Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite
Untersuchung/ derer von super-klugen
Das 78. Capitel.

Es ist nicht gut/ wenn man die Spin-
nen umbringet.

MAnch Weib oder abergläubische Magd
nähme nicht viel/ und brächte eine Spin-
ne um; und habe ich offt gesehen daß die
Spinnen ihnen sind über die Hände gelauffen/
ja sie haben ihnen gar über die Nase herab ge-
sponnen/ und dennoch haben sie die lieben Spin-
nen ohne Schaden paßiren lassen/ auch noch
überdiß vor sie gebeten/ wenn iemand anders sie
umbringen wollen/ und gesagt/ sie brächten
Glück. So gar sehr sind die abergläubischen
Närrin in solchen thörichten Possen ersoffen.
Ich will ihnen aber sagen/ woher diese albere
Meynung entsprungen sey: Es ist nicht gut
wenn man die Spinnen umbringet/ das ist
wahr/ und GOtt selbst lässet es nicht ungestrafft/
denn/ wer Menschen-Blut vergeußt/ des Blut
soll wieder vergossen werden; die Spinnen a-
ber (nehmlich diejenigen/ die Wolle oder Flachs
spinnen/) sind Menschen; wer demnach diese
Spinnen umbringen wolte/ der würde der O-
brigkeitlichen Rache nicht entgehen. Und solcher
gestalt ist es freylich nicht gut/ wenn man die
Spinnen umbringet; aber die Spinnen/ wel-
che als ein Ungezieffer die Logiamenter mit ih-

ren
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
Das 78. Capitel.

Es iſt nicht gut/ wenn man die Spin-
nen umbringet.

MAnch Weib oder aberglaͤubiſche Magd
naͤhme nicht viel/ und braͤchte eine Spin-
ne um; und habe ich offt geſehen daß die
Spinnen ihnen ſind uͤber die Haͤnde gelauffen/
ja ſie haben ihnen gar uͤber die Naſe herab ge-
ſponnen/ und dennoch haben ſie die lieben Spin-
nen ohne Schaden paßiren laſſen/ auch noch
uͤberdiß vor ſie gebeten/ wenn iemand anders ſie
umbringen wollen/ und geſagt/ ſie braͤchten
Gluͤck. So gar ſehr ſind die aberglaͤubiſchen
Naͤrrin in ſolchen thoͤrichten Poſſen erſoffen.
Ich will ihnen aber ſagen/ woher dieſe albere
Meynung entſprungen ſey: Es iſt nicht gut
wenn man die Spinnen umbringet/ das iſt
wahr/ und GOtt ſelbſt laͤſſet es nicht ungeſtrafft/
denn/ wer Menſchen-Blut vergeußt/ des Blut
ſoll wieder vergoſſen werden; die Spinnen a-
ber (nehmlich diejenigen/ die Wolle oder Flachs
ſpinnen/) ſind Menſchen; wer demnach dieſe
Spinnen umbringen wolte/ der wuͤrde der O-
brigkeitlichen Rache nicht entgehen. Und ſolcher
geſtalt iſt es freylich nicht gut/ wenn man die
Spinnen umbringet; aber die Spinnen/ wel-
che als ein Ungezieffer die Logiamenter mit ih-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0154" n="132"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Unter&#x017F;uchung/ derer von</hi> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#aq">&#x017F;uper-</hi> </hi> <hi rendition="#fr">klugen</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das 78. Capitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>Es i&#x017F;t nicht gut/ wenn man die Spin-<lb/><hi rendition="#c">nen umbringet.</hi></p>
        </argument><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>Anch Weib oder abergla&#x0364;ubi&#x017F;che Magd<lb/>
na&#x0364;hme nicht viel/ und bra&#x0364;chte eine Spin-<lb/>
ne um; und habe ich offt ge&#x017F;ehen daß die<lb/>
Spinnen ihnen &#x017F;ind u&#x0364;ber die Ha&#x0364;nde gelauffen/<lb/>
ja &#x017F;ie haben ihnen gar u&#x0364;ber die Na&#x017F;e herab ge-<lb/>
&#x017F;ponnen/ und dennoch haben &#x017F;ie die lieben Spin-<lb/>
nen ohne Schaden paßiren la&#x017F;&#x017F;en/ auch noch<lb/>
u&#x0364;berdiß vor &#x017F;ie gebeten/ wenn iemand anders &#x017F;ie<lb/>
umbringen wollen/ und ge&#x017F;agt/ &#x017F;ie bra&#x0364;chten<lb/>
Glu&#x0364;ck. So gar &#x017F;ehr &#x017F;ind die abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen<lb/>
Na&#x0364;rrin in &#x017F;olchen tho&#x0364;richten Po&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;offen.<lb/>
Ich will ihnen aber &#x017F;agen/ woher die&#x017F;e albere<lb/>
Meynung ent&#x017F;prungen &#x017F;ey: Es i&#x017F;t nicht gut<lb/>
wenn man die Spinnen umbringet/ das i&#x017F;t<lb/>
wahr/ und GOtt &#x017F;elb&#x017F;t la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et es nicht unge&#x017F;trafft/<lb/>
denn/ wer Men&#x017F;chen-Blut vergeußt/ des Blut<lb/>
&#x017F;oll wieder vergo&#x017F;&#x017F;en werden; die Spinnen a-<lb/>
ber (nehmlich diejenigen/ die Wolle oder Flachs<lb/>
&#x017F;pinnen/) &#x017F;ind Men&#x017F;chen; wer demnach die&#x017F;e<lb/>
Spinnen umbringen wolte/ der wu&#x0364;rde der O-<lb/>
brigkeitlichen Rache nicht entgehen. Und &#x017F;olcher<lb/>
ge&#x017F;talt i&#x017F;t es freylich nicht gut/ wenn man die<lb/>
Spinnen umbringet; aber die Spinnen/ wel-<lb/>
che als ein Ungezieffer die Logiamenter mit ih-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0154] Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen Das 78. Capitel. Es iſt nicht gut/ wenn man die Spin- nen umbringet. MAnch Weib oder aberglaͤubiſche Magd naͤhme nicht viel/ und braͤchte eine Spin- ne um; und habe ich offt geſehen daß die Spinnen ihnen ſind uͤber die Haͤnde gelauffen/ ja ſie haben ihnen gar uͤber die Naſe herab ge- ſponnen/ und dennoch haben ſie die lieben Spin- nen ohne Schaden paßiren laſſen/ auch noch uͤberdiß vor ſie gebeten/ wenn iemand anders ſie umbringen wollen/ und geſagt/ ſie braͤchten Gluͤck. So gar ſehr ſind die aberglaͤubiſchen Naͤrrin in ſolchen thoͤrichten Poſſen erſoffen. Ich will ihnen aber ſagen/ woher dieſe albere Meynung entſprungen ſey: Es iſt nicht gut wenn man die Spinnen umbringet/ das iſt wahr/ und GOtt ſelbſt laͤſſet es nicht ungeſtrafft/ denn/ wer Menſchen-Blut vergeußt/ des Blut ſoll wieder vergoſſen werden; die Spinnen a- ber (nehmlich diejenigen/ die Wolle oder Flachs ſpinnen/) ſind Menſchen; wer demnach dieſe Spinnen umbringen wolte/ der wuͤrde der O- brigkeitlichen Rache nicht entgehen. Und ſolcher geſtalt iſt es freylich nicht gut/ wenn man die Spinnen umbringet; aber die Spinnen/ wel- che als ein Ungezieffer die Logiamenter mit ih- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/154
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/154>, abgerufen am 28.03.2024.