Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

tur und Bodenverhältnisse sich zusammenfänden? Doch genug, schon
ein einziges Beispiel würde hinreichen, darauf aufmerksam zu machen,
daß es eine Vertheilungsweise der Pflanzen auf der Erde giebt, die
von den uns bekannten Bedingungen der Vegetation nicht hervor-
gerufen, durch dieselbe nicht erklärt wird. -- Wir erhalten hier
nebeneinander zwei ganz verschiedene Gruppen von Kenntnissen, die
sich auf dieselben Pflanzen beziehen, denn jede zeigt in ihrer Weise
beide Arten der Verbreitung. Es liegen neben einander eine auflös-
liche und eine unauflösliche Aufgabe, die erstere auflöslich, weil die
Frage bestimmt gestellt werden konnte und durch A. v. Humboldt
gestellt ist: nämlich die Abhängigkeit der Verbreitung der Pflanzen
von den physicalischen Verhältnissen des Erdkörpers, -- die zweite
unauflöslich, weil wir eben keine bestimmte Aufgabe, deren Lösung
sich die Forschung zuwenden könnte, aufstellen könne. In der ersten
Beziehung können wir daher die sämmtlichen Thatsachen in einen
erklärenden Zusammenhang bringen, aus dem letzten Gesichtspunct
erhalten wir dagegen nichts als ein Aggregat unter sich unzusammen-
hängender, zur Zeit noch keiner Erklärung fähiger, aber vielleicht eben
deshalb um so mehr das Interesse in Anspruch nehmender That-
sachen. -- Es sey mir erlaubt in beiden Beziehungen das Verhältniß
der Pflanzen zur Oberfläche der Erde in einer flüchtigen Skitze zu
zeichnen und zum Schluß mit etwas größerer Ausführlichkeit gleich-
sam als ein mehr durchgeführtes Beispiel, die Verbreitung der wich-
tigern Nahrungs- und Nutzpflanzen auf der Erde zu schildern. --

Abhängigkeit der Pflanzenvertheilung von
physicalischen Verhältnissen
.

Vom kleinsten, beschränktesten Kreise müssen wir hier ausgehen,
um uns zuletzt über die ganze Erde auszubreiten. Der kleine Anfang
der umfassenden Pflanzengeographie ist die alltägliche Frage: wo
wächst die Pflanze? und jede Botanik handelt mehr oder weniger
oberflächlich ein Kapitel von den sogenannten Standorten, dem
Wohnort und Vaterland der Pflanze ab. Schon bei diesen ersten

tur und Bodenverhältniſſe ſich zuſammenfänden? Doch genug, ſchon
ein einziges Beiſpiel würde hinreichen, darauf aufmerkſam zu machen,
daß es eine Vertheilungsweiſe der Pflanzen auf der Erde giebt, die
von den uns bekannten Bedingungen der Vegetation nicht hervor-
gerufen, durch dieſelbe nicht erklärt wird. — Wir erhalten hier
nebeneinander zwei ganz verſchiedene Gruppen von Kenntniſſen, die
ſich auf dieſelben Pflanzen beziehen, denn jede zeigt in ihrer Weiſe
beide Arten der Verbreitung. Es liegen neben einander eine auflös-
liche und eine unauflösliche Aufgabe, die erſtere auflöslich, weil die
Frage beſtimmt geſtellt werden konnte und durch A. v. Humboldt
geſtellt iſt: nämlich die Abhängigkeit der Verbreitung der Pflanzen
von den phyſicaliſchen Verhältniſſen des Erdkörpers, — die zweite
unauflöslich, weil wir eben keine beſtimmte Aufgabe, deren Löſung
ſich die Forſchung zuwenden könnte, aufſtellen könne. In der erſten
Beziehung können wir daher die ſämmtlichen Thatſachen in einen
erklärenden Zuſammenhang bringen, aus dem letzten Geſichtspunct
erhalten wir dagegen nichts als ein Aggregat unter ſich unzuſammen-
hängender, zur Zeit noch keiner Erklärung fähiger, aber vielleicht eben
deshalb um ſo mehr das Intereſſe in Anſpruch nehmender That-
ſachen. — Es ſey mir erlaubt in beiden Beziehungen das Verhältniß
der Pflanzen zur Oberfläche der Erde in einer flüchtigen Skitze zu
zeichnen und zum Schluß mit etwas größerer Ausführlichkeit gleich-
ſam als ein mehr durchgeführtes Beiſpiel, die Verbreitung der wich-
tigern Nahrungs- und Nutzpflanzen auf der Erde zu ſchildern. —

Abhängigkeit der Pflanzenvertheilung von
phyſicaliſchen Verhältniſſen
.

Vom kleinſten, beſchränkteſten Kreiſe müſſen wir hier ausgehen,
um uns zuletzt über die ganze Erde auszubreiten. Der kleine Anfang
der umfaſſenden Pflanzengeographie iſt die alltägliche Frage: wo
wächſt die Pflanze? und jede Botanik handelt mehr oder weniger
oberflächlich ein Kapitel von den ſogenannten Standorten, dem
Wohnort und Vaterland der Pflanze ab. Schon bei dieſen erſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="224"/>
tur und Bodenverhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich zu&#x017F;ammenfänden? Doch genug, &#x017F;chon<lb/>
ein einziges Bei&#x017F;piel würde hinreichen, darauf aufmerk&#x017F;am zu machen,<lb/>
daß es eine Vertheilungswei&#x017F;e der Pflanzen auf der Erde giebt, die<lb/>
von den uns bekannten Bedingungen der Vegetation nicht hervor-<lb/>
gerufen, durch die&#x017F;elbe nicht erklärt wird. &#x2014; Wir erhalten hier<lb/>
nebeneinander zwei ganz ver&#x017F;chiedene Gruppen von Kenntni&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
&#x017F;ich auf die&#x017F;elben Pflanzen beziehen, denn jede zeigt in ihrer Wei&#x017F;e<lb/>
beide Arten der Verbreitung. Es liegen neben einander eine auflös-<lb/>
liche und eine unauflösliche Aufgabe, die er&#x017F;tere auflöslich, weil die<lb/>
Frage be&#x017F;timmt ge&#x017F;tellt werden konnte und durch A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi><lb/>
ge&#x017F;tellt i&#x017F;t: nämlich die Abhängigkeit der Verbreitung der Pflanzen<lb/>
von den phy&#x017F;icali&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;en des Erdkörpers, &#x2014; die zweite<lb/>
unauflöslich, weil wir eben keine be&#x017F;timmte Aufgabe, deren Lö&#x017F;ung<lb/>
&#x017F;ich die For&#x017F;chung zuwenden könnte, auf&#x017F;tellen <choice><sic>könnne</sic><corr>könne</corr></choice>. In der er&#x017F;ten<lb/>
Beziehung können wir daher die &#x017F;ämmtlichen That&#x017F;achen in einen<lb/>
erklärenden Zu&#x017F;ammenhang bringen, aus dem letzten Ge&#x017F;ichtspunct<lb/>
erhalten wir dagegen nichts als ein Aggregat unter &#x017F;ich unzu&#x017F;ammen-<lb/>
hängender, zur Zeit noch keiner Erklärung fähiger, aber vielleicht eben<lb/>
deshalb um &#x017F;o mehr das Intere&#x017F;&#x017F;e in An&#x017F;pruch nehmender That-<lb/>
&#x017F;achen. &#x2014; Es &#x017F;ey mir erlaubt in beiden Beziehungen das Verhältniß<lb/>
der Pflanzen zur Oberfläche der Erde in einer flüchtigen Skitze zu<lb/>
zeichnen und zum Schluß mit etwas größerer Ausführlichkeit gleich-<lb/>
&#x017F;am als ein mehr durchgeführtes Bei&#x017F;piel, die Verbreitung der wich-<lb/>
tigern Nahrungs- und Nutzpflanzen auf der Erde zu &#x017F;childern. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Abhängigkeit der Pflanzenvertheilung von<lb/>
phy&#x017F;icali&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;en</hi>.</head><lb/>
          <p>Vom klein&#x017F;ten, be&#x017F;chränkte&#x017F;ten Krei&#x017F;e mü&#x017F;&#x017F;en wir hier ausgehen,<lb/>
um uns zuletzt über die ganze Erde auszubreiten. Der kleine Anfang<lb/>
der umfa&#x017F;&#x017F;enden Pflanzengeographie i&#x017F;t die alltägliche Frage: wo<lb/>
wäch&#x017F;t die Pflanze? und jede Botanik handelt mehr oder weniger<lb/>
oberflächlich ein Kapitel von den &#x017F;ogenannten Standorten, dem<lb/>
Wohnort und Vaterland der Pflanze ab. Schon bei die&#x017F;en er&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0240] tur und Bodenverhältniſſe ſich zuſammenfänden? Doch genug, ſchon ein einziges Beiſpiel würde hinreichen, darauf aufmerkſam zu machen, daß es eine Vertheilungsweiſe der Pflanzen auf der Erde giebt, die von den uns bekannten Bedingungen der Vegetation nicht hervor- gerufen, durch dieſelbe nicht erklärt wird. — Wir erhalten hier nebeneinander zwei ganz verſchiedene Gruppen von Kenntniſſen, die ſich auf dieſelben Pflanzen beziehen, denn jede zeigt in ihrer Weiſe beide Arten der Verbreitung. Es liegen neben einander eine auflös- liche und eine unauflösliche Aufgabe, die erſtere auflöslich, weil die Frage beſtimmt geſtellt werden konnte und durch A. v. Humboldt geſtellt iſt: nämlich die Abhängigkeit der Verbreitung der Pflanzen von den phyſicaliſchen Verhältniſſen des Erdkörpers, — die zweite unauflöslich, weil wir eben keine beſtimmte Aufgabe, deren Löſung ſich die Forſchung zuwenden könnte, aufſtellen könne. In der erſten Beziehung können wir daher die ſämmtlichen Thatſachen in einen erklärenden Zuſammenhang bringen, aus dem letzten Geſichtspunct erhalten wir dagegen nichts als ein Aggregat unter ſich unzuſammen- hängender, zur Zeit noch keiner Erklärung fähiger, aber vielleicht eben deshalb um ſo mehr das Intereſſe in Anſpruch nehmender That- ſachen. — Es ſey mir erlaubt in beiden Beziehungen das Verhältniß der Pflanzen zur Oberfläche der Erde in einer flüchtigen Skitze zu zeichnen und zum Schluß mit etwas größerer Ausführlichkeit gleich- ſam als ein mehr durchgeführtes Beiſpiel, die Verbreitung der wich- tigern Nahrungs- und Nutzpflanzen auf der Erde zu ſchildern. — Abhängigkeit der Pflanzenvertheilung von phyſicaliſchen Verhältniſſen. Vom kleinſten, beſchränkteſten Kreiſe müſſen wir hier ausgehen, um uns zuletzt über die ganze Erde auszubreiten. Der kleine Anfang der umfaſſenden Pflanzengeographie iſt die alltägliche Frage: wo wächſt die Pflanze? und jede Botanik handelt mehr oder weniger oberflächlich ein Kapitel von den ſogenannten Standorten, dem Wohnort und Vaterland der Pflanze ab. Schon bei dieſen erſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/240
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/240>, abgerufen am 29.03.2024.