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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772.

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Zusammenh. der Begebenheiten.
§. 21.

Das gewöhnlichste Mittel, den Syn-
chronismus zu erlernen, waren bisher Zah-
len. Man hielt dieses so gar für das ein-
zige Mittel. Man nahm dazu grosse Zah-
len, von Erschaffung der Welt angerechnet.
Und endlich entstand der Schulbegriff, daß
derjenige den Synchronismus oder die Chro-
nologie verstünde, der seinem Gedächtnisse
eine Menge solcher Zahlen aufgeladen hätte.

Zahlen sind überhaupt eine Folter des
Gedächtnisses: und je grösser sie sind, je
lästiger fallen sie. Jndessen man muß Zah-
len haben; nur sehe man sie nicht als Ab-
sicht, sondern bloß wie Mittel, an. Jm
System der Weltgeschichte ist es uns um
Zeitalter zu thun, um die Verhältnisse der
Begebenheiten gegen einander einzusehen:
und zur Auffindung dieser Zeitalter sollen
Zahlen dienen, wie ein Gerüste zur Auffüh-
rung eines Gebäudes. Nur häufe man
die Zahlen nicht ohne Noth; nur nehme

man
D 2
Zuſammenh. der Begebenheiten.
§. 21.

Das gewoͤhnlichſte Mittel, den Syn-
chronismus zu erlernen, waren bisher Zah-
len. Man hielt dieſes ſo gar fuͤr das ein-
zige Mittel. Man nahm dazu groſſe Zah-
len, von Erſchaffung der Welt angerechnet.
Und endlich entſtand der Schulbegriff, daß
derjenige den Synchronismus oder die Chro-
nologie verſtuͤnde, der ſeinem Gedaͤchtniſſe
eine Menge ſolcher Zahlen aufgeladen haͤtte.

Zahlen ſind uͤberhaupt eine Folter des
Gedaͤchtniſſes: und je groͤſſer ſie ſind, je
laͤſtiger fallen ſie. Jndeſſen man muß Zah-
len haben; nur ſehe man ſie nicht als Ab-
ſicht, ſondern bloß wie Mittel, an. Jm
Syſtem der Weltgeſchichte iſt es uns um
Zeitalter zu thun, um die Verhaͤltniſſe der
Begebenheiten gegen einander einzuſehen:
und zur Auffindung dieſer Zeitalter ſollen
Zahlen dienen, wie ein Geruͤſte zur Auffuͤh-
rung eines Gebaͤudes. Nur haͤufe man
die Zahlen nicht ohne Noth; nur nehme

man
D 2
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[51/0063] Zuſammenh. der Begebenheiten. §. 21. Das gewoͤhnlichſte Mittel, den Syn- chronismus zu erlernen, waren bisher Zah- len. Man hielt dieſes ſo gar fuͤr das ein- zige Mittel. Man nahm dazu groſſe Zah- len, von Erſchaffung der Welt angerechnet. Und endlich entſtand der Schulbegriff, daß derjenige den Synchronismus oder die Chro- nologie verſtuͤnde, der ſeinem Gedaͤchtniſſe eine Menge ſolcher Zahlen aufgeladen haͤtte. Zahlen ſind uͤberhaupt eine Folter des Gedaͤchtniſſes: und je groͤſſer ſie ſind, je laͤſtiger fallen ſie. Jndeſſen man muß Zah- len haben; nur ſehe man ſie nicht als Ab- ſicht, ſondern bloß wie Mittel, an. Jm Syſtem der Weltgeſchichte iſt es uns um Zeitalter zu thun, um die Verhaͤltniſſe der Begebenheiten gegen einander einzuſehen: und zur Auffindung dieſer Zeitalter ſollen Zahlen dienen, wie ein Geruͤſte zur Auffuͤh- rung eines Gebaͤudes. Nur haͤufe man die Zahlen nicht ohne Noth; nur nehme man D 2

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Zitationshilfe: Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/63>, abgerufen am 24.04.2024.