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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862.

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Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Gotisch.
§. 209.selbe gilt von consonantischen nominalstämmen; so wird z. b.
von stamm fraujin, nom. sg. frauja (dominus; fraujin ist eine
schwächung von fraujan) gebildet fraujino-th (imperat) u. s. f.

2. Verba auf ai, den slaw. auf e, den lit. auf e, den lat.
auf e, den griech. auf ee entsprechend. Dise verba haben im
gotischen eine mischung mit stamverben, die bisweilen, zuerst
in den nichtpraesensformen, ai = urspr. aja an nemen, ein ge-
gangen, der art, daß das ai nur in der 2. 3. sg. und 2. plur.
indic. des praesens und in den nichtpraesensformen erscheint,
in den andern personen des praesens und im ganzen optativ
des praesens aber die form der stamverba, welche den prae-
sensstamm auf -a haben, zur anwendung komt (vgl. unten die
lere von der conjugation). So wird z. b. gebildet vom stamme
veiha, nom. sg. veih-s (sanctus), ein verbalstamm veihai (sanc-
tum habere, colere) = *veiha-ja; das auß lautende a ist ge-
schwunden, zunächst ward es wol zu i und dann gieng ji zu i
zusammen (vgl. §. 111, 2. 113, 4). Diser stamm veihai wech-
selt aber mit einem stamme veiha, z. b. 1. sg. veiha = *veiha-
mi
, aber 2. sg. veihai-s = *veiha-ji-s auß *veiha-ja-si u. s. f.
So werden gebildet von stamm arma, nom. sg. arms (pauper),
die verbalstämme arma und armai (miserere); von saurga (fem.
cura) die verbalstämme saurga und saurgai (curam habere);
von liuga (fem. nuptiae, matrimonium) die verbalstämmn liuga
und liugai (uxorem ducere, nubere) u. s. f. Dagegen fürt 1.
sg. baua (habito), grundform *bhava-mi (wurz. bhu fieri esse),
3. sg. bauai-th, grundf. *bhava-ja-ti, wie manche andere, nicht
auf ein vor ligendes substantivum zurück.

3. Die zur bildung von causalverben und transitiven de-
nominativen am häufigsten verwante form des ursprünglichen
a-ja ist die, daß der stamaußlaut a schwindet, und nur ja
bleibt, für welches regelrecht im gotischen ji, ei (§. 111, 2;
113, 4) und in den nichtpraesensformen i ein tritt. Dise art
verba entspricht den lateinischen auf ei und den slawischen auf
i (ire abwandlung lert die darstellung der conjugation). So
wird z. b. gebildet von einem verbalstamme urspr. sada, got.
sita, siti (sedere), 3. sg. praes. siti-th, grundf. sada-ti, ein stamm

Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Gotisch.
§. 209.selbe gilt von consonantischen nominalstämmen; so wird z. b.
von stamm fraujin, nom. sg. frauja (dominus; fraujin ist eine
schwächung von fraujan) gebildet fraujinô-th (imperat) u. s. f.

2. Verba auf ai, den slaw. auf ě, den lit. auf ė, den lat.
auf ê, den griech. auf εε entsprechend. Dise verba haben im
gotischen eine mischung mit stamverben, die bisweilen, zuerst
in den nichtpraesensformen, ai = urspr. aja an nemen, ein ge-
gangen, der art, daß das ai nur in der 2. 3. sg. und 2. plur.
indic. des praesens und in den nichtpraesensformen erscheint,
in den andern personen des praesens und im ganzen optativ
des praesens aber die form der stamverba, welche den prae-
sensstamm auf -a haben, zur anwendung komt (vgl. unten die
lere von der conjugation). So wird z. b. gebildet vom stamme
veiha, nom. sg. veih-s (sanctus), ein verbalstamm veihai (sanc-
tum habere, colere) = *veiha-ja; das auß lautende a ist ge-
schwunden, zunächst ward es wol zu i und dann gieng ji zu i
zusammen (vgl. §. 111, 2. 113, 4). Diser stamm veihai wech-
selt aber mit einem stamme veiha, z. b. 1. sg. veiha = *veihâ-
mi
, aber 2. sg. veihai-s = *veiha-ji-s auß *veiha-ja-si u. s. f.
So werden gebildet von stamm arma, nom. sg. arms (pauper),
die verbalstämme arma und armai (miserere); von saurga (fem.
cura) die verbalstämme saurga und saurgai (curam habere);
von liuga (fem. nuptiae, matrimonium) die verbalstämmn liuga
und liugai (uxorem ducere, nubere) u. s. f. Dagegen fürt 1.
sg. baua (habito), grundform *bhâvâ-mi (wurz. bhu fieri esse),
3. sg. bauai-th, grundf. *bhâva-ja-ti, wie manche andere, nicht
auf ein vor ligendes substantivum zurück.

3. Die zur bildung von causalverben und transitiven de-
nominativen am häufigsten verwante form des ursprünglichen
a-ja ist die, daß der stamaußlaut a schwindet, und nur ja
bleibt, für welches regelrecht im gotischen ji, ei (§. 111, 2;
113, 4) und in den nichtpraesensformen i ein tritt. Dise art
verba entspricht den lateinischen auf î und den slawischen auf
i (ire abwandlung lert die darstellung der conjugation). So
wird z. b. gebildet von einem verbalstamme urspr. sada, got.
sita, siti (sedere), 3. sg. praes. siti-th, grundf. sada-ti, ein stamm

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[304/0030] Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Gotisch. selbe gilt von consonantischen nominalstämmen; so wird z. b. von stamm fraujin, nom. sg. frauja (dominus; fraujin ist eine schwächung von fraujan) gebildet fraujinô-th (imperat) u. s. f. §. 209. 2. Verba auf ai, den slaw. auf ě, den lit. auf ė, den lat. auf ê, den griech. auf εε entsprechend. Dise verba haben im gotischen eine mischung mit stamverben, die bisweilen, zuerst in den nichtpraesensformen, ai = urspr. aja an nemen, ein ge- gangen, der art, daß das ai nur in der 2. 3. sg. und 2. plur. indic. des praesens und in den nichtpraesensformen erscheint, in den andern personen des praesens und im ganzen optativ des praesens aber die form der stamverba, welche den prae- sensstamm auf -a haben, zur anwendung komt (vgl. unten die lere von der conjugation). So wird z. b. gebildet vom stamme veiha, nom. sg. veih-s (sanctus), ein verbalstamm veihai (sanc- tum habere, colere) = *veiha-ja; das auß lautende a ist ge- schwunden, zunächst ward es wol zu i und dann gieng ji zu i zusammen (vgl. §. 111, 2. 113, 4). Diser stamm veihai wech- selt aber mit einem stamme veiha, z. b. 1. sg. veiha = *veihâ- mi, aber 2. sg. veihai-s = *veiha-ji-s auß *veiha-ja-si u. s. f. So werden gebildet von stamm arma, nom. sg. arms (pauper), die verbalstämme arma und armai (miserere); von saurga (fem. cura) die verbalstämme saurga und saurgai (curam habere); von liuga (fem. nuptiae, matrimonium) die verbalstämmn liuga und liugai (uxorem ducere, nubere) u. s. f. Dagegen fürt 1. sg. baua (habito), grundform *bhâvâ-mi (wurz. bhu fieri esse), 3. sg. bauai-th, grundf. *bhâva-ja-ti, wie manche andere, nicht auf ein vor ligendes substantivum zurück. 3. Die zur bildung von causalverben und transitiven de- nominativen am häufigsten verwante form des ursprünglichen a-ja ist die, daß der stamaußlaut a schwindet, und nur ja bleibt, für welches regelrecht im gotischen ji, ei (§. 111, 2; 113, 4) und in den nichtpraesensformen i ein tritt. Dise art verba entspricht den lateinischen auf î und den slawischen auf i (ire abwandlung lert die darstellung der conjugation). So wird z. b. gebildet von einem verbalstamme urspr. sada, got. sita, siti (sedere), 3. sg. praes. siti-th, grundf. sada-ti, ein stamm

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/30>, abgerufen am 28.03.2024.