Die landwirtschaftliche Unternehmung. Das Handwerk.
wirtschaftlichen Betriebe an Familienwirtschaften angelehnt, so gilt im gewerblichen Leben Ähnliches, solange es die Stufe des Handwerks nicht überschreitet.
Wir verstehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien- wirtschaft des Inhabers verbundene Geschäft eines durch irgend eine besondere technisch- gewerbliche Geschicklichkeit sich auszeichnenden Meisters, der allein oder mit seiner Familie oder wenigen Gehülfen für Kunden arbeitet, an sie seine Arbeit oder seine Produkte verkauft. Wir haben oben (S. 349--350) die Entstehung des Handwerks auf dem Boden der Arbeitsteilung, die sociale Stellung der Handwerker, die Zeit ihrer Hauptblüte kennen gelernt; hier haben wir von dem Handwerk als einer Betriebs- und Unternehmungsform, als dem Ansatz und Keim der späteren vollen gewerblichen Unternehmung zu sprechen; es versteht sich, daß wir dabei wesentlich das Handwerk in der Epoche seiner vollen Ausbildung im Auge haben; es handelt sich hauptsächlich um das städtische Handwerk, wie es nach Ausbildung der Geldwirtschaft sich entwickelte, später auch auf das platte Land sich ausdehnte.
Der Handwerker ist ein Mann, der durch bestimmte, eigentümliche, technische Kunstfertigkeit sich von seinen Stammes- und Gemeindegenossen unterscheidet, von seiner Arbeit und Kunst zu leben sucht. Er thut es, indem er hausierend oder am Ort und in der Umgebung seine Dienste anbietet, in der Hauswirtschaft anderer Familien als technischer Hülfsarbeiter, als Schneider, Schlächter, Küfer gegen Kost und Bezahlung mithilft, dann aber, indem er mit seinem einfachen Handwerkszeug zu Hause in seiner kleinen Werkstatt für Kunden auf Bestellung arbeitet oder einige Waren auf Vorrat für den örtlichen Markt und die nächstliegenden Jahrmärkte herstellt und zu verkaufen sucht. Wo er seßhaft geworden ist, läßt er sich bei seiner Arbeit von Frau und Kindern, ist sie etwas umfangreicher, von Lehrling und Gesellen helfen. Sein Geschäft bleibt meist in engster Verbindung mit der Familienwirtschaft; Wohnung und Werkstatt fallen nicht immer, aber sehr häufig zusammen; Lehrling und Geselle werden als Familienglieder behandelt. Anderes Kapital als die Werkzeuge und etwas Rohstoffe sind nicht vorhanden; glücklich, wenn der Meister noch Häuschen und Gartenstück besitzt; oft wohnt er zur Miete; die Werkstatt oder Bude gehört teilweise der Stadt, der Zunft oder einem anderen Herrn. Mag er vielfach nebenher durch Besitz und Eigenwirtschaft eine wirtschaftliche Sicherung der Existenz haben, im ganzen will er von seiner Arbeit, seinem Gewerbe leben; und er kann es, wenn er eine genügende Kundenzahl findet; seine Stellung als Geschäfts- mann beruht wesentlich darauf, daß er direkt für die ihm bekannten, oftmals befreundeten Kunden arbeitet, direkt ohne kaufmännische Zwischenglieder an die Kunden verkauft. Die persönlichen direkten Beziehungen des Meisters als Produzenten zu den Konsumenten auf dem Markt der Stadt und in der nächsten Umgebung unterscheidet die Betriebs- form des Handwerks von der Hausindustrie und der Großindustrie. Daß er viel mehr als der Bauer von dem Markte lebt, unterscheidet ihn von diesem. Der Handwerks- meister hat ein Geschäft, der Bauer einen Haushalt.
Freilich das Geschäft ist klein und beschränkt; es kennt keine wesentliche Arbeits- teilung, kein großes Risiko. Der Meister, der sich zu Wohlstand und Hausbesitz auf- arbeitet, dankt es mehr seiner Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit, als dem wagenden Mut, der Fähigkeit, den Absatz zu organisieren, wie Kaufmann und Fabrikant. Deshalb will Sombart das Handwerk nicht als Unternehmung gelten lassen. Aber immer muß der Meister Werkzeuge und Rohstoff anschaffen, er muß ein- und verkaufen, Gehülfen und Kunden behandeln können. Das Handwerk hat nur da geblüht, wo ein gewisser Unternehmer- geist sich mit technischem Geschick, mit Klugheit und sittlicher Tüchtigkeit verband; ohne Gewinnabsicht kann es nicht existieren, wenn es auch nicht kaufmännisch spekuliert.
Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den Zusammenhang einer Zunft- und Stadtorganisation, die ihm das gab, was der spätere Großunternehmer sich selbst verschaffte: gesicherten Absatz. Aus bruderschaftlichen Ver- einigungen der das gleiche Handwerk treibenden Genossen und aus Markteinrichtungen war die Institution der Zünfte hervorgegangen (s. oben S. 404). Das Wohnen oder Feilbieten der Handwerker gleichen Berufes neben einander auf bestimmten Teilen des
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Die landwirtſchaftliche Unternehmung. Das Handwerk.
wirtſchaftlichen Betriebe an Familienwirtſchaften angelehnt, ſo gilt im gewerblichen Leben Ähnliches, ſolange es die Stufe des Handwerks nicht überſchreitet.
Wir verſtehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien- wirtſchaft des Inhabers verbundene Geſchäft eines durch irgend eine beſondere techniſch- gewerbliche Geſchicklichkeit ſich auszeichnenden Meiſters, der allein oder mit ſeiner Familie oder wenigen Gehülfen für Kunden arbeitet, an ſie ſeine Arbeit oder ſeine Produkte verkauft. Wir haben oben (S. 349—350) die Entſtehung des Handwerks auf dem Boden der Arbeitsteilung, die ſociale Stellung der Handwerker, die Zeit ihrer Hauptblüte kennen gelernt; hier haben wir von dem Handwerk als einer Betriebs- und Unternehmungsform, als dem Anſatz und Keim der ſpäteren vollen gewerblichen Unternehmung zu ſprechen; es verſteht ſich, daß wir dabei weſentlich das Handwerk in der Epoche ſeiner vollen Ausbildung im Auge haben; es handelt ſich hauptſächlich um das ſtädtiſche Handwerk, wie es nach Ausbildung der Geldwirtſchaft ſich entwickelte, ſpäter auch auf das platte Land ſich ausdehnte.
Der Handwerker iſt ein Mann, der durch beſtimmte, eigentümliche, techniſche Kunſtfertigkeit ſich von ſeinen Stammes- und Gemeindegenoſſen unterſcheidet, von ſeiner Arbeit und Kunſt zu leben ſucht. Er thut es, indem er hauſierend oder am Ort und in der Umgebung ſeine Dienſte anbietet, in der Hauswirtſchaft anderer Familien als techniſcher Hülfsarbeiter, als Schneider, Schlächter, Küfer gegen Koſt und Bezahlung mithilft, dann aber, indem er mit ſeinem einfachen Handwerkszeug zu Hauſe in ſeiner kleinen Werkſtatt für Kunden auf Beſtellung arbeitet oder einige Waren auf Vorrat für den örtlichen Markt und die nächſtliegenden Jahrmärkte herſtellt und zu verkaufen ſucht. Wo er ſeßhaft geworden iſt, läßt er ſich bei ſeiner Arbeit von Frau und Kindern, iſt ſie etwas umfangreicher, von Lehrling und Geſellen helfen. Sein Geſchäft bleibt meiſt in engſter Verbindung mit der Familienwirtſchaft; Wohnung und Werkſtatt fallen nicht immer, aber ſehr häufig zuſammen; Lehrling und Geſelle werden als Familienglieder behandelt. Anderes Kapital als die Werkzeuge und etwas Rohſtoffe ſind nicht vorhanden; glücklich, wenn der Meiſter noch Häuschen und Gartenſtück beſitzt; oft wohnt er zur Miete; die Werkſtatt oder Bude gehört teilweiſe der Stadt, der Zunft oder einem anderen Herrn. Mag er vielfach nebenher durch Beſitz und Eigenwirtſchaft eine wirtſchaftliche Sicherung der Exiſtenz haben, im ganzen will er von ſeiner Arbeit, ſeinem Gewerbe leben; und er kann es, wenn er eine genügende Kundenzahl findet; ſeine Stellung als Geſchäfts- mann beruht weſentlich darauf, daß er direkt für die ihm bekannten, oftmals befreundeten Kunden arbeitet, direkt ohne kaufmänniſche Zwiſchenglieder an die Kunden verkauft. Die perſönlichen direkten Beziehungen des Meiſters als Produzenten zu den Konſumenten auf dem Markt der Stadt und in der nächſten Umgebung unterſcheidet die Betriebs- form des Handwerks von der Hausinduſtrie und der Großinduſtrie. Daß er viel mehr als der Bauer von dem Markte lebt, unterſcheidet ihn von dieſem. Der Handwerks- meiſter hat ein Geſchäft, der Bauer einen Haushalt.
Freilich das Geſchäft iſt klein und beſchränkt; es kennt keine weſentliche Arbeits- teilung, kein großes Riſiko. Der Meiſter, der ſich zu Wohlſtand und Hausbeſitz auf- arbeitet, dankt es mehr ſeiner Geſchicklichkeit und Zuverläſſigkeit, als dem wagenden Mut, der Fähigkeit, den Abſatz zu organiſieren, wie Kaufmann und Fabrikant. Deshalb will Sombart das Handwerk nicht als Unternehmung gelten laſſen. Aber immer muß der Meiſter Werkzeuge und Rohſtoff anſchaffen, er muß ein- und verkaufen, Gehülfen und Kunden behandeln können. Das Handwerk hat nur da geblüht, wo ein gewiſſer Unternehmer- geiſt ſich mit techniſchem Geſchick, mit Klugheit und ſittlicher Tüchtigkeit verband; ohne Gewinnabſicht kann es nicht exiſtieren, wenn es auch nicht kaufmänniſch ſpekuliert.
Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den Zuſammenhang einer Zunft- und Stadtorganiſation, die ihm das gab, was der ſpätere Großunternehmer ſich ſelbſt verſchaffte: geſicherten Abſatz. Aus bruderſchaftlichen Ver- einigungen der das gleiche Handwerk treibenden Genoſſen und aus Markteinrichtungen war die Inſtitution der Zünfte hervorgegangen (ſ. oben S. 404). Das Wohnen oder Feilbieten der Handwerker gleichen Berufes neben einander auf beſtimmten Teilen des
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Die landwirtſchaftliche Unternehmung. Das Handwerk.
wirtſchaftlichen Betriebe an Familienwirtſchaften angelehnt, ſo gilt im gewerblichen Leben
Ähnliches, ſolange es die Stufe des Handwerks nicht überſchreitet.
Wir verſtehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien-
wirtſchaft des Inhabers verbundene Geſchäft eines durch irgend eine beſondere techniſch-
gewerbliche Geſchicklichkeit ſich auszeichnenden Meiſters, der allein oder mit ſeiner
Familie oder wenigen Gehülfen für Kunden arbeitet, an ſie ſeine Arbeit oder ſeine
Produkte verkauft. Wir haben oben (S. 349—350) die Entſtehung des Handwerks auf
dem Boden der Arbeitsteilung, die ſociale Stellung der Handwerker, die Zeit ihrer
Hauptblüte kennen gelernt; hier haben wir von dem Handwerk als einer Betriebs-
und Unternehmungsform, als dem Anſatz und Keim der ſpäteren vollen gewerblichen
Unternehmung zu ſprechen; es verſteht ſich, daß wir dabei weſentlich das Handwerk in
der Epoche ſeiner vollen Ausbildung im Auge haben; es handelt ſich hauptſächlich um
das ſtädtiſche Handwerk, wie es nach Ausbildung der Geldwirtſchaft ſich entwickelte,
ſpäter auch auf das platte Land ſich ausdehnte.
Der Handwerker iſt ein Mann, der durch beſtimmte, eigentümliche, techniſche
Kunſtfertigkeit ſich von ſeinen Stammes- und Gemeindegenoſſen unterſcheidet, von ſeiner
Arbeit und Kunſt zu leben ſucht. Er thut es, indem er hauſierend oder am Ort und in
der Umgebung ſeine Dienſte anbietet, in der Hauswirtſchaft anderer Familien als techniſcher
Hülfsarbeiter, als Schneider, Schlächter, Küfer gegen Koſt und Bezahlung mithilft, dann
aber, indem er mit ſeinem einfachen Handwerkszeug zu Hauſe in ſeiner kleinen Werkſtatt
für Kunden auf Beſtellung arbeitet oder einige Waren auf Vorrat für den örtlichen
Markt und die nächſtliegenden Jahrmärkte herſtellt und zu verkaufen ſucht. Wo er
ſeßhaft geworden iſt, läßt er ſich bei ſeiner Arbeit von Frau und Kindern, iſt ſie etwas
umfangreicher, von Lehrling und Geſellen helfen. Sein Geſchäft bleibt meiſt in engſter
Verbindung mit der Familienwirtſchaft; Wohnung und Werkſtatt fallen nicht immer,
aber ſehr häufig zuſammen; Lehrling und Geſelle werden als Familienglieder behandelt.
Anderes Kapital als die Werkzeuge und etwas Rohſtoffe ſind nicht vorhanden; glücklich,
wenn der Meiſter noch Häuschen und Gartenſtück beſitzt; oft wohnt er zur Miete; die
Werkſtatt oder Bude gehört teilweiſe der Stadt, der Zunft oder einem anderen Herrn.
Mag er vielfach nebenher durch Beſitz und Eigenwirtſchaft eine wirtſchaftliche Sicherung
der Exiſtenz haben, im ganzen will er von ſeiner Arbeit, ſeinem Gewerbe leben; und
er kann es, wenn er eine genügende Kundenzahl findet; ſeine Stellung als Geſchäfts-
mann beruht weſentlich darauf, daß er direkt für die ihm bekannten, oftmals befreundeten
Kunden arbeitet, direkt ohne kaufmänniſche Zwiſchenglieder an die Kunden verkauft. Die
perſönlichen direkten Beziehungen des Meiſters als Produzenten zu den Konſumenten
auf dem Markt der Stadt und in der nächſten Umgebung unterſcheidet die Betriebs-
form des Handwerks von der Hausinduſtrie und der Großinduſtrie. Daß er viel mehr
als der Bauer von dem Markte lebt, unterſcheidet ihn von dieſem. Der Handwerks-
meiſter hat ein Geſchäft, der Bauer einen Haushalt.
Freilich das Geſchäft iſt klein und beſchränkt; es kennt keine weſentliche Arbeits-
teilung, kein großes Riſiko. Der Meiſter, der ſich zu Wohlſtand und Hausbeſitz auf-
arbeitet, dankt es mehr ſeiner Geſchicklichkeit und Zuverläſſigkeit, als dem wagenden Mut,
der Fähigkeit, den Abſatz zu organiſieren, wie Kaufmann und Fabrikant. Deshalb will
Sombart das Handwerk nicht als Unternehmung gelten laſſen. Aber immer muß der Meiſter
Werkzeuge und Rohſtoff anſchaffen, er muß ein- und verkaufen, Gehülfen und Kunden
behandeln können. Das Handwerk hat nur da geblüht, wo ein gewiſſer Unternehmer-
geiſt ſich mit techniſchem Geſchick, mit Klugheit und ſittlicher Tüchtigkeit verband; ohne
Gewinnabſicht kann es nicht exiſtieren, wenn es auch nicht kaufmänniſch ſpekuliert.
Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den
Zuſammenhang einer Zunft- und Stadtorganiſation, die ihm das gab, was der ſpätere
Großunternehmer ſich ſelbſt verſchaffte: geſicherten Abſatz. Aus bruderſchaftlichen Ver-
einigungen der das gleiche Handwerk treibenden Genoſſen und aus Markteinrichtungen
war die Inſtitution der Zünfte hervorgegangen (ſ. oben S. 404). Das Wohnen oder
Feilbieten der Handwerker gleichen Berufes neben einander auf beſtimmten Teilen des
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <http://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/435>, abgerufen am 19.01.2021.
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