Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Primäres suffix -ja. Indog. ursprache, Altind.
erscheinung, daß ein gewisses suffix sich in einer einzelnen§. 222.
sprache zu einer regelmäßigen bildungsweise mit bestimter
function entwickelt, wärend es in den verwanten sprachen in
anderer weise an gewandt wird; so z. b. ja als passiva bildend
im altindischen; die nasalierten praesenstämme als intransitiva
und passiva im slawischen, litauischen, gotischen; la, urspr. ra
als participia praeteriti activi bildend im slawischen u. s. f.

1. -ja als primäres suffix.

Indogermanische ursprache. Es ist schwer beispile
zu finden, die sich mit sicherheit als der indogerm. ursprache
entstammend nach weisen laßen. Wenn vom altind. madh-ja
= griech. messo für *meth-jo, lat. med-io, got. mid-ja, madh
wurzel ist, so wäre madh-ja ein volkommen sicheres beispil di-
ses suffixes ja. Darf man auß der übereinstimmung von grie-
chisch und altindisch auf die ursprache schließen, so ist diser
auch jag-ja (colendus, sanctus) von wurz. jag (colere) zu zu
schreiben.

Altindisch. Das suffix -ja hat auch als primäres suffix
keinesweges außschließlich die function eines participii neces-
sitatis, vgl. z. b. vid-ja fem. (scientia), wurz. vid (scire); vak-
ja
neutr. (sermo), wurz. vak u. s. f. In der regel findet vor
disem suffixe des partic. necess. erste steigerung des wurzelvo-
cales statt, z. b. ke-ja, wurz. ki (colligere); jog-ja und jog-
ja
, wurz. jug (jungere); pak-ja und pak-ja, wurz. pak (co-
quere); har-ja, wurz. har (rapere); garg-ja, wurz. garg (ru-
gire) u. a.; aber vrdh-ja, wurz. vardh (crescere); guh-ja und
goh-ja, wurz. guh (abscondere) u. a. Ungewönliche lösung von
ai, au zu aj, av, anstatt der regelmäßigen zusammenziehung
zu e, o, findet sich bei manchen wurzeln auf i, z. b. gaj-ja,
wurz. gi (vincere); ksaj-ja, wurz. ksi (ferire, occidere) und
bei allen auf u, z. b. stav-ja und stav-ja (mit zweiter steige-
rung), wurz. stu (laudare) u. s. f. Die einzelnheiten der bil-
dung diser form s. in den indischen specialgrammatiken.

Ab geleitete verbalstämme auf -aja zeigen vor dem suffix
-ja nur die gesteigerte wurzel, nicht aber das suffix des ver-
balstammes, z. b. kor-ja zu verbalstamm koraja (furari) u. s. f.

Primäres suffix -ja. Indog. ursprache, Altind.
erscheinung, daß ein gewisses suffix sich in einer einzelnen§. 222.
sprache zu einer regelmäßigen bildungsweise mit bestimter
function entwickelt, wärend es in den verwanten sprachen in
anderer weise an gewandt wird; so z. b. ja als passiva bildend
im altindischen; die nasalierten praesenstämme als intransitiva
und passiva im slawischen, litauischen, gotischen; la, urspr. ra
als participia praeteriti activi bildend im slawischen u. s. f.

1. -ja als primäres suffix.

Indogermanische ursprache. Es ist schwer beispile
zu finden, die sich mit sicherheit als der indogerm. ursprache
entstammend nach weisen laßen. Wenn vom altind. mádh-ja
= griech. μέσσο für *μεθ-ϳο, lat. med-io, got. mid-ja, madh
wurzel ist, so wäre madh-ja ein volkommen sicheres beispil di-
ses suffixes ja. Darf man auß der übereinstimmung von grie-
chisch und altindisch auf die ursprache schließen, so ist diser
auch jag-ja (colendus, sanctus) von wurz. jag (colere) zu zu
schreiben.

Altindisch. Das suffix -ja hat auch als primäres suffix
keinesweges außschließlich die function eines participii neces-
sitatis, vgl. z. b. vid-jấ fem. (scientia), wurz. vid (scire); vâk-
neutr. (sermo), wurz. vaḱ u. s. f. In der regel findet vor
disem suffixe des partic. necess. erste steigerung des wurzelvo-
cales statt, z. b. ḱế-ja, wurz. ḱi (colligere); jôg-jà und jôǵ-
, wurz. juǵ (jungere); pâk-jà und pâḱ-jà, wurz. paḱ (co-
quere); hâr-jà, wurz. har (rapere); garǵ-jà, wurz. garǵ (ru-
gire) u. a.; aber vŕdh-ja, wurz. vardh (crescere); gúh-ja und
gốh-ja, wurz. guh (abscondere) u. a. Ungewönliche lösung von
ai, au zu aj, av, anstatt der regelmäßigen zusammenziehung
zu ê, ô, findet sich bei manchen wurzeln auf i, z. b. ǵáj-ja,
wurz. ǵi (vincere); kśáj-ja, wurz. kśi (ferire, occidere) und
bei allen auf u, z. b. stáv-ja und stấv-ja (mit zweiter steige-
rung), wurz. stu (laudare) u. s. f. Die einzelnheiten der bil-
dung diser form s. in den indischen specialgrammatiken.

Ab geleitete verbalstämme auf -aja zeigen vor dem suffix
-ja nur die gesteigerte wurzel, nicht aber das suffix des ver-
balstammes, z. b. ḱôr-ja zu verbalstamm ḱôraja (furari) u. s. f.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0071" n="345"/><fw place="top" type="header">Primäres suffix <hi rendition="#i">-ja</hi>. Indog. ursprache, Altind.</fw><lb/>
erscheinung, daß ein gewisses suffix sich in einer einzelnen<note place="right">§. 222.</note><lb/>
sprache zu einer regelmäßigen bildungsweise mit bestimter<lb/>
function entwickelt, wärend es in den verwanten sprachen in<lb/>
anderer weise an gewandt wird; so z. b. <hi rendition="#i">ja</hi> als passiva bildend<lb/>
im altindischen; die nasalierten praesenstämme als intransitiva<lb/>
und passiva im slawischen, litauischen, gotischen; <hi rendition="#i">la</hi>, urspr. <hi rendition="#i">ra</hi><lb/>
als participia praeteriti activi bildend im slawischen u. s. f.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>1. <hi rendition="#i">-ja</hi> als primäres suffix.</head><lb/>
                <p><hi rendition="#g">Indogermanische ursprache</hi>. Es ist schwer beispile<lb/>
zu finden, die sich mit sicherheit als der indogerm. ursprache<lb/>
entstammend nach weisen laßen. Wenn vom altind. <hi rendition="#i">mádh-ja</hi><lb/>
= griech. <hi rendition="#i">&#x03BC;&#x03AD;&#x03C3;&#x03C3;&#x03BF;</hi> für *<hi rendition="#i">&#x03BC;&#x03B5;&#x03B8;-&#x03F3;&#x03BF;,</hi> lat. <hi rendition="#i">med-io</hi>, got. <hi rendition="#i">mid-ja</hi>, <hi rendition="#i">madh</hi><lb/>
wurzel ist, so wäre <hi rendition="#i">madh-ja</hi> ein volkommen sicheres beispil di-<lb/>
ses suffixes <hi rendition="#i">ja</hi>. Darf man auß der übereinstimmung von grie-<lb/>
chisch und altindisch auf die ursprache schließen, so ist diser<lb/>
auch <hi rendition="#i">jag-ja</hi> (colendus, sanctus) von wurz. <hi rendition="#i">jag</hi> (colere) zu zu<lb/>
schreiben.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#g">Altindisch</hi>. Das suffix <hi rendition="#i">-ja</hi> hat auch als primäres suffix<lb/>
keinesweges außschließlich die function eines participii neces-<lb/>
sitatis, vgl. z. b. <hi rendition="#i">vid-jâ&#x0301;</hi> fem. (scientia), wurz. <hi rendition="#i">vid</hi> (scire); <hi rendition="#i">vâk-<lb/></hi> neutr. (sermo), wurz. <hi rendition="#i">vak&#x0301;</hi> u. s. f. In der regel findet vor<lb/>
disem suffixe des partic. necess. erste steigerung des wurzelvo-<lb/>
cales statt, z. b. <hi rendition="#i">k&#x0301;ê&#x0301;-ja</hi>, wurz. <hi rendition="#i">k&#x0301;i</hi> (colligere); <hi rendition="#i">jôg-jà</hi> und <hi rendition="#i">jôg&#x0301;-<lb/></hi>, wurz. <hi rendition="#i">jug&#x0301;</hi> (jungere); <hi rendition="#i">pâk-jà</hi> und <hi rendition="#i">pâk&#x0301;-jà,</hi> wurz. <hi rendition="#i">pak&#x0301;</hi> (co-<lb/>
quere); <hi rendition="#i">hâr-jà</hi>, wurz. <hi rendition="#i">har</hi> (rapere); <hi rendition="#i">garg&#x0301;-jà</hi>, wurz. <hi rendition="#i">garg&#x0301;</hi> (ru-<lb/>
gire) u. a.; aber <hi rendition="#i">vr&#x0301;dh-ja</hi>, wurz. <hi rendition="#i">vardh</hi> (crescere); <hi rendition="#i">gúh-ja</hi> und<lb/><hi rendition="#i">&#x0301;h-ja</hi>, wurz. <hi rendition="#i">guh</hi> (abscondere) u. a. Ungewönliche lösung von<lb/><hi rendition="#i">ai, au</hi> zu <hi rendition="#i">aj</hi>, <hi rendition="#i">av,</hi> anstatt der regelmäßigen zusammenziehung<lb/>
zu <hi rendition="#i">ê</hi>, <hi rendition="#i">ô</hi>, findet sich bei manchen wurzeln auf <hi rendition="#i">i</hi>, z. b. <hi rendition="#i">g&#x0301;áj-ja</hi>,<lb/>
wurz. <hi rendition="#i">g&#x0301;i</hi> (vincere); <hi rendition="#i">k&#x015B;áj-ja</hi>, wurz. <hi rendition="#i">k&#x015B;i</hi> (ferire, occidere) und<lb/>
bei allen auf <hi rendition="#i">u</hi>, z. b. <hi rendition="#i">stáv-ja</hi> und <hi rendition="#i">stâ&#x0301;v-ja</hi> (mit zweiter steige-<lb/>
rung), wurz. <hi rendition="#i">stu</hi> (laudare) u. s. f. Die einzelnheiten der bil-<lb/>
dung diser form s. in den indischen specialgrammatiken.</p><lb/>
                <p>Ab geleitete verbalstämme auf <hi rendition="#i">-aja</hi> zeigen vor dem suffix<lb/><hi rendition="#i">-ja</hi> nur die gesteigerte wurzel, nicht aber das suffix des ver-<lb/>
balstammes, z. b. <hi rendition="#i">k&#x0301;ôr-ja</hi> zu verbalstamm <hi rendition="#i">k&#x0301;ôraja</hi> (furari) u. s. f.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0071] Primäres suffix -ja. Indog. ursprache, Altind. erscheinung, daß ein gewisses suffix sich in einer einzelnen sprache zu einer regelmäßigen bildungsweise mit bestimter function entwickelt, wärend es in den verwanten sprachen in anderer weise an gewandt wird; so z. b. ja als passiva bildend im altindischen; die nasalierten praesenstämme als intransitiva und passiva im slawischen, litauischen, gotischen; la, urspr. ra als participia praeteriti activi bildend im slawischen u. s. f. §. 222. 1. -ja als primäres suffix. Indogermanische ursprache. Es ist schwer beispile zu finden, die sich mit sicherheit als der indogerm. ursprache entstammend nach weisen laßen. Wenn vom altind. mádh-ja = griech. μέσσο für *μεθ-ϳο, lat. med-io, got. mid-ja, madh wurzel ist, so wäre madh-ja ein volkommen sicheres beispil di- ses suffixes ja. Darf man auß der übereinstimmung von grie- chisch und altindisch auf die ursprache schließen, so ist diser auch jag-ja (colendus, sanctus) von wurz. jag (colere) zu zu schreiben. Altindisch. Das suffix -ja hat auch als primäres suffix keinesweges außschließlich die function eines participii neces- sitatis, vgl. z. b. vid-jấ fem. (scientia), wurz. vid (scire); vâk- jà neutr. (sermo), wurz. vaḱ u. s. f. In der regel findet vor disem suffixe des partic. necess. erste steigerung des wurzelvo- cales statt, z. b. ḱế-ja, wurz. ḱi (colligere); jôg-jà und jôǵ- jà, wurz. juǵ (jungere); pâk-jà und pâḱ-jà, wurz. paḱ (co- quere); hâr-jà, wurz. har (rapere); garǵ-jà, wurz. garǵ (ru- gire) u. a.; aber vŕdh-ja, wurz. vardh (crescere); gúh-ja und gốh-ja, wurz. guh (abscondere) u. a. Ungewönliche lösung von ai, au zu aj, av, anstatt der regelmäßigen zusammenziehung zu ê, ô, findet sich bei manchen wurzeln auf i, z. b. ǵáj-ja, wurz. ǵi (vincere); kśáj-ja, wurz. kśi (ferire, occidere) und bei allen auf u, z. b. stáv-ja und stấv-ja (mit zweiter steige- rung), wurz. stu (laudare) u. s. f. Die einzelnheiten der bil- dung diser form s. in den indischen specialgrammatiken. Ab geleitete verbalstämme auf -aja zeigen vor dem suffix -ja nur die gesteigerte wurzel, nicht aber das suffix des ver- balstammes, z. b. ḱôr-ja zu verbalstamm ḱôraja (furari) u. s. f.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/71
Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/71>, abgerufen am 23.04.2024.