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Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874.

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unmöglichkeit der existenz eines byzant. ortes.
Stellen besteht, die Trümmer aus griechischer Zeit bis
an die Oberfläche reichen, und dass ich in mehrern
Brunnen unmittelbar an der Oberfläche schon auf die
Mauern der griechischen Häuser stosse.

Es ist unmöglich, dass eine byzantinische Stadt
oder ein byzantinisches Dorf, ja auch nur ein einziges
byzantinisches Haus auf diesem, die Ruinen einer ur-
alten Stadt bergenden steinharten Boden gestanden
haben kann, ohne die deutlichsten Spuren seiner
Existenz zurückzulassen, denn hier wo es neun und
zehn Monate im Jahre nur bei den seltenen Gewittern
regnet, verwittern und vergehen die Erzeugnisse
menschlichen Kunstfleisses nicht wie in Ländern, wo
es häufig regnet; ja, die Bruchstücke von Sculpturen
und Inschriften, die ich hier in der Pergamos und auf
dem übrigen Stadtgebiete an der Oberfläche finde und
die wenigstens 1500 Jahre lang unter freiem Himmel
gelegen haben, sind noch fast ebenso frisch, als wenn
sie gestern gemacht wären.

Als ich, mich auf die Angaben des Herrn Frank
Calvert verlassend, dachte, dass Ilium noch lange unter
byzantinischer Herrschaft bewohnt gewesen sei, da
schrieb ich auch der byzantinischen Architektur jene
aus korinthischen Säulen und Cement errichtete, 3 Me-
ter dicke Mauer zu, deren Durchbrechung an der Süd-
ostecke der Pergamos mir sehr viel Mühe gekostet hat.
Jetzt aber muss ich glauben, dass der Minervatempel,
von dem diese Säulen stammen, durch den frommen Eifer
der ersten Christen schon unter Constantin dem Grossen
oder spätestens unter Constantin II. zerstört und gleich-
zeitig aus seinen Trümmern diese Mauer errichtet ist.


unmöglichkeit der existenz eines byzant. ortes.
Stellen besteht, die Trümmer aus griechischer Zeit bis
an die Oberfläche reichen, und dass ich in mehrern
Brunnen unmittelbar an der Oberfläche schon auf die
Mauern der griechischen Häuser stosse.

Es ist unmöglich, dass eine byzantinische Stadt
oder ein byzantinisches Dorf, ja auch nur ein einziges
byzantinisches Haus auf diesem, die Ruinen einer ur-
alten Stadt bergenden steinharten Boden gestanden
haben kann, ohne die deutlichsten Spuren seiner
Existenz zurückzulassen, denn hier wo es neun und
zehn Monate im Jahre nur bei den seltenen Gewittern
regnet, verwittern und vergehen die Erzeugnisse
menschlichen Kunstfleisses nicht wie in Ländern, wo
es häufig regnet; ja, die Bruchstücke von Sculpturen
und Inschriften, die ich hier in der Pergamos und auf
dem übrigen Stadtgebiete an der Oberfläche finde und
die wenigstens 1500 Jahre lang unter freiem Himmel
gelegen haben, sind noch fast ebenso frisch, als wenn
sie gestern gemacht wären.

Als ich, mich auf die Angaben des Herrn Frank
Calvert verlassend, dachte, dass Ilium noch lange unter
byzantinischer Herrschaft bewohnt gewesen sei, da
schrieb ich auch der byzantinischen Architektur jene
aus korinthischen Säulen und Cement errichtete, 3 Me-
ter dicke Mauer zu, deren Durchbrechung an der Süd-
ostecke der Pergamos mir sehr viel Mühe gekostet hat.
Jetzt aber muss ich glauben, dass der Minervatempel,
von dem diese Säulen stammen, durch den frommen Eifer
der ersten Christen schon unter Constantin dem Grossen
oder spätestens unter Constantin II. zerstört und gleich-
zeitig aus seinen Trümmern diese Mauer errichtet ist.


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[287/0353] unmöglichkeit der existenz eines byzant. ortes. Stellen besteht, die Trümmer aus griechischer Zeit bis an die Oberfläche reichen, und dass ich in mehrern Brunnen unmittelbar an der Oberfläche schon auf die Mauern der griechischen Häuser stosse. Es ist unmöglich, dass eine byzantinische Stadt oder ein byzantinisches Dorf, ja auch nur ein einziges byzantinisches Haus auf diesem, die Ruinen einer ur- alten Stadt bergenden steinharten Boden gestanden haben kann, ohne die deutlichsten Spuren seiner Existenz zurückzulassen, denn hier wo es neun und zehn Monate im Jahre nur bei den seltenen Gewittern regnet, verwittern und vergehen die Erzeugnisse menschlichen Kunstfleisses nicht wie in Ländern, wo es häufig regnet; ja, die Bruchstücke von Sculpturen und Inschriften, die ich hier in der Pergamos und auf dem übrigen Stadtgebiete an der Oberfläche finde und die wenigstens 1500 Jahre lang unter freiem Himmel gelegen haben, sind noch fast ebenso frisch, als wenn sie gestern gemacht wären. Als ich, mich auf die Angaben des Herrn Frank Calvert verlassend, dachte, dass Ilium noch lange unter byzantinischer Herrschaft bewohnt gewesen sei, da schrieb ich auch der byzantinischen Architektur jene aus korinthischen Säulen und Cement errichtete, 3 Me- ter dicke Mauer zu, deren Durchbrechung an der Süd- ostecke der Pergamos mir sehr viel Mühe gekostet hat. Jetzt aber muss ich glauben, dass der Minervatempel, von dem diese Säulen stammen, durch den frommen Eifer der ersten Christen schon unter Constantin dem Grossen oder spätestens unter Constantin II. zerstört und gleich- zeitig aus seinen Trümmern diese Mauer errichtet ist.

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Zitationshilfe: Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/353>, abgerufen am 23.04.2024.