Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

den, als daß er sich der hefftigen Gold-Begierde, und
denn dem Jäh-Zorne allzustarck überlassen, den Ver-
mahnungen seines sterbenden Vaters nicht besser
nach gelebt, und sich an dessen Exempel gespiegelt hät-
te, denn wie er annoch selbst bekennete, so hatte er die
meiste Gesellschafft mit unchristlichen Leuten, Quä-
ckern und Mennonisten gepflogen, wie denn auch ein
ehebrecherisches Weib eine übel conduisirte Refor-
mi
rte gewesen war. Es gab auch viel disputirens
unter uns, ob es recht oder unrecht gethan, den leicht-
fertigen Ehebrecher so plötzlich zu überfallen und zu
ertöden? Allein, endlich fiel doch der Schluß dahin-
aus, daß es christlicher gehandelt gewesen, wenn die
Selbst-Rache unterblieben wäre.

Nachdem aber unter dergleichen Gesprächen der
Abend einzubrechen begunnte, nahm ein jeder die
Rückreise zu seiner Wohnung vor sich, mit dem Ver-
laß, ehester Tags, wenn es dem Alt-Vater beliebte,
in Stephans-Raum zu erscheinen, um daselbst des
Tischlers Lademanns und des Müllers Krätzers
Lebens-Läuffte anzuhören.

Solches verzohe sich nun zwar auf etliche Tage,
weil der Alt-Vater einen schlimmen Zufall von
Stock-Schnupfen und truckenen Husten bekam,
allein nachdem er endlich durch gute Wartung und
Bey-Sorge Mons. Kramers, der ihn mit den herr-
lichsten Medicamenten zu Hülffe kam, wiederum
völlige Besserung verspürete, und ihm von dem
letztern selbst, eine kleine Spazier-Fahrt zur Motion,
angerathen wurde, begaben wir uns in seiner Ge-
sellschafft nach Stephans-Raum, nahmen erstlich
den neuen Mühl-Bau in Augenschein, und bezeug-

ten

den, als daß er ſich der hefftigen Gold-Begierde, und
denn dem Jaͤh-Zorne allzuſtarck uͤberlaſſen, den Ver-
mahnungen ſeines ſterbenden Vaters nicht beſſer
nach gelebt, und ſich an deſſen Exempel geſpiegelt haͤt-
te, denn wie er annoch ſelbſt bekennete, ſo hatte er die
meiſte Geſellſchafft mit unchriſtlichen Leuten, Quaͤ-
ckern und Mennoniſten gepflogen, wie denn auch ein
ehebrecheriſches Weib eine uͤbel conduiſirte Refor-
mi
rte geweſen war. Es gab auch viel diſputirens
unter uns, ob es recht oder unrecht gethan, den leicht-
fertigen Ehebrecher ſo ploͤtzlich zu uͤberfallen und zu
ertoͤden? Allein, endlich fiel doch der Schluß dahin-
aus, daß es chriſtlicher gehandelt geweſen, wenn die
Selbſt-Rache unterblieben waͤre.

Nachdem aber unter dergleichen Geſpraͤchen der
Abend einzubrechen begunnte, nahm ein jeder die
Ruͤckreiſe zu ſeiner Wohnung vor ſich, mit dem Ver-
laß, eheſter Tags, wenn es dem Alt-Vater beliebte,
in Stephans-Raum zu erſcheinen, um daſelbſt des
Tiſchlers Lademanns und des Muͤllers Krätzers
Lebens-Laͤuffte anzuhoͤren.

Solches verzohe ſich nun zwar auf etliche Tage,
weil der Alt-Vater einen ſchlimmen Zufall von
Stock-Schnupfen und truckenen Huſten bekam,
allein nachdem er endlich durch gute Wartung und
Bey-Sorge Monſ. Kramers, der ihn mit den herr-
lichſten Medicamenten zu Huͤlffe kam, wiederum
voͤllige Beſſerung verſpuͤrete, und ihm von dem
letztern ſelbſt, eine kleine Spazier-Fahrt zur Motion,
angerathen wurde, begaben wir uns in ſeiner Ge-
ſellſchafft nach Stephans-Raum, nahmen erſtlich
den neuen Muͤhl-Bau in Augenſchein, und bezeug-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="318"/>
den, als daß er &#x017F;ich der hefftigen Gold-Begierde, und<lb/>
denn dem Ja&#x0364;h-Zorne allzu&#x017F;tarck u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, den Ver-<lb/>
mahnungen &#x017F;eines &#x017F;terbenden Vaters nicht be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
nach gelebt, und &#x017F;ich an de&#x017F;&#x017F;en Exempel ge&#x017F;piegelt ha&#x0364;t-<lb/>
te, denn wie er annoch &#x017F;elb&#x017F;t bekennete, &#x017F;o hatte er die<lb/>
mei&#x017F;te Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft mit unchri&#x017F;tlichen Leuten, Qua&#x0364;-<lb/>
ckern und <hi rendition="#aq">Mennoni</hi>&#x017F;ten gepflogen, wie denn auch ein<lb/>
ehebrecheri&#x017F;ches Weib eine u&#x0364;bel <hi rendition="#aq">condui&#x017F;i</hi>rte <hi rendition="#aq">Refor-<lb/>
mi</hi>rte gewe&#x017F;en war. Es gab auch viel <hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>rens<lb/>
unter uns, ob es recht oder unrecht gethan, den leicht-<lb/>
fertigen Ehebrecher &#x017F;o plo&#x0364;tzlich zu u&#x0364;berfallen und zu<lb/>
erto&#x0364;den? Allein, endlich fiel doch der Schluß dahin-<lb/>
aus, daß es chri&#x017F;tlicher gehandelt gewe&#x017F;en, wenn die<lb/>
Selb&#x017F;t-Rache unterblieben wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Nachdem aber unter dergleichen Ge&#x017F;pra&#x0364;chen der<lb/>
Abend einzubrechen begunnte, nahm ein jeder die<lb/>
Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e zu &#x017F;einer Wohnung vor &#x017F;ich, mit dem Ver-<lb/>
laß, ehe&#x017F;ter Tags, wenn es dem Alt-Vater beliebte,<lb/>
in <hi rendition="#aq">Stephans-</hi>Raum zu er&#x017F;cheinen, um da&#x017F;elb&#x017F;t des<lb/>
Ti&#x017F;chlers <hi rendition="#aq">Lademanns</hi> und des Mu&#x0364;llers <hi rendition="#aq">Krätzers</hi><lb/>
Lebens-La&#x0364;uffte anzuho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Solches verzohe &#x017F;ich nun zwar auf etliche Tage,<lb/>
weil der Alt-Vater einen &#x017F;chlimmen Zufall von<lb/>
Stock-Schnupfen und truckenen Hu&#x017F;ten bekam,<lb/>
allein nachdem er endlich durch gute Wartung und<lb/>
Bey-Sorge <hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. Kramers,</hi> der ihn mit den herr-<lb/>
lich&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Medicament</hi>en zu Hu&#x0364;lffe kam, wiederum<lb/>
vo&#x0364;llige Be&#x017F;&#x017F;erung ver&#x017F;pu&#x0364;rete, und ihm von dem<lb/>
letztern &#x017F;elb&#x017F;t, eine kleine <hi rendition="#aq">Spazier-</hi>Fahrt zur <hi rendition="#aq">Motion,</hi><lb/>
angerathen wurde, begaben wir uns in &#x017F;einer Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafft nach <hi rendition="#aq">Stephans-</hi>Raum, nahmen er&#x017F;tlich<lb/>
den neuen Mu&#x0364;hl-Bau in Augen&#x017F;chein, und bezeug-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0332] den, als daß er ſich der hefftigen Gold-Begierde, und denn dem Jaͤh-Zorne allzuſtarck uͤberlaſſen, den Ver- mahnungen ſeines ſterbenden Vaters nicht beſſer nach gelebt, und ſich an deſſen Exempel geſpiegelt haͤt- te, denn wie er annoch ſelbſt bekennete, ſo hatte er die meiſte Geſellſchafft mit unchriſtlichen Leuten, Quaͤ- ckern und Mennoniſten gepflogen, wie denn auch ein ehebrecheriſches Weib eine uͤbel conduiſirte Refor- mirte geweſen war. Es gab auch viel diſputirens unter uns, ob es recht oder unrecht gethan, den leicht- fertigen Ehebrecher ſo ploͤtzlich zu uͤberfallen und zu ertoͤden? Allein, endlich fiel doch der Schluß dahin- aus, daß es chriſtlicher gehandelt geweſen, wenn die Selbſt-Rache unterblieben waͤre. Nachdem aber unter dergleichen Geſpraͤchen der Abend einzubrechen begunnte, nahm ein jeder die Ruͤckreiſe zu ſeiner Wohnung vor ſich, mit dem Ver- laß, eheſter Tags, wenn es dem Alt-Vater beliebte, in Stephans-Raum zu erſcheinen, um daſelbſt des Tiſchlers Lademanns und des Muͤllers Krätzers Lebens-Laͤuffte anzuhoͤren. Solches verzohe ſich nun zwar auf etliche Tage, weil der Alt-Vater einen ſchlimmen Zufall von Stock-Schnupfen und truckenen Huſten bekam, allein nachdem er endlich durch gute Wartung und Bey-Sorge Monſ. Kramers, der ihn mit den herr- lichſten Medicamenten zu Huͤlffe kam, wiederum voͤllige Beſſerung verſpuͤrete, und ihm von dem letztern ſelbſt, eine kleine Spazier-Fahrt zur Motion, angerathen wurde, begaben wir uns in ſeiner Ge- ſellſchafft nach Stephans-Raum, nahmen erſtlich den neuen Muͤhl-Bau in Augenſchein, und bezeug- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/332
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/332>, abgerufen am 25.04.2024.