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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung/ derer von super-klugen
stracks einer: Appetit erwecket/ in solcher fetten
Küchen bey denen Fleisch-Töpffen zu verblei-
ben/ zumahl wenn sie irgend vorhero bey einem
kargen oder hungrigen Herrn gedienet hat. A-
ber damit ists noch lange nicht ausgemacht/ daß
das Ofen-Gucken zur Eingewohnung denen
Mägden universal seyn müsse.

Das 99. Capitel.

Wer Lein säen lässet/ soll dem Säe-
mann ein Trinck-Geld geben/ sonst
verdirbt der Flachs.

ES müste einer eine gar dicke Nase haben/
und hefftig mit dem Schnupffen beladen
seyn/ der nicht riechen wolle/ wornach die-
se Meynung stincke/ oder woher sie entstanden
wäre. Denn es wird sich schwerlich ein ver-
nünfftiger Mensch einbilden konnen/ daß eine e-
lende Verehrung oder Trinckgeld/ die Krafft
haben solle/ daß der Flachs besser wachsen müsse.
Jedoch mag vielleicht die Sache folgender mas-
sen zu verstehen seyn: Wenn der Säemann ein
gut Trinck-Geld bekömmt/ so wendet er bessern
Fleiß drauff/ daß der Lein nicht zu dicke noch zu
dünne geworffen werde/ und fein zugleich wach-
sen könne. Wenn er aber nichts bekömmt/ so
ist er darob verdrüßlich/ und streuet den Saa-
men entweder zu dicke/ daß der Flachs nicht recht
wachsen kan/ oder zu dünne/ so wird der Flachs

grobhärig

Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
ſtracks eineꝛ: Appetit erwecket/ in ſolcher fetten
Kuͤchen bey denen Fleiſch-Toͤpffen zu verblei-
ben/ zumahl wenn ſie irgend vorhero bey einem
kargen oder hungrigen Herrn gedienet hat. A-
ber damit iſts noch lange nicht ausgemacht/ daß
das Ofen-Gucken zur Eingewohnung denen
Maͤgden univerſal ſeyn muͤſſe.

Das 99. Capitel.

Wer Lein ſaͤen laͤſſet/ ſoll dem Saͤe-
mann ein Trinck-Geld geben/ ſonſt
verdirbt der Flachs.

ES muͤſte einer eine gar dicke Naſe haben/
und hefftig mit dem Schnupffen beladen
ſeyn/ der nicht riechen wolle/ wornach die-
ſe Meynung ſtincke/ oder woher ſie entſtanden
waͤre. Denn es wird ſich ſchwerlich ein ver-
nuͤnfftiger Menſch einbilden konnen/ daß eine e-
lende Verehrung oder Trinckgeld/ die Krafft
haben ſolle/ daß der Flachs beſſer wachſen muͤſſe.
Jedoch mag vielleicht die Sache folgender maſ-
ſen zu verſtehen ſeyn: Wenn der Saͤemann ein
gut Trinck-Geld bekoͤmmt/ ſo wendet er beſſern
Fleiß drauff/ daß der Lein nicht zu dicke noch zu
duͤnne geworffen werde/ und fein zugleich wach-
ſen koͤnne. Wenn er aber nichts bekoͤmmt/ ſo
iſt er darob verdruͤßlich/ und ſtreuet den Saa-
men entweder zu dicke/ daß der Flachs nicht recht
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[166/0188] Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen ſtracks eineꝛ: Appetit erwecket/ in ſolcher fetten Kuͤchen bey denen Fleiſch-Toͤpffen zu verblei- ben/ zumahl wenn ſie irgend vorhero bey einem kargen oder hungrigen Herrn gedienet hat. A- ber damit iſts noch lange nicht ausgemacht/ daß das Ofen-Gucken zur Eingewohnung denen Maͤgden univerſal ſeyn muͤſſe. Das 99. Capitel. Wer Lein ſaͤen laͤſſet/ ſoll dem Saͤe- mann ein Trinck-Geld geben/ ſonſt verdirbt der Flachs. ES muͤſte einer eine gar dicke Naſe haben/ und hefftig mit dem Schnupffen beladen ſeyn/ der nicht riechen wolle/ wornach die- ſe Meynung ſtincke/ oder woher ſie entſtanden waͤre. Denn es wird ſich ſchwerlich ein ver- nuͤnfftiger Menſch einbilden konnen/ daß eine e- lende Verehrung oder Trinckgeld/ die Krafft haben ſolle/ daß der Flachs beſſer wachſen muͤſſe. Jedoch mag vielleicht die Sache folgender maſ- ſen zu verſtehen ſeyn: Wenn der Saͤemann ein gut Trinck-Geld bekoͤmmt/ ſo wendet er beſſern Fleiß drauff/ daß der Lein nicht zu dicke noch zu duͤnne geworffen werde/ und fein zugleich wach- ſen koͤnne. Wenn er aber nichts bekoͤmmt/ ſo iſt er darob verdruͤßlich/ und ſtreuet den Saa- men entweder zu dicke/ daß der Flachs nicht recht wachſen kan/ oder zu duͤnne/ ſo wird der Flachs grobhaͤrig

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/188>, abgerufen am 28.03.2024.