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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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muste, denn bey einer solchen starcken Familie wur-
den, wie leicht zu erachten, auch starcke Ausgaben
erfodert, zumahlen da sich kein eintziger von mei-
nen Brüdern zur Handlung appliciren, sondern
ein jeder viel lieber ein Handwerck lernen wolte,
weßwegen mein Vater fremder Leute Kinder zu
Jungen und Handels-Dienern annehmen muste.
Jch will mich aber hiebey nicht lange aufhalten,
sondern nur von meiner eigenen Person erwehnen,
daß, da ich kaum das 13te Jahr erreichte, mich eini-
ge Leute vor schön ausgeben wolten; dannenhero
fanden sich fast täglich nicht nur die Söhne der
reichsten Kauff-Leute, sondern auch weit Vorneh-
mere, bey meinen Brüdern ein, um zu schauen/ ob
bey mir etwas schönes anzutreffen wäre. Jch weiß
nicht, was dieser oder jener gefunden, doch bekam
ich bald von diesem, bald von jenem, nicht nur die
verliebtesten Briefe, sondern auch verschiedene Ga-
lanterie
-Waaren.

Jch armes Kind wuste gar nicht, was dieses zu
bedeuten haben solte, klagete es derowegen meiner
Mutter, und zeigete ihr alles offenhertzig, welche
darzu lächelte, und sagte: Meine Tochter! zerreiß
die Narren-Briefe, die Geschencke aber kanst du als
ein Andencken aufheben, damit es die Personen, so
sie dir geschickt, nicht vor einen Hochmuth auslegen,
inzwischen entziehe dich ihrer aller Gesellschafft, so
viel du kanst, und mache dich mit niemanden fami-
liair,
er sey so reich als er immer wolle.

Jch folgte meiner Mutter Lehren, kam aber bald
indas Geschrey, als ob ich mir auf meinen Spiegel
etwas einbildete, und gewaltig eigensinnig wäre.

Dem
(K 2)

muſte, denn bey einer ſolchen ſtarcken Familie wur-
den, wie leicht zu erachten, auch ſtarcke Ausgaben
erfodert, zumahlen da ſich kein eintziger von mei-
nen Bruͤdern zur Handlung appliciren, ſondern
ein jeder viel lieber ein Handwerck lernen wolte,
weßwegen mein Vater fremder Leute Kinder zu
Jungen und Handels-Dienern annehmen muſte.
Jch will mich aber hiebey nicht lange aufhalten,
ſondern nur von meiner eigenen Perſon erwehnen,
daß, da ich kaum das 13te Jahr erreichte, mich eini-
ge Leute vor ſchoͤn ausgeben wolten; dannenhero
fanden ſich faſt taͤglich nicht nur die Soͤhne der
reichſten Kauff-Leute, ſondern auch weit Vorneh-
mere, bey meinen Bruͤdern ein, um zu ſchauen/ ob
bey mir etwas ſchoͤnes anzutreffen waͤre. Jch weiß
nicht, was dieſer oder jener gefunden, doch bekam
ich bald von dieſem, bald von jenem, nicht nur die
verliebteſten Briefe, ſondern auch verſchiedene Ga-
lanterie
-Waaren.

Jch armes Kind wuſte gar nicht, was dieſes zu
bedeuten haben ſolte, klagete es derowegen meiner
Mutter, und zeigete ihr alles offenhertzig, welche
darzu laͤchelte, und ſagte: Meine Tochter! zerreiß
die Narren-Briefe, die Geſchencke aber kanſt du als
ein Andencken aufheben, damit es die Perſonen, ſo
ſie dir geſchickt, nicht vor einen Hochmuth auslegen,
inzwiſchen entziehe dich ihrer aller Geſellſchafft, ſo
viel du kanſt, und mache dich mit niemanden fami-
liair,
er ſey ſo reich als er immer wolle.

Jch folgte meiner Mutter Lehren, kam aber bald
indas Geſchrey, als ob ich mir auf meinen Spiegel
etwas einbildete, und gewaltig eigenſinnig waͤre.

Dem
(K 2)
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[147/0155] muſte, denn bey einer ſolchen ſtarcken Familie wur- den, wie leicht zu erachten, auch ſtarcke Ausgaben erfodert, zumahlen da ſich kein eintziger von mei- nen Bruͤdern zur Handlung appliciren, ſondern ein jeder viel lieber ein Handwerck lernen wolte, weßwegen mein Vater fremder Leute Kinder zu Jungen und Handels-Dienern annehmen muſte. Jch will mich aber hiebey nicht lange aufhalten, ſondern nur von meiner eigenen Perſon erwehnen, daß, da ich kaum das 13te Jahr erreichte, mich eini- ge Leute vor ſchoͤn ausgeben wolten; dannenhero fanden ſich faſt taͤglich nicht nur die Soͤhne der reichſten Kauff-Leute, ſondern auch weit Vorneh- mere, bey meinen Bruͤdern ein, um zu ſchauen/ ob bey mir etwas ſchoͤnes anzutreffen waͤre. Jch weiß nicht, was dieſer oder jener gefunden, doch bekam ich bald von dieſem, bald von jenem, nicht nur die verliebteſten Briefe, ſondern auch verſchiedene Ga- lanterie-Waaren. Jch armes Kind wuſte gar nicht, was dieſes zu bedeuten haben ſolte, klagete es derowegen meiner Mutter, und zeigete ihr alles offenhertzig, welche darzu laͤchelte, und ſagte: Meine Tochter! zerreiß die Narren-Briefe, die Geſchencke aber kanſt du als ein Andencken aufheben, damit es die Perſonen, ſo ſie dir geſchickt, nicht vor einen Hochmuth auslegen, inzwiſchen entziehe dich ihrer aller Geſellſchafft, ſo viel du kanſt, und mache dich mit niemanden fami- liair, er ſey ſo reich als er immer wolle. Jch folgte meiner Mutter Lehren, kam aber bald indas Geſchrey, als ob ich mir auf meinen Spiegel etwas einbildete, und gewaltig eigenſinnig waͤre. Dem (K 2)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/155>, abgerufen am 29.03.2024.