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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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bens-Lauff abstatten soll, so bitte im voraus, nicht
übel auszulegen, wenn ich die Fehler und Verbre-
chen meiner Eltern und Freunde mit lebendigen
Farben abmahle, auch die Sünden und thörichten
Streiche meiner selbst eigenen Jugend nicht heuch-
lerischer weise zu vermänteln suche. Anbey aber
bitte den Unterscheid zu betrachten, was ich nemlich
vor diesem vor ein Früchtgen gewesen, und wie ich
dargegen itzo gesinnet bin. GOtt lob! mein Sinn
hat sich bereits vor etlichen Jahren zu bessern ange-
fangen, nun, ich verhoffe nunmehro im Stande zu
bleiben, mich bis an mein Ende vor allen muthwilli-
gen Sünden zu hüten, auch GOTT und meinem
Nächsten desto eifriger und nützlicher zu dienen.
Mein Vater war von Geburt ein Augspurger, und
von solchen Eltern gezeuget, welche die Evangelisch-
Lutherische Religion äusserst bekenneten, auch alle ihre
Kinder darinnen wohl erzogen hattten. Da aber
mein Vater nachhero, als ein junger Goldschmiedts
Geselle in die Fremde reiset, und zu Schaafhausen
in der Schweitz, sein zeitliches Glück, vermittelst ei-
ner reichen Heyrath zu machen, Gelegenheit findet,
lässet er sich verblenden, die Lutherische Religion mit
der Reformirten zu verwechseln. Zehen bis zwölff
Jahr hat er nachhero zwar in ziemlichruhigen Ver-
gnügen gelebt, und drey Kinder mit der erheyrathe-
ten Wittfrau gezeugt, nemlich mich, einen ältern
Bruder, und dann auch eine jüngere Schwester, an-
bey als ein besonderer Künstler, durch fleißiges Ar-
beiten sein Vermögen um ein merckliches vergrös-
sert, so daß mehr Uberfluß als Mangel in unserm
Hause zu spüren, und in keinem Stücke Noth vor-

handen

bens-Lauff abſtatten ſoll, ſo bitte im voraus, nicht
uͤbel auszulegen, wenn ich die Fehler und Verbre-
chen meiner Eltern und Freunde mit lebendigen
Farben abmahle, auch die Suͤnden und thoͤrichten
Streiche meiner ſelbſt eigenen Jugend nicht heuch-
leriſcher weiſe zu vermaͤnteln ſuche. Anbey aber
bitte den Unterſcheid zu betrachten, was ich nemlich
vor dieſem vor ein Fruͤchtgen geweſen, und wie ich
dargegen itzo geſinnet bin. GOtt lob! mein Sinn
hat ſich bereits vor etlichen Jahren zu beſſern ange-
fangen, nun, ich verhoffe nunmehro im Stande zu
bleiben, mich bis an mein Ende vor allen muthwilli-
gen Suͤnden zu huͤten, auch GOTT und meinem
Naͤchſten deſto eifriger und nuͤtzlicher zu dienen.
Mein Vater war von Geburt ein Augſpurger, und
von ſolchen Eltern gezeuget, welche die Evangeliſch-
Lutheriſche Religion aͤuſſerſt bekeñeten, auch alle ihre
Kinder darinnen wohl erzogen hattten. Da aber
mein Vater nachhero, als ein junger Goldſchmiedts
Geſelle in die Fremde reiſet, und zu Schaafhauſen
in der Schweitz, ſein zeitliches Gluͤck, vermittelſt ei-
ner reichen Heyrath zu machen, Gelegenheit findet,
laͤſſet er ſich verblenden, die Lutheriſche Religion mit
der Reformirten zu verwechſeln. Zehen bis zwoͤlff
Jahr hat er nachhero zwar in ziemlichruhigen Ver-
gnuͤgen gelebt, und drey Kinder mit der erheyrathe-
ten Wittfrau gezeugt, nemlich mich, einen aͤltern
Bruder, und dann auch eine juͤngere Schweſter, an-
bey als ein beſonderer Kuͤnſtler, durch fleißiges Ar-
beiten ſein Vermoͤgen um ein merckliches vergroͤſ-
ſert, ſo daß mehr Uberfluß als Mangel in unſerm
Hauſe zu ſpuͤren, und in keinem Stuͤcke Noth vor-

handen
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[240/0254] bens-Lauff abſtatten ſoll, ſo bitte im voraus, nicht uͤbel auszulegen, wenn ich die Fehler und Verbre- chen meiner Eltern und Freunde mit lebendigen Farben abmahle, auch die Suͤnden und thoͤrichten Streiche meiner ſelbſt eigenen Jugend nicht heuch- leriſcher weiſe zu vermaͤnteln ſuche. Anbey aber bitte den Unterſcheid zu betrachten, was ich nemlich vor dieſem vor ein Fruͤchtgen geweſen, und wie ich dargegen itzo geſinnet bin. GOtt lob! mein Sinn hat ſich bereits vor etlichen Jahren zu beſſern ange- fangen, nun, ich verhoffe nunmehro im Stande zu bleiben, mich bis an mein Ende vor allen muthwilli- gen Suͤnden zu huͤten, auch GOTT und meinem Naͤchſten deſto eifriger und nuͤtzlicher zu dienen. Mein Vater war von Geburt ein Augſpurger, und von ſolchen Eltern gezeuget, welche die Evangeliſch- Lutheriſche Religion aͤuſſerſt bekeñeten, auch alle ihre Kinder darinnen wohl erzogen hattten. Da aber mein Vater nachhero, als ein junger Goldſchmiedts Geſelle in die Fremde reiſet, und zu Schaafhauſen in der Schweitz, ſein zeitliches Gluͤck, vermittelſt ei- ner reichen Heyrath zu machen, Gelegenheit findet, laͤſſet er ſich verblenden, die Lutheriſche Religion mit der Reformirten zu verwechſeln. Zehen bis zwoͤlff Jahr hat er nachhero zwar in ziemlichruhigen Ver- gnuͤgen gelebt, und drey Kinder mit der erheyrathe- ten Wittfrau gezeugt, nemlich mich, einen aͤltern Bruder, und dann auch eine juͤngere Schweſter, an- bey als ein beſonderer Kuͤnſtler, durch fleißiges Ar- beiten ſein Vermoͤgen um ein merckliches vergroͤſ- ſert, ſo daß mehr Uberfluß als Mangel in unſerm Hauſe zu ſpuͤren, und in keinem Stuͤcke Noth vor- handen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/254>, abgerufen am 28.03.2024.