Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

wie auch Dinte, Federn und Pappier mitbrachte
und schickte.

Solchergestalt konte mir doch manche Grille
vertreiben, und meine Christlichen Gebeter, Bi-
blische Sprüche und Gesänge, die ich auswendig
wuste, aufzeichnen. Nachdem ich aber länger als
3. Wochen in diesem Behältnisse gesessen, kam ei-
nes Abends mein Mohren-Knabe, und reichte mir,
nachdem er das Abend-Essen aufgesetzt, eine
schlecht ansehnliche, höltzerne, versiegelte Büchse
in die Hände, sagte auch, (weil er als ein Unver-
ständiger, durch meine öfftern Geschencke und an-
dere erzeigten Wohlthaten, mir sehr getreu worden
war,) daß seine Schwester, mir selbige in Geheim
zu überbringen, bey Leib- und Lebens-Straffe an-
befohlen hätte. Jch ließ Essen und Trincken ste-
hen, gieng an ein Fenster, und fand oben ver-
schiedene grosse Gold-Stücke, in der Mitten einen
zusammen gelegten Brief, unten aber ein in Gold
eingefassetes Portrait eines sehr wohlgebildeten
Frauenzimmers. Denn Jnnhalt des Briefes zu
lesen, war ich am aller neugierigsten, und fand den-
selbigen also gesetzt:

Werthester Herr Lands-Mann!

JCh schätze es mir vor ein besonderes
Glück und Vergnügen, euch in Wahr-
heit versichern zu können, daß mein Vor-
bitten bey dem Kayser euch allein das Le-
ben erhalten, denn ich habe in dem Neben-
Zimmer nicht nur eure an den Kayser ge-
thane Rede von Wort zu Wort angehöret,
sondern auch eure Person durch ein kleines

Glas-

wie auch Dinte, Federn und Pappier mitbrachte
und ſchickte.

Solchergeſtalt konte mir doch manche Grille
vertreiben, und meine Chriſtlichen Gebeter, Bi-
bliſche Spruͤche und Geſaͤnge, die ich auswendig
wuſte, aufzeichnen. Nachdem ich aber laͤnger als
3. Wochen in dieſem Behaͤltniſſe geſeſſen, kam ei-
nes Abends mein Mohren-Knabe, und reichte mir,
nachdem er das Abend-Eſſen aufgeſetzt, eine
ſchlecht anſehnliche, hoͤltzerne, verſiegelte Buͤchſe
in die Haͤnde, ſagte auch, (weil er als ein Unver-
ſtaͤndiger, durch meine oͤfftern Geſchencke und an-
dere erzeigten Wohlthaten, mir ſehr getreu worden
war,) daß ſeine Schweſter, mir ſelbige in Geheim
zu uͤberbringen, bey Leib- und Lebens-Straffe an-
befohlen haͤtte. Jch ließ Eſſen und Trincken ſte-
hen, gieng an ein Fenſter, und fand oben ver-
ſchiedene groſſe Gold-Stuͤcke, in der Mitten einen
zuſammen gelegten Brief, unten aber ein in Gold
eingefaſſetes Portrait eines ſehr wohlgebildeten
Frauenzimmers. Denn Jnnhalt des Briefes zu
leſen, war ich am aller neugierigſten, und fand den-
ſelbigen alſo geſetzt:

Wertheſter Herr Lands-Mann!

JCh ſchaͤtze es mir vor ein beſonderes
Gluͤck und Vergnuͤgen, euch in Wahr-
heit verſichern zu koͤnnen, daß mein Vor-
bitten bey dem Kayſer euch allein das Le-
ben erhalten, denn ich habe in dem Neben-
Zimmer nicht nur eure an den Kayſer ge-
thane Rede von Wort zu Wort angehoͤret,
ſondern auch eure Perſon durch ein kleines

Glas-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="110"/>
wie auch Dinte, Federn und Pappier mitbrachte<lb/>
und &#x017F;chickte.</p><lb/>
        <p>Solcherge&#x017F;talt konte mir doch manche Grille<lb/>
vertreiben, und meine Chri&#x017F;tlichen Gebeter, Bi-<lb/>
bli&#x017F;che Spru&#x0364;che und Ge&#x017F;a&#x0364;nge, die ich auswendig<lb/>
wu&#x017F;te, aufzeichnen. Nachdem ich aber la&#x0364;nger als<lb/>
3. Wochen in die&#x017F;em Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, kam ei-<lb/>
nes Abends mein Mohren-Knabe, und reichte mir,<lb/>
nachdem er das Abend-E&#x017F;&#x017F;en aufge&#x017F;etzt, eine<lb/>
&#x017F;chlecht an&#x017F;ehnliche, ho&#x0364;ltzerne, ver&#x017F;iegelte Bu&#x0364;ch&#x017F;e<lb/>
in die Ha&#x0364;nde, &#x017F;agte auch, (weil er als ein Unver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndiger, durch meine o&#x0364;fftern Ge&#x017F;chencke und an-<lb/>
dere erzeigten Wohlthaten, mir &#x017F;ehr getreu worden<lb/>
war,) daß &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter, mir &#x017F;elbige in Geheim<lb/>
zu u&#x0364;berbringen, bey Leib- und Lebens-Straffe an-<lb/>
befohlen ha&#x0364;tte. Jch ließ E&#x017F;&#x017F;en und Trincken &#x017F;te-<lb/>
hen, gieng an ein Fen&#x017F;ter, und fand oben ver-<lb/>
&#x017F;chiedene gro&#x017F;&#x017F;e Gold-Stu&#x0364;cke, in der Mitten einen<lb/>
zu&#x017F;ammen gelegten Brief, unten aber ein in Gold<lb/>
eingefa&#x017F;&#x017F;etes <hi rendition="#aq">Portrait</hi> eines &#x017F;ehr wohlgebildeten<lb/>
Frauenzimmers. Denn Jnnhalt des Briefes zu<lb/>
le&#x017F;en, war ich am aller neugierig&#x017F;ten, und fand den-<lb/>
&#x017F;elbigen al&#x017F;o ge&#x017F;etzt:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Werthe&#x017F;ter Herr Lands-Mann!</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p> <hi rendition="#in">J</hi> <hi rendition="#fr">Ch &#x017F;cha&#x0364;tze es mir vor ein be&#x017F;onderes<lb/>
Glu&#x0364;ck und Vergnu&#x0364;gen, euch in Wahr-<lb/>
heit ver&#x017F;ichern zu ko&#x0364;nnen, daß mein Vor-<lb/>
bitten bey dem Kay&#x017F;er euch allein das Le-<lb/>
ben erhalten, denn ich habe in dem Neben-<lb/>
Zimmer nicht nur eure an den Kay&#x017F;er ge-<lb/>
thane Rede von Wort zu Wort angeho&#x0364;ret,<lb/>
&#x017F;ondern auch eure Per&#x017F;on durch ein kleines</hi><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Glas-</hi> </fw><lb/>
              </p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] wie auch Dinte, Federn und Pappier mitbrachte und ſchickte. Solchergeſtalt konte mir doch manche Grille vertreiben, und meine Chriſtlichen Gebeter, Bi- bliſche Spruͤche und Geſaͤnge, die ich auswendig wuſte, aufzeichnen. Nachdem ich aber laͤnger als 3. Wochen in dieſem Behaͤltniſſe geſeſſen, kam ei- nes Abends mein Mohren-Knabe, und reichte mir, nachdem er das Abend-Eſſen aufgeſetzt, eine ſchlecht anſehnliche, hoͤltzerne, verſiegelte Buͤchſe in die Haͤnde, ſagte auch, (weil er als ein Unver- ſtaͤndiger, durch meine oͤfftern Geſchencke und an- dere erzeigten Wohlthaten, mir ſehr getreu worden war,) daß ſeine Schweſter, mir ſelbige in Geheim zu uͤberbringen, bey Leib- und Lebens-Straffe an- befohlen haͤtte. Jch ließ Eſſen und Trincken ſte- hen, gieng an ein Fenſter, und fand oben ver- ſchiedene groſſe Gold-Stuͤcke, in der Mitten einen zuſammen gelegten Brief, unten aber ein in Gold eingefaſſetes Portrait eines ſehr wohlgebildeten Frauenzimmers. Denn Jnnhalt des Briefes zu leſen, war ich am aller neugierigſten, und fand den- ſelbigen alſo geſetzt: Wertheſter Herr Lands-Mann! JCh ſchaͤtze es mir vor ein beſonderes Gluͤck und Vergnuͤgen, euch in Wahr- heit verſichern zu koͤnnen, daß mein Vor- bitten bey dem Kayſer euch allein das Le- ben erhalten, denn ich habe in dem Neben- Zimmer nicht nur eure an den Kayſer ge- thane Rede von Wort zu Wort angehoͤret, ſondern auch eure Perſon durch ein kleines Glas-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/118
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/118>, abgerufen am 29.03.2024.