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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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§. 156.

Wir liessen sie alle viere in Beyseyn des ältern Herrn Paters
zusammen kommen, fanden aber wiederum schlechte Hertzlichkeit an denen
dreyen gegen den armen Fixel, aber gegen sich drey unter einander war grosse
Vertraulichkeit, wir mustens geschehen lassen, so gut es auch gehen wolte.
Jch an meinem Theile konnte solche Versöhnungs-Comoedie nicht mit an-
hören, noch zuschauen, sondern setzete mich in einem Winckel auf der Ge-
richts-Stube, und flehete in meinem Hertzen zu GOtt, Fixel als ein abge-
stossenes Schaaf kam zu mir in den Winckel und suchte Weide.

§. 157.

Jndessen da solche so gut als fruchtlose Versöhnung geen-
diget war, gaben wir Lutherische Prediger dem HErrn Pater unsern Fixel
gäntzlich über, ihn zu versuchen und zu überzeugen, ob er auf die übrige drey
Personen, Warheit oder Unwarheit ausgesaget? Da er aber beständig
bey der Warheit blieb, und überdem noch etwas zur Bestärckung der
Warheit sagete, nemlich: Jch habe den Schieffer-Decker alle mein Lebtage
nicht, ausser bey der Damm-Mühlen gesehen, würde ihn noch nicht gekandt
haben, wenn meine Frau die Fixelin nicht gesaget hätte: Siehe, da ist auch
der kleine Christoph, konnte man nochmals von seiner Aufrichtigkeit in der
Confession bekräfftiget bleiben.

§. 158.

Lauter betrübte und confuse Dinge sind bißhero bey gesuch-
ter Bekehrung dieser Leute vorgangen und in die Historie geflossen, so gerne
man auch was besseres und erbaulichers von allen vier Malefitz-Personen
hätte schreiben, und wie sie als lenckbare Menschen sich hätten geholffen ge-
sehen, melden wollen, so ferne von denen meisten auch nur eine Funcke recht
herfür geblitzet hätte; Aber siehe, was heute unvermuthet der heilige GOtt
am 20. Febr. als am letzten Tage vor dem Tode dieser Leute gnädig wür-
ckete, und wie diejenige Arbeit, so wir an Kranichfelden gehabt, so sauer sie
uns auch bißher gemachet worden, unsre Hoffnung nicht gäntzlich verlohren
gegeben. Ach man arbeite nur, bevorab in den Gefängnissen, ohne eitele Ab-
sichten, in hertzlicher Liebe, Gedult und Hoffnung! Hoffnung lässet nicht
zu schanden werden. Es muste richtig eintreffen, was mehrmals zum
Schieffer-Decker bereits gesaget hatte, da er am hefftigsten auf mich stum-
pfete, mich schalt und wol gar schimpffete, er möchte solches nur sachte thun,
ich würde noch den Tag erleben, da ihme dieses alles die grösseste Betrübniß
würde bringen, und sein eigener Mund solte es noch öffentlich bekennen, daß
er mich für einen gantzen andern Mann hielte. Denn das kan man sich
sicher zum voraus versprechen, daß unsere Treue, Gedult und Fleiß zuletzt

muß
N 3
§. 156.

Wir lieſſen ſie alle viere in Beyſeyn des aͤltern Herrn Paters
zuſammen kommen, fanden aber wiederum ſchlechte Hertzlichkeit an denen
dreyen gegen den armen Fixel, aber gegen ſich drey unter einander war groſſe
Vertraulichkeit, wir muſtens geſchehen laſſen, ſo gut es auch gehen wolte.
Jch an meinem Theile konnte ſolche Verſoͤhnungs-Comœdie nicht mit an-
hoͤren, noch zuſchauen, ſondern ſetzete mich in einem Winckel auf der Ge-
richts-Stube, und flehete in meinem Hertzen zu GOtt, Fixel als ein abge-
ſtoſſenes Schaaf kam zu mir in den Winckel und ſuchte Weide.

§. 157.

Jndeſſen da ſolche ſo gut als fruchtloſe Verſoͤhnung geen-
diget war, gaben wir Lutheriſche Prediger dem HErrn Pater unſern Fixel
gaͤntzlich uͤber, ihn zu verſuchen und zu uͤberzeugen, ob er auf die uͤbrige drey
Perſonen, Warheit oder Unwarheit ausgeſaget? Da er aber beſtaͤndig
bey der Warheit blieb, und uͤberdem noch etwas zur Beſtaͤrckung der
Warheit ſagete, nemlich: Jch habe den Schieffer-Decker alle mein Lebtage
nicht, auſſer bey der Damm-Muͤhlen geſehen, wuͤrde ihn noch nicht gekandt
haben, wenn meine Frau die Fixelin nicht geſaget haͤtte: Siehe, da iſt auch
der kleine Chriſtoph, konnte man nochmals von ſeiner Aufrichtigkeit in der
Confesſion bekraͤfftiget bleiben.

§. 158.

Lauter betruͤbte und confuſe Dinge ſind bißhero bey geſuch-
ter Bekehrung dieſer Leute vorgangen und in die Hiſtorie gefloſſen, ſo gerne
man auch was beſſeres und erbaulichers von allen vier Malefitz-Perſonen
haͤtte ſchreiben, und wie ſie als lenckbare Menſchen ſich haͤtten geholffen ge-
ſehen, melden wollen, ſo ferne von denen meiſten auch nur eine Funcke recht
herfuͤr geblitzet haͤtte; Aber ſiehe, was heute unvermuthet der heilige GOtt
am 20. Febr. als am letzten Tage vor dem Tode dieſer Leute gnaͤdig wuͤr-
ckete, und wie diejenige Arbeit, ſo wir an Kranichfelden gehabt, ſo ſauer ſie
uns auch bißher gemachet worden, unſre Hoffnung nicht gaͤntzlich verlohren
gegeben. Ach man arbeite nur, bevorab in den Gefaͤngniſſen, ohne eitele Ab-
ſichten, in hertzlicher Liebe, Gedult und Hoffnung! Hoffnung laͤſſet nicht
zu ſchanden werden. Es muſte richtig eintreffen, was mehrmals zum
Schieffer-Decker bereits geſaget hatte, da er am hefftigſten auf mich ſtum-
pfete, mich ſchalt und wol gar ſchimpffete, er moͤchte ſolches nur ſachte thun,
ich wuͤrde noch den Tag erleben, da ihme dieſes alles die groͤſſeſte Betruͤbniß
wuͤrde bringen, und ſein eigener Mund ſolte es noch oͤffentlich bekennen, daß
er mich fuͤr einen gantzen andern Mann hielte. Denn das kan man ſich
ſicher zum voraus verſprechen, daß unſere Treue, Gedult und Fleiß zuletzt

muß
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[101[99]/0107] §. 156. Wir lieſſen ſie alle viere in Beyſeyn des aͤltern Herrn Paters zuſammen kommen, fanden aber wiederum ſchlechte Hertzlichkeit an denen dreyen gegen den armen Fixel, aber gegen ſich drey unter einander war groſſe Vertraulichkeit, wir muſtens geſchehen laſſen, ſo gut es auch gehen wolte. Jch an meinem Theile konnte ſolche Verſoͤhnungs-Comœdie nicht mit an- hoͤren, noch zuſchauen, ſondern ſetzete mich in einem Winckel auf der Ge- richts-Stube, und flehete in meinem Hertzen zu GOtt, Fixel als ein abge- ſtoſſenes Schaaf kam zu mir in den Winckel und ſuchte Weide. §. 157. Jndeſſen da ſolche ſo gut als fruchtloſe Verſoͤhnung geen- diget war, gaben wir Lutheriſche Prediger dem HErrn Pater unſern Fixel gaͤntzlich uͤber, ihn zu verſuchen und zu uͤberzeugen, ob er auf die uͤbrige drey Perſonen, Warheit oder Unwarheit ausgeſaget? Da er aber beſtaͤndig bey der Warheit blieb, und uͤberdem noch etwas zur Beſtaͤrckung der Warheit ſagete, nemlich: Jch habe den Schieffer-Decker alle mein Lebtage nicht, auſſer bey der Damm-Muͤhlen geſehen, wuͤrde ihn noch nicht gekandt haben, wenn meine Frau die Fixelin nicht geſaget haͤtte: Siehe, da iſt auch der kleine Chriſtoph, konnte man nochmals von ſeiner Aufrichtigkeit in der Confesſion bekraͤfftiget bleiben. §. 158. Lauter betruͤbte und confuſe Dinge ſind bißhero bey geſuch- ter Bekehrung dieſer Leute vorgangen und in die Hiſtorie gefloſſen, ſo gerne man auch was beſſeres und erbaulichers von allen vier Malefitz-Perſonen haͤtte ſchreiben, und wie ſie als lenckbare Menſchen ſich haͤtten geholffen ge- ſehen, melden wollen, ſo ferne von denen meiſten auch nur eine Funcke recht herfuͤr geblitzet haͤtte; Aber ſiehe, was heute unvermuthet der heilige GOtt am 20. Febr. als am letzten Tage vor dem Tode dieſer Leute gnaͤdig wuͤr- ckete, und wie diejenige Arbeit, ſo wir an Kranichfelden gehabt, ſo ſauer ſie uns auch bißher gemachet worden, unſre Hoffnung nicht gaͤntzlich verlohren gegeben. Ach man arbeite nur, bevorab in den Gefaͤngniſſen, ohne eitele Ab- ſichten, in hertzlicher Liebe, Gedult und Hoffnung! Hoffnung laͤſſet nicht zu ſchanden werden. Es muſte richtig eintreffen, was mehrmals zum Schieffer-Decker bereits geſaget hatte, da er am hefftigſten auf mich ſtum- pfete, mich ſchalt und wol gar ſchimpffete, er moͤchte ſolches nur ſachte thun, ich wuͤrde noch den Tag erleben, da ihme dieſes alles die groͤſſeſte Betruͤbniß wuͤrde bringen, und ſein eigener Mund ſolte es noch oͤffentlich bekennen, daß er mich fuͤr einen gantzen andern Mann hielte. Denn das kan man ſich ſicher zum voraus verſprechen, daß unſere Treue, Gedult und Fleiß zuletzt muß N 3

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 101[99]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/107>, abgerufen am 19.04.2024.