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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Allem Ansehen nach war dieser Brief, vielleicht in
Ermanglung der Dinte und Blut, und zwar durch
eine ungewöhnliche Feder geschrieben, welches den
Affect des Mitleidens und der Erbarmung derge-
stalt in meiner Seelen erregte, daß ich ohne alles
fernere überlegen den Schluß fassete, demjenigen
meine Hülffe nicht zu versagen, welcher sich seit-
hero so ungemein aufrichtig gegen mich bezeigt
hatte.

Von Stund an machte ich also die klügsten An-
stalten hierzu, und weil mein Geld-Beutel nicht zu-
reichen wolte, fassete ich das Hertze, von einem Man-
ne, der meines Herrn und mein eigener heimlicher
guter Freund war, noch 30. Thlr. aufzunehmen,
gab also einem Reit-Knechte meines Herrn, der
sich seit etlichen Tagen bey mir gemeldet hatte, und
sonsten ein sehr getreuer Mensch war, 60 Thlr. zu
Erkauffung drey tüchtiger Kläpper, mit völliger In-
struction,
wie er sich damit verhalten solle, mittler-
weile besorgte ich alles übrige selbsten aufs beste,
und nachdem mir der Kerl von seiner guten Ver-
richtung, am bestimmten Abende, behörigen Rap-
port
abgestattet, auch weitere Accuratesse zu beo-
bachten versprochen, legte ich die letzte Hand an das
Werck, brachte auch meinen Herrn glücklich zur
Stadt hinaus, und zu Pferde. Aber! aber! da
wir uns in der sehr dunckeln Nacht verirreten, erschien
zu unserm allergrößten Schrecken, hinter uns ein
Troupp Reuter mit vielen Fackeln, der Reit-Knecht
und ich setzten über einen Graben, mein Herr aber,
der doch das allerbeste Pferd ritte, mochte wohl das
Tempo nicht recht in acht genommen haben, stürtzte

also

Allem Anſehen nach war dieſer Brief, vielleicht in
Ermanglung der Dinte und Blut, und zwar durch
eine ungewoͤhnliche Feder geſchrieben, welches den
Affect des Mitleidens und der Erbarmung derge-
ſtalt in meiner Seelen erregte, daß ich ohne alles
fernere uͤberlegen den Schluß faſſete, demjenigen
meine Huͤlffe nicht zu verſagen, welcher ſich ſeit-
hero ſo ungemein aufrichtig gegen mich bezeigt
hatte.

Von Stund an machte ich alſo die kluͤgſten An-
ſtalten hierzu, und weil mein Geld-Beutel nicht zu-
reichen wolte, faſſete ich das Hertze, von einem Man-
ne, der meines Herrn und mein eigener heimlicher
guter Freund war, noch 30. Thlr. aufzunehmen,
gab alſo einem Reit-Knechte meines Herrn, der
ſich ſeit etlichen Tagen bey mir gemeldet hatte, und
ſonſten ein ſehr getreuer Menſch war, 60 Thlr. zu
Erkauffung drey tuͤchtiger Klaͤpper, mit voͤlliger In-
ſtruction,
wie er ſich damit verhalten ſolle, mittler-
weile beſorgte ich alles uͤbrige ſelbſten aufs beſte,
und nachdem mir der Kerl von ſeiner guten Ver-
richtung, am beſtimmten Abende, behoͤrigen Rap-
port
abgeſtattet, auch weitere Accurateſſe zu beo-
bachten verſprochen, legte ich die letzte Hand an das
Werck, brachte auch meinen Herrn gluͤcklich zur
Stadt hinaus, und zu Pferde. Aber! aber! da
wir uns in der ſehr dunckeln Nacht verirreten, erſchien
zu unſerm allergroͤßten Schrecken, hinter uns ein
Troupp Reuter mit vielen Fackeln, der Reit-Knecht
und ich ſetzten uͤber einen Graben, mein Herr aber,
der doch das allerbeſte Pferd ritte, mochte wohl das
Tempo nicht recht in acht genommen haben, ſtuͤrtzte

alſo
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[230/0244] Allem Anſehen nach war dieſer Brief, vielleicht in Ermanglung der Dinte und Blut, und zwar durch eine ungewoͤhnliche Feder geſchrieben, welches den Affect des Mitleidens und der Erbarmung derge- ſtalt in meiner Seelen erregte, daß ich ohne alles fernere uͤberlegen den Schluß faſſete, demjenigen meine Huͤlffe nicht zu verſagen, welcher ſich ſeit- hero ſo ungemein aufrichtig gegen mich bezeigt hatte. Von Stund an machte ich alſo die kluͤgſten An- ſtalten hierzu, und weil mein Geld-Beutel nicht zu- reichen wolte, faſſete ich das Hertze, von einem Man- ne, der meines Herrn und mein eigener heimlicher guter Freund war, noch 30. Thlr. aufzunehmen, gab alſo einem Reit-Knechte meines Herrn, der ſich ſeit etlichen Tagen bey mir gemeldet hatte, und ſonſten ein ſehr getreuer Menſch war, 60 Thlr. zu Erkauffung drey tuͤchtiger Klaͤpper, mit voͤlliger In- ſtruction, wie er ſich damit verhalten ſolle, mittler- weile beſorgte ich alles uͤbrige ſelbſten aufs beſte, und nachdem mir der Kerl von ſeiner guten Ver- richtung, am beſtimmten Abende, behoͤrigen Rap- port abgeſtattet, auch weitere Accurateſſe zu beo- bachten verſprochen, legte ich die letzte Hand an das Werck, brachte auch meinen Herrn gluͤcklich zur Stadt hinaus, und zu Pferde. Aber! aber! da wir uns in der ſehr dunckeln Nacht verirreten, erſchien zu unſerm allergroͤßten Schrecken, hinter uns ein Troupp Reuter mit vielen Fackeln, der Reit-Knecht und ich ſetzten uͤber einen Graben, mein Herr aber, der doch das allerbeſte Pferd ritte, mochte wohl das Tempo nicht recht in acht genommen haben, ſtuͤrtzte alſo

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/244>, abgerufen am 28.03.2024.