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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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die Mahometanische Religion annehmen wolte, mit
der Verschneidung aber solte ich verschonet bleiben,
allein, weil ich mich schon völlig zum Sterben zu-
bereitet, war meine Antwort diese: Der Tod wä-
re mir lieber als dieses. Hierauf druckte ich meine
Augen veste zu, betete laut in Holländischer Spra-
che, um mitten im Gebet mein Haupt zu verlie-
ren, endlich aber, da ich sehr lange gesessen, ergrif-
fen mich zwey Mohren bey den Armen, und füh-
reten mich auf das Zimmer eines Thurms, wel-
ches ziemlich reinlich, jedoch mit eisernen Thüren
und Fenster-Stäben wohl verwahret war, liessen
sich auch im Hinweggehen so viel verlauten, daß
ich wegen meines Eigensinnes allhier eine grössere
Straffe und Marter abzuwarten hätte.

Jch stellete alles in GOttes Hände, und blieb
bey dem vesten Schlusse, lieber alle Marter aus-
zustehen, als meinen Christlichen Glauben zu ver-
läugnen, und ein Mahometaner zu werden; in-
zwischen hatte an guten Speisen und Geträncke kei-
nen Mangel, auch meinen vorigen, ohngefehr 14.
jährigen Mohren-Knaben zur Aufwartung bey mir,
welcher, auf gegebenes Zeichen mit einer Klatsche
fast so offt heraus und herein kommen konte, als
ihm beliebte. Die öfftern Visiten meines bißheri-
gen Informatoris und einiger Officiers der Ver-
schnittenen gereichten mir in dieser meiner Einsam-
keit mehr zum Verdruß als zum Vergnügen, in-
dem ihre eintzige Absicht war, mich zum Mamme-
lucken zu machen, doch war dieses meine gröste
Freude, daß mir mein bißheriger Informator nicht
nur verschiedene, von mir selbst erwehlte Bücher,

wie

die Mahometaniſche Religion annehmen wolte, mit
der Verſchneidung aber ſolte ich verſchonet bleiben,
allein, weil ich mich ſchon voͤllig zum Sterben zu-
bereitet, war meine Antwort dieſe: Der Tod waͤ-
re mir lieber als dieſes. Hierauf druckte ich meine
Augen veſte zu, betete laut in Hollaͤndiſcher Spra-
che, um mitten im Gebet mein Haupt zu verlie-
ren, endlich aber, da ich ſehr lange geſeſſen, ergrif-
fen mich zwey Mohren bey den Armen, und fuͤh-
reten mich auf das Zimmer eines Thurms, wel-
ches ziemlich reinlich, jedoch mit eiſernen Thuͤren
und Fenſter-Staͤben wohl verwahret war, lieſſen
ſich auch im Hinweggehen ſo viel verlauten, daß
ich wegen meines Eigenſinnes allhier eine groͤſſere
Straffe und Marter abzuwarten haͤtte.

Jch ſtellete alles in GOttes Haͤnde, und blieb
bey dem veſten Schluſſe, lieber alle Marter aus-
zuſtehen, als meinen Chriſtlichen Glauben zu ver-
laͤugnen, und ein Mahometaner zu werden; in-
zwiſchen hatte an guten Speiſen und Getraͤncke kei-
nen Mangel, auch meinen vorigen, ohngefehr 14.
jaͤhrigen Mohren-Knaben zur Aufwartung bey mir,
welcher, auf gegebenes Zeichen mit einer Klatſche
faſt ſo offt heraus und herein kommen konte, als
ihm beliebte. Die oͤfftern Viſiten meines bißheri-
gen Informatoris und einiger Officiers der Ver-
ſchnittenen gereichten mir in dieſer meiner Einſam-
keit mehr zum Verdruß als zum Vergnuͤgen, in-
dem ihre eintzige Abſicht war, mich zum Mamme-
lucken zu machen, doch war dieſes meine groͤſte
Freude, daß mir mein bißheriger Informator nicht
nur verſchiedene, von mir ſelbſt erwehlte Buͤcher,

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[109/0117] die Mahometaniſche Religion annehmen wolte, mit der Verſchneidung aber ſolte ich verſchonet bleiben, allein, weil ich mich ſchon voͤllig zum Sterben zu- bereitet, war meine Antwort dieſe: Der Tod waͤ- re mir lieber als dieſes. Hierauf druckte ich meine Augen veſte zu, betete laut in Hollaͤndiſcher Spra- che, um mitten im Gebet mein Haupt zu verlie- ren, endlich aber, da ich ſehr lange geſeſſen, ergrif- fen mich zwey Mohren bey den Armen, und fuͤh- reten mich auf das Zimmer eines Thurms, wel- ches ziemlich reinlich, jedoch mit eiſernen Thuͤren und Fenſter-Staͤben wohl verwahret war, lieſſen ſich auch im Hinweggehen ſo viel verlauten, daß ich wegen meines Eigenſinnes allhier eine groͤſſere Straffe und Marter abzuwarten haͤtte. Jch ſtellete alles in GOttes Haͤnde, und blieb bey dem veſten Schluſſe, lieber alle Marter aus- zuſtehen, als meinen Chriſtlichen Glauben zu ver- laͤugnen, und ein Mahometaner zu werden; in- zwiſchen hatte an guten Speiſen und Getraͤncke kei- nen Mangel, auch meinen vorigen, ohngefehr 14. jaͤhrigen Mohren-Knaben zur Aufwartung bey mir, welcher, auf gegebenes Zeichen mit einer Klatſche faſt ſo offt heraus und herein kommen konte, als ihm beliebte. Die oͤfftern Viſiten meines bißheri- gen Informatoris und einiger Officiers der Ver- ſchnittenen gereichten mir in dieſer meiner Einſam- keit mehr zum Verdruß als zum Vergnuͤgen, in- dem ihre eintzige Abſicht war, mich zum Mamme- lucken zu machen, doch war dieſes meine groͤſte Freude, daß mir mein bißheriger Informator nicht nur verſchiedene, von mir ſelbſt erwehlte Buͤcher, wie

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/117>, abgerufen am 28.03.2024.