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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Untersuchung derer von super-klugen
wöhnlich über denen Fenstern durch die Mau-
ern in die Stuben gehen/ geniessen nicht alleine
der Wärme auff der Stuben/ sondern hören al-
les was in der Stube sowohl Nachts als Tages
geredet wird. Am Tage stehlen und fressen sie
denen Hünern/ Gänsen und Tauben/ auch an-
dern nutzbaren Vieh ihr Futter hinweg/ und
dennoch heißt es: Wo die Sperlinge nisteln be-
deutets Glück; aber wäre nicht schon das zeitli-
che Glück vorhero da/ so würde es kein diebischer
Sperling bringen/ und mag hier so wohl mit de-
nen Schwalben/ bey denen armen Bauern/ als
auch mit denen Sperlingen/ bey manchen Rei-
chen das bekannte Sprichwort wohl statt finden:
Gleich und gleich gesellet sich gern. Denn bey
vielen reichen Leuten gehet es auch diebisch/ tü-
ckisch/ geil und wohllüstig genung zu/ nach rech-
ter Sperlings-Art. Wie denn jene vornehme
geile Dame/ als ihr ein Priester ihre Geilheit
verwieß/ und die Turtel-Taube zum Fürbilde
vorstellete/ sagte: Wenn er ihr wolte einen Vo-
gel zum Lehrmeister geben/ solle er den Sperling
nehmen. Auch ist manchen sein gantz Vermögen
und Reichthum auff Sperlings-Art mit List/
Dieberey/ Schinderey/ Unzucht und derglei-
chen zusammen gebracht/ und wird auch auff
solche Art erhalten. Da es denn nicht zu ver-
wundern ist/ wenn solche Vögel geduldet wer-

den/

Unterſuchung derer von ſuper-klugen
woͤhnlich uͤber denen Fenſtern durch die Mau-
ern in die Stuben gehen/ genieſſen nicht alleine
der Waͤrme auff der Stuben/ ſondern hoͤren al-
les was in der Stube ſowohl Nachts als Tages
geredet wird. Am Tage ſtehlen und freſſen ſie
denen Huͤnern/ Gaͤnſen und Tauben/ auch an-
dern nutzbaren Vieh ihr Futter hinweg/ und
dennoch heißt es: Wo die Sperlinge niſteln be-
deutets Gluͤck; aber waͤre nicht ſchon das zeitli-
che Gluͤck vorhero da/ ſo wuͤrde es kein diebiſcher
Sperling bringen/ und mag hier ſo wohl mit de-
nen Schwalben/ bey denen armen Bauern/ als
auch mit denen Sperlingen/ bey manchen Rei-
chen das bekannte Sprichwort wohl ſtatt finden:
Gleich und gleich geſellet ſich gern. Denn bey
vielen reichen Leuten gehet es auch diebiſch/ tuͤ-
ckiſch/ geil und wohlluͤſtig genung zu/ nach rech-
ter Sperlings-Art. Wie denn jene vornehme
geile Dame/ als ihr ein Prieſter ihre Geilheit
verwieß/ und die Turtel-Taube zum Fuͤrbilde
vorſtellete/ ſagte: Wenn er ihr wolte einen Vo-
gel zum Lehrmeiſter geben/ ſolle er den Sperling
nehmen. Auch iſt manchen ſein gantz Vermoͤgen
und Reichthum auff Sperlings-Art mit Liſt/
Dieberey/ Schinderey/ Unzucht und derglei-
chen zuſammen gebracht/ und wird auch auff
ſolche Art erhalten. Da es denn nicht zu ver-
wundern iſt/ wenn ſolche Voͤgel geduldet wer-

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[318/0142] Unterſuchung derer von ſuper-klugen woͤhnlich uͤber denen Fenſtern durch die Mau- ern in die Stuben gehen/ genieſſen nicht alleine der Waͤrme auff der Stuben/ ſondern hoͤren al- les was in der Stube ſowohl Nachts als Tages geredet wird. Am Tage ſtehlen und freſſen ſie denen Huͤnern/ Gaͤnſen und Tauben/ auch an- dern nutzbaren Vieh ihr Futter hinweg/ und dennoch heißt es: Wo die Sperlinge niſteln be- deutets Gluͤck; aber waͤre nicht ſchon das zeitli- che Gluͤck vorhero da/ ſo wuͤrde es kein diebiſcher Sperling bringen/ und mag hier ſo wohl mit de- nen Schwalben/ bey denen armen Bauern/ als auch mit denen Sperlingen/ bey manchen Rei- chen das bekannte Sprichwort wohl ſtatt finden: Gleich und gleich geſellet ſich gern. Denn bey vielen reichen Leuten gehet es auch diebiſch/ tuͤ- ckiſch/ geil und wohlluͤſtig genung zu/ nach rech- ter Sperlings-Art. Wie denn jene vornehme geile Dame/ als ihr ein Prieſter ihre Geilheit verwieß/ und die Turtel-Taube zum Fuͤrbilde vorſtellete/ ſagte: Wenn er ihr wolte einen Vo- gel zum Lehrmeiſter geben/ ſolle er den Sperling nehmen. Auch iſt manchen ſein gantz Vermoͤgen und Reichthum auff Sperlings-Art mit Liſt/ Dieberey/ Schinderey/ Unzucht und derglei- chen zuſammen gebracht/ und wird auch auff ſolche Art erhalten. Da es denn nicht zu ver- wundern iſt/ wenn ſolche Voͤgel geduldet wer- den/

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/142>, abgerufen am 28.03.2024.