casussuffixen elemente eigentümlicher art, welche beim nomen substantivum dadurch sich als unursprünglich zu erken- nen geben, daß sie in den verschidenen sprachen verschiden sind und teilweise erst in späteren sprachepochen auf treten. Im altindischen kann z. b. der genitiv pluralis des stammes mâtár (mater) in der ältesten sprache noch mâtr-ấm gebildet wer- den, vgl. μητέρ-ων; hier ist nur der stamm des nomens ver- kürzt, die im griechischen erhaltene grundform ist mâtar-âm, außer nominalstamm und casussufflx aber noch kein anderes element vorhanden, wärend diser casus im sanskrit mâtr̂́-ń-âm lautet (diß n ist eins der häufigsten der in rede stehenden un- ursprünglichen elemente). Der indogermanischen urspraehe sind dise erweiterungen des nominalstammes sämtlich ab zu sprechen. 27*

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/141>, abgerufen am 26.04.2024.