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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Hochzeit mit ihr machte. Als nun aber auff der
Hochzeit die erste mit ihrer Mutter in dem Spei-
se-Gewölbe geschäfftig war/ sagte die Mutter
zu ihr: Siehest du/ Gretgen/ was deine Schwe-
ster ietzt vor Ehre hat? Wenn du dich hättest
fein gehalten/ so hättest du diese Ehre gehabt.
Ja/ Frau Mutter/ sagte die geschändete Toch-
ter/ sie sagt mir wohl viel von der Ehre her/ aber
nicht von Unkosten. Was kostet wohlietzt diese
Hochzeit? meines kostet noch lange nicht halb so
viel/ als dieses; drum lobe ich die liebe Schande/
denn die Ehre ist zu kostbar. Also machens Ehr-
und ruchlose Gemüther/ und halten die wüste
Fortunam für ihren besten Schatz/ GOtt gebe/
sie komme vom Himmel oder vom Galgen/ wenn
nur gut Leben dabey gehoffet wird. Hingegen
stinckt die Zucht und Erbarkeit/ als welche ge-
meiniglich das Creutz zum Wanderstabe hat/ sol-
che Welt-Säue an. Da muß/ ihren verfluch-
ten Gedancken nach/ eine Hure besser Glück
bringen/ als eine züchtige Jungfrau/ oder ein
ehrlicher Priester. Und hat es der Teuffel lei-
der! so weit gebracht/ daß eine liederliche Spiel-
Compagnie gemeiniglich ungerne siehet/ wenn
ein ehrlich Mensch darzu kömmt/ weil sie mey-
nen/ sie verlöhren dadurch ihr Glück. Ist das
nicht eine verfluchte Thorheit! Wenn gleich ein
Priester oder auch ehrliche Jungfrau ihr Creutz

und
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Hochzeit mit ihr machte. Als nun aber auff der
Hochzeit die erſte mit ihꝛer Mutter in dem Spei-
ſe-Gewoͤlbe geſchaͤfftig war/ ſagte die Mutter
zu ihr: Sieheſt du/ Gretgen/ was deine Schwe-
ſter ietzt vor Ehre hat? Wenn du dich haͤtteſt
fein gehalten/ ſo haͤtteſt du dieſe Ehre gehabt.
Ja/ Frau Mutter/ ſagte die geſchaͤndete Toch-
ter/ ſie ſagt mir wohl viel von der Ehre her/ aber
nicht von Unkoſten. Was koſtet wohlietzt dieſe
Hochzeit? meines koſtet noch lange nicht halb ſo
viel/ als dieſes; drum lobe ich die liebe Schande/
denn die Ehre iſt zu koſtbar. Alſo machens Ehr-
und ruchloſe Gemuͤther/ und halten die wuͤſte
Fortunam fuͤr ihren beſten Schatz/ GOtt gebe/
ſie komme vom Himmel oder vom Galgen/ wenn
nur gut Leben dabey gehoffet wird. Hingegen
ſtinckt die Zucht und Erbarkeit/ als welche ge-
meiniglich das Creutz zum Wanderſtabe hat/ ſol-
che Welt-Saͤue an. Da muß/ ihren verfluch-
ten Gedancken nach/ eine Hure beſſer Gluͤck
bringen/ als eine zuͤchtige Jungfrau/ oder ein
ehrlicher Prieſter. Und hat es der Teuffel lei-
der! ſo weit gebracht/ daß eine liederliche Spiel-
Compagnie gemeiniglich ungerne ſiehet/ wenn
ein ehrlich Menſch darzu koͤmmt/ weil ſie mey-
nen/ ſie verloͤhren dadurch ihr Gluͤck. Iſt das
nicht eine verfluchte Thorheit! Wenn gleich ein
Prieſter oder auch ehrliche Jungfrau ihr Creutz

und
B b 3
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[389/0213] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Hochzeit mit ihr machte. Als nun aber auff der Hochzeit die erſte mit ihꝛer Mutter in dem Spei- ſe-Gewoͤlbe geſchaͤfftig war/ ſagte die Mutter zu ihr: Sieheſt du/ Gretgen/ was deine Schwe- ſter ietzt vor Ehre hat? Wenn du dich haͤtteſt fein gehalten/ ſo haͤtteſt du dieſe Ehre gehabt. Ja/ Frau Mutter/ ſagte die geſchaͤndete Toch- ter/ ſie ſagt mir wohl viel von der Ehre her/ aber nicht von Unkoſten. Was koſtet wohlietzt dieſe Hochzeit? meines koſtet noch lange nicht halb ſo viel/ als dieſes; drum lobe ich die liebe Schande/ denn die Ehre iſt zu koſtbar. Alſo machens Ehr- und ruchloſe Gemuͤther/ und halten die wuͤſte Fortunam fuͤr ihren beſten Schatz/ GOtt gebe/ ſie komme vom Himmel oder vom Galgen/ wenn nur gut Leben dabey gehoffet wird. Hingegen ſtinckt die Zucht und Erbarkeit/ als welche ge- meiniglich das Creutz zum Wanderſtabe hat/ ſol- che Welt-Saͤue an. Da muß/ ihren verfluch- ten Gedancken nach/ eine Hure beſſer Gluͤck bringen/ als eine zuͤchtige Jungfrau/ oder ein ehrlicher Prieſter. Und hat es der Teuffel lei- der! ſo weit gebracht/ daß eine liederliche Spiel- Compagnie gemeiniglich ungerne ſiehet/ wenn ein ehrlich Menſch darzu koͤmmt/ weil ſie mey- nen/ ſie verloͤhren dadurch ihr Gluͤck. Iſt das nicht eine verfluchte Thorheit! Wenn gleich ein Prieſter oder auch ehrliche Jungfrau ihr Creutz und B b 3

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/213>, abgerufen am 28.03.2024.